Ein mulmiges Gefühl ist es schon, wenn man im Korb einer leicht schwankenden Drehleiter auf eine Höhe von rund 30 Metern gefahren wird. Der Blick über Bad Kissingen ist ja ganz schön, aber nicht dass das Fahrzeug unten doch kippt . . .
Aber Rainer Schmitt, der Gerätewart der Bad Kissinger Feuerwehr und ein alter Hase in Sachen Drehleitern, hat mit Display und Bedienhebeln alles im Griff, und das Fahrzeug steht fest und sicher auf den ausgefahrenen Stützen. Bevor es kritisch wird, schalte sich die Hydraulik zum Ausfahren sowieso automatisch ab, beruhigt Schmitt.
Wer bei der Kissinger Feuerwehr hoch hinaus will, der kommt mit ebenjener Drehleiter DLA (K) 23/12 dorthin. Die Bezeichnung steht für Drehleiter Automatik Korb mit einer Rettungshöhe von 23 Metern bei einem Abstand zum Gebäude von 12 Metern. Im Sommer 2008 wurde die Leiter für schlappe 730 000 Euro beschafft. Ihren Preis sei sie wert, findet Schmitt – auch vor dem Hintergrund der Ermittlungen um ein Kartell bei Feuerwehrfahrzeugen.
„Ich bin ein wenig so was wie der Papa der Drehleiter“, sagt der Gerätewart, der andere Kissinger Feuerwehrmänner daran ausbildet, lachend. In seiner Zeit bei der Feuerwehr – inzwischen ist er 18 Jahre dabei – hat der Reiterswiesener vier Drehleitern erlebt. Schmitt: „Ich bin auf allen vier schon viele Stunden gefahren. Früher waren auch viele Forst- und Baumfällarbeiten für die Stadt dabei.“
Die neue Drehleiter gehört laut Stadtbrandinspektor Harald Albert zum Modernsten, was es auf dem Drehleitermarkt derzeit gibt. Von 0 auf 30 Meter braucht sie 180 Sekunden – so schnell steht die Drehleiter nach Ankunft am Brandort sicher auf ihren Stützen und ist komplett ausgefahren. „Damit kommt man bis ins siebte Obergeschoss“, weiß Schmitt.
Eine Drehleiter ist aber nicht einfach nur eine Leiter, die sich dreht. Mitnichten. Schmitts Kind sitzt auf einem 290 PS starken Chassis eines Mercedes Atego, das unter anderem mit Schläuchen, Atemschutzgeräten, einem Hochdrucklüfter zum Wegblasen von Rauch, einer sogenannten Schleifkorbtrage zur Rettung von Personen sowie einem Stromaggregat für an der Leiter befindliche Scheinwerfer und für die Steckdosen im Korb ausgestattet ist.
Der Leiterpark, also die eigentliche Leiter, ist um 360 Grad drehbar. Steuern lässt sich das Ganze von einem Sitz am unteren Ende der Leiter aus, dem Hauptsteuerstand, oder eben auch vom Korb aus, von wo aus sich genauer ansteuern lässt. Der Steuerstand ist per Funk mit dem Korb verbunden.
Der besondere Clou an der Leiter: Die letzten etwa drei Meter lassen sich abknicken. „Das ist bei Dachüberhängen oder Gauben schon ein Vorteil“, kommentiert der 54-jährige Schmitt. Denn durch das Abknicken kommt der Korb mitunter näher an etwa Gauben heran, als dies mit einer nur gerade ausfahrbaren Leiter der Fall wäre.
Im Fahrzeug beeindrucken außerdem eine Rückfahrkamera, damit die Leiter beim Rückwärtsfahren nirgends hängen bleibt, und ein an James Bond erinnernder Knopf: Wenn man den drückt, legen sich automatisch Schneeketten an. Weil alles automatisch und elektronisch läuft, sind im Fahrzeug selber keine Handys erlaubt, um die Elektronik nicht zu stören.
Gute Dienste hat das edle Gerät bislang etwa beim Brand einer Gaststätte in der Hemmerichstraße im März vergangenen Jahres geleistet, einem der größten Brände der letzten Jahre. Durch den gemeinsamen Einsatz der Drehleiter mit der zweiten, die die Feuerwehr schon seit 1977 hat, habe ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Gebäude verhindert werden können, erzählt Schmitt. Außer bei Brandeinsätzen, bei denen man von oben ran muss, kommt die Drehleiter auch bei der Rettung schwergewichtiger Personen oder beim Ausleuchten von Unfallstellen zum Einsatz.
Um die Drehleiter bedienen zu können, braucht es einen einwöchigen Kurs in Würzburg samt einer zusätzlichen Ausbildung vor Ort am im unausgefahrenen Zustand 10,10 Meter langen und 3,30 Meter hohen Gerät selbst. Die Schulung in Bad Kissingen macht Schmitt zusammen mit drei weiteren Ausbildern. Etwa 25 Kissinger Feuerwehrleute können mit der Drehleiter umgehen.
Schmitt kümmert sich als Gerätewart und Atemschutzgerätewart um die Wartung und Pflege sämtlicher Fahrzeuge und Gerätschaften. Besonders nach einem Einsatz ist sein Typ gefragt. „Hinterher ist es immer sehr, sehr viel Arbeit“, erzählt er. So müssten etwa alle Atemschutzgeräte geprüft, alle Geräte wieder in einen einsatzfähigen Zustand gebracht werden.
Bevor Schmitt zur Feuerwehr kam, war er bei der Katastrophenschutzeinheit (ABC-Zug), die jetzt in Maßbach stationiert ist. Neben Stadtbrandinspektor Harald Albert ist der 54-Jährige der einzige Festangestellte bei der Freiwilligen Feuerwehr. Eigentlich ist er zwar beim Servicebetrieb der Stadt, dem früheren Bauhof, beschäftigt, ist aber eben als Gerätewart bei der Feuerwehr abgestellt.
„Es kommen immer wieder fanatische Feuerwehrleute, die Bilder von allen Fahrzeugen machen wollen“, sagt er, als ein Fotograf kommt, der aber keineswegs die hochmoderne neue, sondern die alte Drehleiter von 1977 fotografieren will, die noch „top in Schuss“ sei. Die Kissinger Uraltdrehleiter aus Holz von 1923 übrigens, so ergänzt Albert, ist als Leihgabe in München auf der Wache neun zu sehen.