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"Der Wechsel ist mein Grundtenor"

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"Der Wechsel ist mein Grundtenor"

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    Glückliche Umstände begleiten sein Leben, sagt der 44-jährige Tiroler und lässt seinen Blick durch die Brasserie wandern. Es ist Vormittag. Es ist noch wenig Betrieb. Sabine Ferrari, die Ehefrau und Wirtin, schwirrt mit Tellern durchs Bistro. Immer hat sie ein Lächeln für ihre Gäste und für ihren Mann. Er schenkt sich eine Tasse Kaffee ein und erzählt. Er erzählt davon, was seine Gäste immer interessiert: Wer verbirgt sich hinter seinem italienischen Namen?

    "Mein Urgroßvater kam aus Italien, vermutlich ein Steinmetz, der sich im 19. Jahrhundert in Nassereith, in der Nähe von Innsbruck, niederliess" - der Geburtsort von Horst Ferrari. "Die Italiener versuchten ihr Glück im Norden. Steinmetze waren damals sehr gefragt", sagt Ferrari und macht keinen Hehl daraus, dass er selbst nie handwerklich begabt war.

    So stand für ihn bald fest, dass er im 1300-Seelen-Dorf seine Erfüllung nicht finden würde - und auch nicht finden wollte. In Tirol gebe es wenig Möglichkeiten, einen Beruf zu erlernen durch den "ich viel reisen und erleben kann", sagt er und rührt entspannt in seinem Kaffee. Das Licht ist gedämpft. Eine alte Dame und ihre Pflegerin betreten das Lokal. "Die Gastronomie ist einer der wenigen Berufszweige in Tirol, der Arbeit mit Reisen verbindet", erzählt Ferrari weiter. So überrascht es nicht, dass er mit 15 Jahren Restaurantfachmann lernte.

    Das Telefon klingelt. Ferrari springt auf und lehnt sich an sein Klavier, das immer donnerstags für Bar-Atmosphäre sorgt. Der Mann ist ständig im Wechsel: Zwischen der Welt des Gastronomen, des Geschäftsmannes eines Seniorenfachhandels, dann wieder einfacher Gesprächspartner, der in Erinnerungen schwelgt.

    Zeitgleich schlürft die alte Dame ihren Tee und redet mit sich selbst: "Ob ich den Apfelpuffer essen kann? Ich sehe ja gar nichts", sagt sie und ertastet den Kuchen. Die Zubereitung des Puffers beherrscht Ferrari seit 30 Jahren.

    Damals verbrachte er drei Jahre im österreichischen Arlberg. Diese Lehre sei für seine Laufbahn von unschätzbarem Wert gewesen, erzählt er. Doch in Arlberg hält den frisch gebackenen Restaurantfachmann nichts. Nach dem Abschluss beginnt er seine eigene "gastronomische Rundreise". In Österreich gebe es einfach zu viele Gastronomen. Ferrari wollte "rauskommen" und landet 1977 im Fünf-Sterne-Kulmhotel in St. Moritz.

    Sein Name bringt ihm Glück in der Schweiz: "Ferrari, der spricht bestimmt italienisch", denkt sein Chef und teilt den 18-jährigen in das schönste à-la-Carte-Restaurant des Hotels ein. Die meisten Gäste sind aus Italien. Der Name schafft Sympathie. Dass Ferrari nur die italienische Fachsprache für Gastronomen beherrscht, interessiert keinen. "Der Eindruck zählt .  .  ."

    Gerne erinnert sich Ferrari daran, als der Chef ihn darum bat, eine Pute zu flambieren - innerhalb einer Saison wurde er dadurch zum Demi-Chef, zur rechten Hand des Kochchefs. Doch das reichte Ferrari nicht. Wechsel bestimmt sein Leben. "Wechsel ist mein Grundtenor: Die einzige Möglichkeit, in der Gastronomie ein Begriff zu sein, ist der ständige Wechsel", betont er mit leichtem Tiroler Akzent und zwinkert seine Frau entgegen, die gerade hungrige Gäste bedient.

    Ferrari wollte Barchef werden und mit 19 Jahren hat er sein Ziel im schweizerischem Davos erreicht. Doch auch diesmal bleibt er nur eine Saison.

    Der Drang nach Veränderung, lässt ihm keine Ruhe: Zufällig liest er eine Annonce in der Zeitung "Erlebnishotel Frankenland sucht einen Barchef". In Unterfranken war Ferrari noch nie gewesen. Und Angst vor dem Neuen, gar Heimweh, kennt er nicht. "Meine Heimat ist in Tirol aber heimisch fühle ich mich überall", sagt er und blickt auf die alte Dame am Nebentisch. "In Bad Kissingen ist alles etwas gemächlicher", erinnert sich Ferrari an die Anfänge im Hotel Frankenland, 1982. "Und Unterhaltung bis fünf Uhr morgens, wie in der Schweiz, war auch nicht gewünscht. Ein Kurort ist eben kein Touristenort, wie St. Moritz."

    Trotzdem: Ferrari bleibt. Und diesmal länger, als nur für eine Saison. "Die Umstände haben einfach gepasst", sagt er. Damit meint er nicht nur das Geld. Ende der 80er Jahre lernt er seine Frau, Sabine Ferrari, kennen. Die Hannoveranerin ist damals nur zur Besuch in Bad Kissingen. Sie entscheidet sich für ihn, für die Gastronomie - und beendet damit das sprunghafte Leben von Horst Ferrari. Zeitgleich gibt ein guter Freund sein Lokal auf. Ferrari zögert nicht und übernimmt 1989 die Brasserie - das französische Bistro der Stadt.

    Jetzt, nach 14 Jahren, sagt er der Brasserie Adieu. Denn mittlerweile ist Ferrari auch Vater von zwei Töchtern (acht und zwölf Jahre alt). Und er will jetzt mehr Zeit mit seiner Familie verbringen - das ist jedenfalls sein Vorsatz. Aber die Lust auf Veränderung will Ferrari nicht aufgeben. "Insgesamt habe ich 30 Jahre meines Lebens in der Gastronomie verbracht. Am 31.  Oktober wird das Lokal übergeben", betont er. "Es ist wieder Zeit für einen Wechsel." Sagt's und schiebt einen Katalog für Seniorenbedarf auf den Tisch.

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