Braumeister Peter Romeis begeistert sich für gutes Bier und will „dem Produkt Bier etwas mehr Enthusiasmus und Kultur verleihen“, „die Freude am Biertrinken fördern“ wie er sagt. Der Chef des gleichnamigen Instituts geht deshalb in die Vollen und nutzt seine seit 2004 bestehende Versuchsbrauerei, um privates Vergnügen und Geschäft zu verbinden und neue Biere zu erfinden.
In der Versuchsbrauerei schlägt einem gleich beim Eintreten ein angenehmer Hefegeruch entgegen. Das Institut kreiert dort für einen Kunden gerade ein neues Bier mit einem besonderen Aromahopfen. In mehreren silbrig glänzenden Tanks und Bottichen des Sudhauses entsteht der edle Tropfen. In einem Bottich schwimmt schwerer bräunlicher Hefeschaum auf dem Sud. Wie ein Sommelier schnuppert Romeis am noch nicht ganz fertigen Bier, das er aus einem der Tanks in ein Glas zapft. Und tatsächlich schmeckt das bisherige Ergebnis schon sehr aromatisch.
Zu Romeis' bisherigen Kreationen zählen ein Dinkelbier für Distelhäuser, aus Zollgründen ein Bier ohne Malz (was man angeblich nicht merkt) für den asiatischen Markt und ein „Sektbier“, ein stark kohlensäure- und alkoholhaltiges Bier, das in München als Szenebier in Sektflaschen mit Korken verkauft wird. Genauere Informationen zu laufenden oder anstehenden Aufträgen kann Romeis nicht geben. Er hat sich zu strikter Vertraulichkeit verpflichtet.
Der rührige Institutsleiter ist außerdem einer der Gründungsväter der Bier-Quer-Denker, eines losen Zusammenschlusses von einem guten Dutzend Braumeistern kleiner und mittelständischer Brauereien. Die haben sich seit 2009 auf die Fahnen geschrieben, „neue Trampelpfade zu gehen und sich von Fernsehbieren abzusetzen“. Bei Treffen der Querdenker bringe jeder seine neuesten Kreationen und Ideen mit. Romeis sieht sich als Hüter des Reinheitsgebots, aber die Ideen könnten sich schon mal „innerhalb und außerhalb des Reinheitsgebots“ bewegen. Ein italienischer Querdenker etwa macht Biere mit Schokolade oder Chili und füllt diese in Flaschen, die aussehen wie kleine Sektflaschen.
Anderswo werde Bier höher geschätzt als in Deutschland, findet Romeis. Aber wo – bitte – schätzt man Bier denn höher als im Land des Oktoberfests, dem Land des Reinheitsgebots, dem Land der unzähligen Brauereien? In den Vereinigten Staaten zum Beispiel, findet er. Dort gibt es etwa die jährlichen „World Beer Awards“, bei der die besten Biere der Welt ausgezeichnet werden. Ähnliches gibt es auch in Israel.
Außerdem steige die Zahl der Brauereien in den USA stark, wenn auch die großen den Markt dominierten und eher kleine Gasthausbrauereien entstünden. Über 90 Bierkategorien seien bekannt, sagt Romeis, in Deutschland gebe es hingegen nur um die zehn, darunter Pils, Export, Kölsch und Weizen.
Zwar sei in Deutschland die Zahl der Brauereien mit gut 1300 in den letzten Jahren konstant geblieben, ja sogar ein bisschen gestiegen. Aber das sei auf Neugründungen von Minibrauereien zurückzuführen, während mittelständische Brauereien gegen die „Fernsehbiere“ keine Chance hätten.
Also müssen neue Ideen her, meinen Romeis und seine querdenkenden Kollegen. Vor allem was den Inhalt der Flasche angeht, aber auch mit der Flaschenform, dem Verschluss oder den Etiketten könne man sich von der großen Konkurrenz absetzen. Regionalität kommt ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Vielfalt statt Einförmigkeit also.
Bei den Bierinnovationen kommen schon allein innerhalb des Reinheitsgebotes verschiedene Hefe-, Getreide- und Hopfensorten, anderes Wasser oder eine andere Verfahrensweise und Technologie zum Einsatz. Die Querdenker wollen besseres und charaktervolleres Bier und damit der Tendenz zur Verflachung, zu weniger Bitterkeit entgegenwirken. Mehr Bitterkeit, so Romeis, bringt auch mehr Geschmacksstoffe mit sich.
Das in Oberthulba entwickelte „Sektbier“ besticht nicht nur durch seinen Geschmack und sein feines Etikett, sondern auch durch eine mehrjährige Haltbarkeit. Normalerweise sollte man Bier innerhalb von ein paar Wochen trinken. „Durch den Alterungsprozess setzt außerdem eine Aromatisierung ein“, sagt Romeis, „das Bier wird cherryartig.“ Wobei sich der Geschmack ständig wandele. Romeis hält genau fest, was er bei seinen Proben schmeckt. Überhaupt habe Bier dreimal mehr Geschmacksstoffe als Wein, weiß der Kenner.
Ähnliche Geschmackserlebnisse habe ein Bockbier eines befreundeten amerikanischen Brauers hervorgerufen.
Seine Versuchssude muss Romeis beim Zollamt anmelden und dafür monatliche Meldungen erstellen. Am Jahresende wartet dann eine – man glaubt es kaum – Jahresbiersteuererklärung auf ihn, die ans Zollamt nach Stuttgart zu schicken ist.
Dreimal haben die Bier-Quer-Denker inzwischen zu Workshops mit Vorträgen und Fachsimpeleien geladen. Um die 100 Brauer haben jeweils daran teilgenommen. Das Interesse war bislang größer als die Kapazität. Der nächste Workshop – „Wege zu innovativen Bieren“ – läuft am 7. April in Nürnberg. Auf dass neue Bierspezialitäten entstehen mögen. Prost!