Schreibtischarbeit in Regensburg statt Streifabfahrt in Kitzbühel: Wolfgang Baier liebt als aktiver Wintersportler Fernsehübertragungen von Skirennen. Doch seit seiner Wahl im Dezember zum Präsidenten der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Regensburg setzt er neue Schwerpunkte. Auf dem Programm stehen Vorbereitungen für die Übernahme des Präsidentenpostens ab Mitte März. Außerdem hat er momentan noch den Lehrstuhl für Allgemeine Physik und Bauphysik inne, muss also Vorlesungen vorbereiten. Geduldig steht der promovierte Physiker der Main-Post Rede und Antwort, während Didier Cuche gleichzeitig mit einem Husarenritt das legendäre Skirennen für sich entscheidet.
Wolfgang Baier wuchs in Neuwirtshaus auf, gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Jürgen, der das elterliche Sägewerk von Robert und Rosa Baier übernahm. Bis heute ist Wolfgang Baier Mitglied im Schützenverein Neuwirthaus. Dort lernte er, sich auf ein Ziel zu konzentrieren. Die Grundregeln des Mannschaftsspielens lehrte ihn der Fußballverein SV Schwärzelbach. Auch diesem Verein hält er immer noch die Treue. Der 1956 Geborene weiß, was Wurzeln Wert sind. 1975 machte er das Abitur am humanistischen Frobenius-Gymnasium und ist heute Mitglied im Verein der Freunde des Gymnasiums. „Die Bindung zu etlichen ehemaligen Mitschülern ist immer noch recht eng.“
Referat am Gymnasium
Auch in die Hallen des Gymnasiums kehrte er als Referent schon einmal zurück. 2002 holte ihn der damalige Elternbeirat zu einem Vortrag für die Oberstufe. Er referierte über Mikrosystemtechnik und warb für ein Studium an der früheren Fachhochschule Regensburg: „Fast alle Absolventen haben einen Job sicher.“ Diese Aussage hat nichts an Aktualität eingebüßt.
Baier studierte in Würzburg Physik, obwohl er es als Schulfach nach der elften Klasse ablegen musste: „Die Mehrheit unseres Jahrgangs hatte sich für Chemie/Biologie entschieden.“ Beim Einschreiben fürs Studium schwankte er zwischen Geschichte und Physik. „Weil ich das Gefühl hatte, in Physik etwas versäumt zu haben, entschied ich mich hierfür“, erklärt der Humanist. Im Nachhinein eine kluge Entscheidung, die den 55-Jährigen ins bisher spannendste Finale seines Lebens führte, in die Endrunde zur Wahl des neuen Präsidenten.
Baier, eine von ihm geschätzte Professorinnenkollegin und ein externer Mitbewerber waren die drei aus über zehn Bewerbern, die zur Entscheidung am 9. Dezember antraten. Jeder der drei präsentierte seine Ideen und Vorstellungen vor dem 16-köpfigen Wahlgremium. Baier musste als Erster ran und überzeugte. Abgestimmt wurde geheim. Elf Stimmen, die absolute Mehrheit, errang Wolfgang Baier im ersten Wahldurchgang: „Es war ein Riesenschritt für mich und die Wahl spannender als das eindeutige Votum vermuten lässt.“ Ab März wird der bisherige Vizepräsident und Professor für Allgemeine Physik und Bauphysik die Geschicke der Regensburger Hochschule lenken. Dann ist er verantwortlich für über 200 Professoren, 400 Mitarbeiter und 8000 Studierende.
Die Hochschule ausbauen
Er möchte die Hochschule für angewandte Wissenschaften räumlich und fachlich weiter ausbauen: „9000 Studenten sind realistisch.“ Zurzeit ist sie etwa so groß wie die Hochschule Würzburg/Schweinfurt. Für die Regensburger spricht, dass es eine Kooperation mit der angrenzenden Universität gibt: „Das hat kein anderer Hochschulstandort in Deutschland.“ Baier ist ein Befürworter der Studiengebühren. „Dadurch können wir unseren Standort attraktiver machen. Die Studenten haben mehr Mitspracherecht, werden in Entscheidungsprozesse mit eingebunden.“
Nicht verloren hat der gebürtige Neuwirtshäuser seinen unterfränkischen Zungenschlag „Darüber frotzeln meine Kollegen immer wieder. Das harte und weiche d und b verliert man als Unterfranke nie“, gesteht er lachend. Gewöhnt hat er sich an den Oberpfälzer Dialekt. Denn seit seiner Berufung an die damalige Fachhochschule 1992 wohnt er mit Frau Gabriele und Sohn Lukas in der Nähe von Regensburg.
Credo seiner Karriere
Das Credo seiner beispielhaften Karriere sei, dass man sich im Leben immer zweimal sehe. „Es ist ganz wichtig während des Studiums Kontakte zu knüpfen und sich ehrenamtlich zu engagieren“, rät er Studierenden. Während seiner Schulzeit in Hammelburg organisierte Baier mit Mitschülern Nachhilfeunterricht. Aktiv brachte er sich bei der Schülerzeitung mit ein. Heute ist er stellvertretender Vorsitzender des Hochschullehrerverbands. „Ich fand es immer persönlich bereichernd über den eigenen Tellerrand zu schauen.“
Ein konkretes Vorbild unter den großen Physikern hat Baier nicht. Doch Heisenbergs Wahlspruch „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, stehe auch für seine Weltanschauung. Und das große Ganze, das Wohl der ihm anvertrauten Hochschule, hat Baier nun im Blick, konzentriert sich voll und ganz darauf und lässt dafür sogar die legendäre Streifabfahrt sausen.