Mit ihr sollte man sich besser nicht anlegen. Wer sich dennoch auf eine Diskussion mit Hannah Piening einlässt, darf nicht auf den Mund gefallen sein. Die 18-Jährige ist bayerische Landesmeisterin im Wettbewerb „Jugend debattiert 2008“ bei den 11.- bis 13--Klässern. Im Bundesfinale erstritt sie sich Rang 15 und damit einen Platz im oberen Mittelfeld. Dabei wirkt die zierliche Frau alles andere als angriffslustig – zumindest auf den ersten Blick.
Frage: Was war Ihr erstes Wort? Nein?
Hannah Piening: Das war nicht mein erstes Wort. Das erste Wort war wahrscheinlich ganz unspektakulär „Mama“.
Trotzdem, Kontra zu geben, macht Ihnen Spaß, oder?
Piening: Schon. Aber nur, wenn die Diskussion auf einer gepflegten Ebene bleibt. Ich kann es nicht leiden, wenn es unter die Gürtellinie geht.
Gibt es überhaupt Themen, über die man nicht streiten kann?
Piening: Über Geschmack oder Kleidungsstil würde ich nicht debattieren wollen.
Warum? Über keine anderen Themen kann man besser streiten.
Piening: Aber was kann man dazu schon sagen? Man kann sagen, das ist meine Meinung, das ist deine Meinung. Da lässt sich kein gemeinsamer Nenner finden – muss ja auch nicht sein.
Was ist am wichtigsten für eine Debatte: Technik, Herzblut oder Wissen?
Piening: Die Mischung macht's. Das Wissen kann sich jeder vor einer Debatte aneignen. Und ohne Wissen geht gar nichts. Rhetorische Fähigkeiten sind schwierig zu erlernen. Da ist es von Vorteil, wenn man in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem Menschen sind, die sich gut ausdrücken können.
Könnten Sie auch einen Standpunkt vertreten, der gar nicht Ihrer Meinung entspricht?
Piening: Das ist schon schwierig, besonders wenn es um komplizierte Themen geht wie zum Beispiel Sterbehilfe oder NPD-Verbot. Da kann man die Gegenargumente ja nicht völlig entkräften. Zu behaupten, es sei egal, auf welche Seite man mich stellt, ich kann alles überzeugend verkaufen – das mag theoretisch funktionieren. Praktisch ist das mehr als schwierig.
Sind Sie auch im Alltag schlagfertig?
Piening: Ich bin nicht der superschlagfertige Mensch. In der Debatte funktioniert das schon besser. Aber da weiß ich ja auch, welche Argumente die Gegenseite anbringen könnte. Darauf bin ich dann ja eingestellt.
Als Kind waren Sie die Bestimmerin in ihrer Clique, oder?
Piening: Das muss ich ehrlich zugeben. Ich hatte einfach viele Ideen, was wir spielen könnten. Und die anderen Kinder haben meine Vorschläge immer ganz gut gefunden. Also haben wir oft gemacht, was ich vorgeschlagen habe.
Gibt's Leute, die von vornherein sagen „Hannah, mit dir streit ich mich erst gar nicht“?
Piening: Die gibt es auch . . .
Gut, das spart viel Zeit und Nerven.
Piening: Na ja, wenn es Freunde sind, ist das nicht schön. Mit denen muss man sich auch mal auseinandersetzen.
Was fällt Ihnen zum Stichwort „Wortgewalt“ ein?
Piening: Wer gut argumentieren kann, hat eine gewisse Macht. Aber die ist begrenzt. Die meisten Leute sind zum Glück selbstbewusst genug um zu sagen: Auch wenn Hannah jetzt super gegenargumentiert, weiß ich trotzdem, dass auch meine Meinung Substanz hat.
Ist Streiten eine Frage des Talents?
Piening: Man braucht für alles, was man gut kann, Talent. Sportler müssen auch Talent haben. Meines ist eben das Debattieren. Dafür bin ich furchtbar unsportlich – zumindest, was Schulsport anbelangt.
Was soll aus dem Talent werden? Wollen Sie Jura studieren wie Ihr Papa?
Piening: Jura studieren vielleicht, aber als selbstständige Rechtsanwältin möchte ich nicht arbeiten.
Wie wär's mit Politik?
Piening: Durch „Jugend debattiert“ habe ich viele Leute kennengelernt, die sich auch in Parteien engagieren. Die meisten von ihnen fand ich anstrengend. Sie waren nett, aber ich finde es schwierig, wenn Leute nicht sagen können: So, jetzt reden wir mal über normale Sachen – und zwar ohne dass es gleich in einer Debatte mündet, in der ich meine politische Meinung kundtue.
Gibt es Situationen, in denen Sie lieber schweigen als debattieren?
Piening: Ja, auch in der Debatte selber gibt es solche Situationen. Wenn es mir keinen Spaß mehr macht, und es nur noch um Themen geht, die mich überhaupt nicht interessieren. Aber manchmal nehme ich mir auch vor, die Klappe zu halten, schaff‘s aber nicht, weil einer – meiner Meinung nach – was sagt, das absolut nicht passt oder das absolut nicht richtig ist
Hat Sie mal jemand an die Wand geredet?
Piening: Klar, auch in Debatten, vor allem während des Parts „freie Aussprache“. Da fällt es mir manchmal schwer, mich durchzusetzen.
Warum?
Piening: Ich bin nicht der Typ, der offensiv darauflosgeht. Ich mag das einfach nicht. Und das passt auch nicht zu mir.
War das auch der Punkt, an dem es in Berlin schieflief?
Piening: In Berlin, denke ich, war einfach eine sehr hohe Leistungsdichte. Wahrscheinlich waren dann viele Kleinigkeiten ausschlaggebend, aber ich konnte mich in beiden Debatten gut durchsetzen und bin sehr zufrieden mit mir selbst. „Ich bin nicht der Typ, der offensiv drauflosgeht.“
Im Blickpunkt
Jugend debattiert Eine Demokratie braucht Menschen, die kritische Fragen stellen. Menschen, die zuhören und reden können. Das ist die Grundidee von Jugend debattiert. Der jährliche Wettbewerb richtet sich an Schüler ab Klasse 8 an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen. Bewertungskriterien sind: Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit, Überzeugungskraft. Das ersten Bundesfinale gab es 2003. Jugend debattiert ist ein Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung auf Initiative und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Horst Köhler. In diesem Jahr gewann Matthias Hansal, 16, aus dem hessischen Bad Wildungen in der Altersgruppe der Acht- bis Zehntklässer. Nach Angaben des Veranstalters hatten insgesamt 70 000 Schüler teilgenommen.