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SULZTHAL: Die Super 8 war immer dabei

SULZTHAL

Die Super 8 war immer dabei

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    So kennt man ihn: Mit der Kamera am Auge hält Herbert Hesselbach alles Interessante fest. Hier filmt er Ehefrau Martha, die in seinem großen Filmarchiv stöbert.
    So kennt man ihn: Mit der Kamera am Auge hält Herbert Hesselbach alles Interessante fest. Hier filmt er Ehefrau Martha, die in seinem großen Filmarchiv stöbert. Foto: Fotos: Irene Spiegel

    Das alte Wohnzimmerbufett ist seine Schatzkiste. Herbert Hesselbach öffnet die Schrankklappe und zeigt stolz auf die fein säuberlich aufgereihten Filmkassetten. „Das ist die Sulzthaler Geschichte der vergangenen 40 Jahre.“ Fast jedes dörfliche Ereignis hat der Hobbyfilmer Jahr für Jahr mit seiner Kamera festgehalten, sei es die Erstkommunionfeier, die Fronleichnamprozession, Vereinsfeste oder das Vierteltrinken der Sulzthaler Frauen an Fasching. Und dazwischen stehen natürlich noch viele Privatfilme von Familienfesten oder Kindergeburtstagen.

    Ein neuer Film wird am heutigen Dienstag hinzukommen, und zwar von einem ganz besonderen Familienfest. Herbert Hesselbach feiert nämlich seinen 80. Geburtstag.

    Die Leidenschaft fürs Filmen hat Hesselbach durch einen befreundeten amerikanischen Offizier entdeckt, der Ende der 1960er Jahre hier stationiert war und im Nachbarhaus wohnte. Mister Spencer besaß eine Super-8-Kamera und führte den Nachbarn einmal einen selbst gedrehten Streifen vor.

    „Das hat mich total fasziniert“, schwärmt der 80-Jährige noch heute von diesen „bewegten Bildern“. So etwas hätte er sich auch gewünscht, aber eine Super-8-Kamera war damals für den jungen Familienvater unerschwinglich. „200 Mark hätte sie gekostet.“ Dafür reichte das Geld nicht, das er beim Kufi in Elfershausen, der heutigen Firma Schäffler, verdiente. Schließlich musste das im Schlangenweg neu gebaute Haus abbezahlt werden. Doch Ehefrau Martha, die der Familie Spencer im Haushalt half, um ihr eigenes Haushaltsgeld aufzubessern, hatte die Idee. Sie ließ sich die Kamera von Mr. Spencer über den amerikanischen Handel besorgen, da kostete sie nur die Hälfte, und schenkte sie ihrem Mann 1968 an Weihnachten. Seitdem ist Herbert Hesselbach ein passionierter Hobbyfilmer.

    Anfänglich filmte er nur Familienereignisse: die Kinder Edgar und Ruth bei der Schneeballschlacht, den Besuch des Nikolaus oder die Bescherung unter dem Weihnachtsbaum. Doch schon bald dehnte sich sein Radius aus. Weil Hesselbach als geselliger Mensch im dörflichen Leben sehr aktiv war und ist, wurden Feste, Grenzgänge und kirchliche Ereignisse gefilmt. Vier Minuten gingen auf eine Super-8-Spule. Neun Spulen waren es allein vom Grenzgang, den Hesselbach in den 70er Jahren filmte. Weil es kein Labor in der Region gab, mussten die Spulen jedes Mal ins Kodak-Werk nach Stuttgart zum Entwickeln geschickt werden. Danach begann erst die eigentliche Arbeit. Denn die Vier-Minuten-Streifen mussten geschnitten und zu einem großen Film zusammengesetzt werden.

    Im digitalen Zeitalter kann man es sich gar nicht mehr vorstellen, wie mühevoll das war. Im Keller hatte sich Hesselbach sein Studio eingerichtet. Film für Film lief dort über dem Projektor. Die wichtigsten Szenen wurden markiert, mit der Schere herausgeschnitten und dann mit einem entsprechenden Hinweiszettel auf eine Wäscheleine geklammert. Manchmal hing der ganze Raum voller Filmstreifen. War alles geschnitten und sortiert, mussten die einzelnen Filmstreifen zusammengeklebt werden. Auf diese Weise entstand Hesselbachs erster großer Film für die Gemeinde Sulzthal. Er zeigt Ereignisse aus den Jahren 1968 bis 1975. Zusammengeschnitten wurden sie aus 40 Einzelfilmen.

    Nun hatte man zwar einen Film, aber noch keinen Ton. Also begann Hesselbach, seine Filme selbst zu vertonen. Mit den einfachsten Mitteln, einem Kassettenrekorder. Ehefrau Martha musste auf Kopfnicken den Ein- und Ausschaltknopf betätigen, während der Ehemann die Szenen des laufenden Films kommentierte. Legendär ist der Film vom Fußballspiel der Vierteltrinker-Frauen gegen die Vorstände der Sulzthaler Vereine aus dem Jahr 1969. „Einer hat da sogar mit langen Unterhosen gespielt“, erinnert sich Hesselbach. Seine Filmabende, die er regelmäßig im örtlichen Gasthaus und später in der Mehrzweckhalle abhielt, waren immer gut besucht. Da wurde gelacht und in Erinnerung geschwelgt.

    Inzwischen war Hesselbach fast schon ein Profi in Sachen Filmen geworden. Längst war die erste Super-8-Kamera von einer besseren Gebrauchten ersetzt worden. Und zum 25. Dienstjubiläum bei FAG schenkten ihm die Kollegen dann eine richtig große Super 8 mit Richtmikrofon und allem drum und dran.

    Dann kamen die Videokameras auf. Hesselbach war sofort dabei, rüstete auf Video um. Statt großer Filmspulen stapelten sich nun kleine Filmkassetten im Wohnzimmerbufett. Um sich weiter zu bilden, besuchte er Filmkurse, die seine Firma anbot. 34 Jahre arbeitete der Sulzthaler bei FAG, 25 Jahre davon als Chef des Hauptmagazins. Dabei kommt Hesselbach aus einer ganz anderen Branche. Er ist gelernter Polsterer und Tapezierer. Eigentlich hatte er auf die Oberschule gehen sollen, so hieß damals das Gymnasium. Doch die Mutter erlaubte es nicht. Der Vater war im Krieg, deshalb musste der Ältere der beiden Söhne zuhause in der Landwirtschaft mithelfen oder den sechs Jahre jüngeren Bruder betreuen. So war das damals.

    Nach der Lehre in Bad Kissingen wechselte Hesselbach zu einer Firma nach Schweinfurt. Doch die Verkehrsverbindungen in die Kugellagerstadt waren schlecht. Es gab nur einen Kleinbus, und dieser war immer überfüllt. Und mit dem Zug war man von morgens um vier bis abends um acht unterwegs. Nach zehn Jahren wechselte Hesselbach deshalb zu einem Geschirrsattler, der sich in Sulzthal niedergelassen hatte. Als dieser dann fortzog, ging Hesselbach wieder für einige Jahre zurück in die alte Schweinfurter Firma, bis er 1957 bei FAG in Elfershausen eine Arbeitsstelle bekam. Dort arbeitete er sich hoch bis zum Chef des Hauptmagazins, das er 25 Jahre lang leitete. 1990, nach der Herzoperation seiner Ehefrau, ging er in den Ruhestand.

    Herbert und Martha Hesselbach waren übrigens eins der ersten Paare in Sulzthal, das 1953 standesamtlich und kirchlich an einem Tag heiratete. Dabei wäre die Hochzeit schier geplatzt. Denn der Geburtszettel des damals erst 21-jährigen Bräutigams war im falschen Jahresordner abgelegt worden. Demnach wäre Hesselbach erst 20 Jahre alt und nicht volljährig gewesen. Ohne Vollmacht der Eltern hätte er dann nicht heiraten können. Gottlob konnte der Irrtum klargestellt werden.

    Zurück zum Filmen: Auf das Archiv von Herbert Hesselbach greifen die Sulzthaler Vereine gerne zurück. Zu besonderen Anlässen wird er zur Filmvorführung eingeladen. Aber auch in der Familie sind seine Filme gern gesehen. Regelmäßig werden im Wohnzimmer Leinwand und Projektor aufgestellt und dann alte Filme geschaut. Zum Beispiel vom Skifahren. Hesselbach ist leidenschaftlicher Alpinfahrer – mit 80 Jahren noch. Auch mit der Sulzthaler Rentnertruppe wandert er regelmäßig. Apropos Wandern: In jüngeren Jahren war Hesselbach regelmäßig mit drei Freunden in den Bergen unterwegs. Als diese dann nicht mehr mithalten konnten, fing er mit dem „Wallen“ an. Fünfmal ist er nach Vierzehnheiligen gepilgert, siebenmal nach Dettelbach und 28-mal nach Retzbach.

    Inzwischen lässt es der 80-Jährige ruhiger angehen. Gefilmt wird fast nur noch im Familienkreis, vor allem die drei Enkel und die drei Urenkel. Nach wie vor mit der Videokamera. „Fürs digitale Filmen ist bei mir die Luft raus.“

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