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Die roten Backen von Geheimrat Oldenburg

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Die roten Backen von Geheimrat Oldenburg

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    H errlicher Sonnenschein leuchtet über den Bergen der Rhön. Die Wasserkuppe überragt mit 950 Metern die Landschaft. "Im Herzen Deutschlands gibt es keine Unterschiede zwischen Ost und West", sagt Karl-Friedrich Abé von der thüringischen Verwaltung des Biosphärenreservats. Ein gelungenes Beispiel dafür ist der Öko-Apfelsaft aus der Rhön. Grenzübergreifend werden die Äpfel gesammelt, gekeltert und vermarktet. Eine Reise durch die Region auf den Spuren des Rhön-Apfels.

    Es ist noch kühl an diesem Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen kündigen einen herrlichen Tag an. Der Herbst macht sich bereits bemerkbar, die Blätter an den Bäumen färben sich rot und gelb. Die Rhön präsentiert sich farbenfroh, wenn die Hochzeit der Apfelernte beginnt.

    Die Reise rund um den Rhön-Apfel startet bei Fulda, im hessischen Teil der Rhön. Abé stellt das hessische Kegelspiel vor. Die Blicke schweifen über die herrliche Landschaft der zehn Kegelberge. "Es gibt weit mehr in der Rhön als Schnee, Nacht, Nebel und Nüsse", sagt Abé in Anlehnung an ein altes Zitat.

    Er deutet auf die Streuobstwiesen links neben der Straße. Hinter den Dörfern zieren Reihen von Apfelbäumen die Wiesen und Felder. "In der rauen Rhön waren Vitamine besonders wichtig, daneben stellten die Menschen Wein und Most aus den Äpfeln her", erläutert Abé. Die Bäume tragen schwer - eine Vielzahl von reifen, rot-grünen Äpfeln hängt an den knorrigen Ästen.

    "Ein wahrer Schatz der Rhön sind diese Streuobstwiesen", betont Abé. Ohnehin sei die Region eine einzigartige Kulturlandschaft, so der Verwaltungsleiter des Biosphärenreservats Rhön in Thüringen weiter. 1991 wurde die Rhön als Biosphärenreservat von der Unesco ausgezeichnet. Lediglich 400 von ihnen gebe es weltweit.

    Viele Streuobstwiesen in der Rhön stehen unter Naturschutz, denn sie sind ein wichtiges Rückzugsgebiet für zahlreiche Tierarten, erklärt Abé. Außerdem wachsen dort die "alten" Apfelsorten wie beispielsweise Boskoop oder Bohnapfel. Während viele der neu gezüchteten Kultursorten das Klima in der Rhön nicht lange überleben würden, trotzen die alten Apfelsorten Wind und Wetter. "Sie halten durch", lächelt Abé.

    Gegenüber anderen Regionen hätten die Früchte bis zu 30 Tage weniger Zeit zum Reifen. Bereits im September gebe es den ersten Frost - die Tomaten in seinem Garten seien bereits erfroren, sagt Abé. Der Verwaltungschef aus Kaltensundheim zeigt nach oben auf die Berge: "Die höchst gelegenen Dörfer der Rhön - Frankenheim und Birx", sagt er. Ohne es zu merken, hat die Gruppe die Landesgrenze nach Thüringen überquert.

    Kurze Zeit später ist die erste Station der Reise erreicht: die Probstei Zella in der Rhön. Die Mauern des ehemaligen Klosters glänzen hell im Sonnenschein. Horst Schmidt, dortiger Mitarbeiter des Biosphärenreservats, begrüßt seine Gäste in dem alten Gebäude aus dem Jahre 1136. Er führt die Gruppe auf die Streuobstwiese im Garten der Propstei.

    "Die Bäume hier stammen zum Teil noch aus der Zeit um 1880 und sind bis zu 120 Jahre alt", erklärt Horst Schmidt, Landschaftsführer beim Biosphärenreservat. Eine Schar Rhönschafe läuft an den Besuchern vorbei und sucht Schatten unter den Apfelbäumen. Auch im Klostergarten ist Erntezeit: Ein Arbeiter schiebt seine Leiter in die Baumkrone. Während er die richtige Position sucht, fallen die reifen Früchte in das halbhohe Gras des Klostergartens.

    Mit einem Beutel über der Schulter steigt er die Sprossen hinauf und pflückt die Äpfel von den Zweigen. Immer wieder muss er hinab und die gesammelten Früchte in den Korb leeren, der neben dem knorrigen Stamm steht.

    "Die Ernte der Äpfel aus den Hochstammbäumen ist mühsam und gefährlich", erklärt Abé. Da es sich zudem nicht auszahlt, verwilderten außerhalb der Rhön viele Streuobstwiesen, ergänzt Harald Elm, Inhaber der gleichnamigen Kelterei im hessischen Flieden.

    Gemeinsam mit dem Biosphärenreservat und der Rhöner Apfelinitiative, in der sich mehr als 1500 Obstbauern zusammengeschlossen haben, hat die Kelterei ein System etabliert, durch das sich sowohl die Pflege der Streuobstwiesen als auch die Ernte der Äpfel lohnt.

    Lieferungen nimmt Elm zum Festpreis ab: 15 Euro zahlt die Kelterei für 100 Kilo Äpfel, die dort zu Öko-Apfelsaft verarbeitet werden. Abgezogen werden davon der Mitgliedsbeitrag für die Apfelinitiative und ein Betrag zur Unterstützung des Projekts "1000 Apfelbäume" - insgesamt ein Euro. Mit Hilfe des Projekts sollen 1000 Apfelbäume pro Jahr auf Streuobstwiesen neu angepflanzt werden. Diejenigen, die Bäume pflanzen, zahlen nur einen Teil des Kaufpreises, der Rest wird durch eine Baumschule, die Kelterei und den Fonds übernommen. "300 haben wir in diesem Jahr geschafft", sagt Elm - im nächsten Jahr sollen es mehr werden.

    Nach einem Glas mit naturtrübem Apfelsaft im Klostergarten macht sich die Gruppe wieder auf den Weg. Es geht durch die "kalten Dörfer"- Kaltennordheim, Kaltensundheim und Kaltenwestheim - in denen die Temperatur tatsächlich fünf bis zehn Grad unter der der umliegenden Dörfer liegt, wie Abé erklärt.

    Dann überquert die Gruppe erneut die Grenze, diesmal nach Bayern. Kleine Bäume wachsen dort, wo einst große Zäune standen. Zahlreiche Tiere und Pflanzen haben im ehemaligen Sperrgebiet einen Lebensraum gefunden, sagt Abé. Im bayerischen Hausen stauen sich die Traktoren vor der Annahmestelle für Äpfel. Schwere braune Säcke liegen auf den Ladeflächen der Anhänger. Die Obstbauern heben ihre Ladung auf die große Waage. "Den Apfelanbau auf Streuobstwiesen kann man nur im Nebenerwerb betreiben", betont Abé. Durch das System und die Abnahme zu Festpreisen aber sei die Pflege von Bäumen wieder lohnenswert, betont er.

    Vorbei an der Annahmestelle folgt die Gruppe dem Weg zum Streuobstlehrpfad. 150 Sorten aus der gesamten Rhön beherbergt der Garten. Im Rathaus sind rund 100 von ihnen ausgestellt, unter anderem der Münnerstädter Apfel, Kaiser Wilhelm und der Streifapfel. Durch ihre roten Backen sind die Äpfel namens Geheimrat Oldenburg besonders auffällig. "Die meisten Sorten sind im 17. und 18. Jahrhundert entstanden", erklärt Adam Zentgraf von der Rhöner Apfelinitiative, Initiator des Lehrpfades. Zu den ältesten Sorten gehöre die Rote Walze.

    Zu unterscheiden seien die Sorten am besten durch den Kern, denn er sei wie ein Fingerabdruck, so Zentgraf. Weitere Merkmale seien der Bau des Apfels, hoch oder flach, die Stielgrube, weit oder eng, der Blütenkelch, das Fruchtfleisch und natürlich der Geschmack. Nach einem kräftigen Biss in einen saftigen Boskoopapfel geht es zurück nach Hessen. Harald Elm führt die Gruppe durch seine Kelterei, in der die Äpfel zu den verschiedensten Produkten, vom Apfelsaft über Apfelwein und Apfelcidre bis hin zu Apfel-Mischgetränken verarbeitet werden. Als Gast in Flieden begrüßt Elm Thomas Gutberlet, Mitglied des Vorstands bei tegut. Die Supermarktkette ist einer der größten Abnehmer für den Öko-Apfelsaft aus der Rhön.

    In der Kelterei sind Äpfel allgegenwärtig. In Annahmestelle, Apfelwaschanlage, Abfüllanlage - überall riecht es nach frischen Äpfeln. Eine Lieblingssorte habe er nicht, sagt Elm. Die Mischung verschiedener Sorten mache den besonderen Geschmack des Rhöner Apfelsafts aus. Allerdings schmecke der Saft in jedem Jahr ein wenig anders. "Es ist wie beim Wein", erklärt Elm: Nach den Rekord-Öchsle-Werten im vergangenen Jahr sei der Saft in diesem Jahr wieder etwas herber.

    Die Gruppe kann sich abschließend selbst bei einigen Flaschen Saft davon überzeugen. Vielleicht wird der Rhöner Apfelsaft tatsächlich eines Tages so berühmt wie der fränkische Wein. Die Berliner jedenfalls sind von seiner Qualität bereits seit längerem überzeugt.

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