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Der Mann, der Steine zum Sprechen bringt

Hammelburg

Der Mann, der Steine zum Sprechen bringt

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    Unter dem Mikroskop eröffnen sich pittoreske Mineralien-Landschaften.
    Unter dem Mikroskop eröffnen sich pittoreske Mineralien-Landschaften.

    Damals war Schwickart 44 Jahre alt und als Landwirtschaftsmeister schon aufs Engste mit dem Boden verhaftet. "Über die geologischen Verhältnisse der Erde musste ich da natürlich sowieso immer Bescheid wissen." Seine Kenntnisse erwarb sich der gebürtige Darmstädter nach dem Krieg in vierjähriger Lehrzeit in landwirtschaftlichen Betrieben im Odenwald, in der Nähe von Frankfurt und im Allgäu und später beim Studium zum Agrar-Ingenieur in Michelstadt.

    Die felsigen Höhen der Rhön

    Der Mann mit der umfangreichen Mineralien-Sammlung, der heute bezeichnenderweise am "Steinwiesenfeld" in Frauenroth wohnt, ist eigentlich sein Leben lang auf fremder Scholle gewandelt: In den 50er Jahren trieb es ihn nach Lehre und Studium beruflich in die Pfalz und nach Neckarsgemünd. Später war Schwickart Leiter eines landwirtschaftlichen Versuchsbetriebs in Überlingen am Bodensee. 1963 übernahm er die Leitung eines Hofs in Niedererlenbach bei Frankfurt, wo er mit seiner Frau Gisela bis 1992 blieb. "Ich bin kein Stadtmensch", sagt der überzeugte Erdverbundene. "Wir gingen dann später irgendwann auf die Suche nach einem Platz auf dem Land." Alle möglichen deutschen Regionen hätten er und seine Frau in Betracht gezogen. Dass es sie schließlich in die Rhön verschlug, habe mit ihrer Schwiegertochter zu tun, die in Langendorf wohnt. In den vergangenen 13 Jahren ist Frauenroth zur Heimat geworden.

    In den felsigen Höhen der Rhön ist der begeisterte Mineralien-Sammler inzwischen zu Hause. Er durchstreifte den Sodenberg, untersuchte den Steinbruch in Rupsroth, wurde an Totnansberg und Bauersberg fündig. Auch der Steinbruch bei Seyferts ist für ihn ein "interessanter Ort". Dort fand er den verglasten Sandstein, den er aus dem Regal nimmt und mir entgegen hält: "Der stand offenbar im Kontakt zum Förderschlot des Vulkans."

    Hunsrück, Schwarzwald, Bayerischer Wald, Alpen, Erzgebirge, Taunus - Schwickart ist in den vergangenen drei Jahrzehnten in allen Regionen Deutschlands auf Studienreise gegangen und hat große und kleine, flache und pompöse, matte und glänzende, einfarbige und bunte Mineralien nach Hause importiert. In seinem Keller hat er sich sein kleines "Museum" eingerichtet. In wandhohen Regalen und hinter Glasvitrinen hat er all seine Schätze ausgebreitet und sie feinsäuberlich beschriftet.

    Nach Regionen geordnet

    "Aber es ist keine systematische Sammlung", betont er, "ich habe alles nach Regionen geordnet". Für ihn sei nicht der Fund an sich das Kriterium, sondern dass er einen Überblick über die geologische Beschaffenheit eines Gebiets bekommt. "Ich gehe nicht auf die Suche nach kostbaren Kristallen, sondern finde Mineralien dort wo ich gerade das Gestein untersuche."

    Mit dem Wohnmobil habe es ihn und seine Frau früher oft in die Ferne getrieben. Selbst die skandinavischen Länder waren Reiseziele. Stolz zeigt Schwickart eine Versteinerung von Korallen, die er in einem Steinbruch in Dänemark fand. Aus Schweden brachte er versteinerte Seelilien-Stängel mit. Aber auch in Frankreich, Ungarn und der Schweiz ging der Hobby-Mineraloge auf Spurensuche.

    "Hammer, Lupe und Meißel habe ich immer dabei im Urlaub", sagt der 75-Jährige und lacht. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Manchmal könne man auch quasi nebenan schon tolle Funde machen. Denn selbst bei Straßenarbeiten stoße man auf interessante Gesteinsschichten. Und Schwickart gesteht: "An der neuen A  71 habe ich mich auch mal umgeschaut." Man dürfe bloß den Bauarbeitern nicht in die Quere kommen.

    Was der Sammler so spannend findet: Dass jedes Gestein aus den unterschiedlichsten Mineralien besteht. Ist es porös, bilden sich dort durch hydro-thermale Wässer die schönsten und buntesten Kristalle aus. Schwickart nimmt eine auf den ersten Blick unscheinbare Gesteinsprobe aus der Eifel aus dem Regal und hält sie unters Mikroskop. Dort eröffnen sich dem Betrachter sogleich die erstaunlichsten "Mineralien-Landschaften": Es tauchen Berge und Täler auf, rote Felder, Schluchten und schwarze Löcher, über allem gefährlich wirkende Fels-Stacheln. So wird die Eifel daheim zum wunderlich-bizarren Kristall-Gebirge.

    Schwickart führt mich an seinem Regal entlang, lässt mich seine Schätze bestaunen - Misch-Gebilde aus altehrwürdigen Erd-Gezeiten: Er nimmt ein Kalk-Gestein aus dem Regal, das er in der Nähe von Mainz fand. Es ist ein Mineral aus einem der "jüngeren" Erdzeitalter, dem Tertiär (vor 65 Millionen bis zwei Millionen Jahren).

    Ein Kupfer-Schiefer-Stück mit einem Fisch-Fossil brachte er aus dem thüringischen Nentershausen mit. Es stammt aus dem Perm (vor 290 bis 248 Millionen Jahren), dem sechsten und letzten Abschnitt des Paläozoikums. Im Perm erschienen auch die Vorgänger der Dinosaurier auf der Bildfläche. Faszinierend ist auch die Holz-Versteinerung aus Illingen an der Saar: Verkieseltes Holz mit einer Maserung von Quartz-Kristallen. Anzusiedeln ist das Fundstück in der Karbonzeit, in dem Zeitabschnitt des Erdalters, der vor 355 Millionen Jahren begann und 65 Millionen Jahre dauerte.

    Vogelkundler schauen immer in die Luft, sagt Schwickart. "Ich habe meine Augen am Boden." Und so entdeckt der Gesteins-Experte so manches Prachtstück im Vorübergehen, aber auch beim Klopfen und Meißeln am Berg. Er sucht dann nach Spalten, weil sich dort unter den Umwelteinflüssen oft die außergewöhnlichsten Kristalle bilden.

    "Im Lauf der Jahre bekommt man ein Gespür für das, was man sieht", sagt er. So bringen ihm Freunde gelegentlich Mineralien aus dem Urlaub mit - teilweise teuer erkauft. So hat er blaue Kristalle aus dem italienischen Vesuv und gülden glitzernde Vulkangestein aus Spanien geschenkt bekommen. "Oft sind es Fälschungen, das erkennt man sofort", sagt er und deutet auf Spalten, die verleimt wurden, und auf angeklebte Plastik-Kristalle.

    Einmal noch nach Schweden

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    Während der Wahl-Frauenrother früher öfter auf Reisen war, ist er in den vergangenen Jahren ruhiger geworden, sagt er. "Mein Hobby ist belastet durch Entfernungen", sagt er und gesteht, dass er nicht mehr so begeistert an den Wochenenden auf große Fahrt geht. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass er gern mit den Kollegen aus der Würzburger "Vereinigung der Freunde der Mineralogie und Geologie" unterwegs ist. Im vergangenen Jahr besuchten die Hobby-Gesteinskundler Tschechien und die Slowakei und waren auf Exkursion in Bergwerken. Schwickarts Traum: Einmal noch nach Schweden zu fahren, weil es dort unendlich viele verschiedenartige Gesteine gibt.

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