Die Glocken fliegen nach Rom – so heißt es im Volksmund, wenn die Kirchturmglocken zwischen Gründonnerstag und Ostern verstummen. In dieser Zeit ziehen die Kinder und Ministranten mit ihren Ratschen durch die Städte und Dörfer, verkünden die Zeit und fragen nach Gaben. Doch ob geklappert wird, wo die Kinder und Jugendlichen dabei entlang ziehen und welche speziellen Bräuche dabei gepflegt werden – das ist im Landkreis ganz unterschiedlich.
Werbung in der ersten Klasse
Das Klappern in Arnshausen ist „offen für alle“, sagt Elisa Dacho, die sich als Oberministrantin um die Ratschenkinder kümmert. Auf sieben Strecken laufen heuer 27 Kinder ab der ersten Klasse durch den Kissinger Stadtteil. Von Freitagfrüh um 9 Uhr bis Sonntagfrüh um 6 Uhr ratschen die Kinder insgesamt sieben Mal. Als Belohnung dürfen sie die Spenden, die sie einsammeln, unter sich aufteilen. „Das ist ja auch ziemlich anstrengend“, erklärt die 20 Jahre alte Oberministrantin den Rhythmus beim Ratschen: „Kaum sind sie wieder daheim, müssen sie auch gleich schon wieder los.“
In Arnshausen wirbt man offensiv um den Nachwuchs. „Alle Erstklässler bekommen vorab einen Zettel, ob sie mitmachen möchten – egal, ob sie katholisch sind oder nicht“, erklärt Dacho. Den Kindern macht es viel Spaß und auch die Arnshäuser möchten das Klappern nicht missen, so die 20-Jährige: „Es gibt auch schon mal scherzhafte Beschwerden, dass die Kinder zu leise waren.“
Alleine auf der Strecke
In Garitz klappern etwa zehn Ministranten samt Freunden im Dorf. Aber waren es früher auch gerne einmal zwölf Ministranten, die auf drei Routen klappernd durch die Straßen am Garitzer Altenberg gezogen sind, sind in diesem Jahr nur vier vor Ort. „Dann läuft man alleine“, sagt Lea Brettschneider zu der Situation.
Für die Oberministrantin der Garitzer Pfarrgemeinde ist das Arbeitspensum dadurch zwar höher, Spaß macht ihr das Ratschen aber nach wie vor. „Es ist eine Aufgabe, auf die man stolz sein kann“, so die 16-Jährige. „Dann macht auch das frühe Aufstehen einem nichts aus.“
45 Kinder in Hammelburg
In Hammelburg freuen sich die Ministranten von St. Johannes, dass sich mit 45 Kindern auch in diesem Jahr wieder viele zum Klappern angemeldet haben. Auf sechs Strecken wird am Karfreitag und Ostersamstag insgesamt sechsmal geratscht.
Das Geld, das die Kinder und Jugendlichen einnehmen, wird in die Jugendarbeit der Kirche fließen – aber auch die Kinder werden mit einem Anteil und natürlich den Süßigkeiten für ihren Einsatz belohnt, weiß Pastoralassistentin Lisa Werner.
Klappern in der Fußgängerzone
In der Bad Kissinger Innenstadt gehen in diesem Jahr etwa 15 Ministranten mit ihren Ratschen durch die Stadt – und verfolgen dabei einen ganz eigenen Brauch. „Wir gehen nicht von Haus zu Haus, sondern durch die Fußgängerzone und sprechen die Leute an“, erklärt Chiara Petrik, die als Oberministrantin zusammen mit Philipp Bohatsch die Ratschenkinder leitet. Im Kissinger Stadtgebiet habe das Tradition, so die 18-Jährige.
Dabei stoßen sie auf ganz unterschiedliche Reaktionen. „Leute, die den Brauch nicht kennen sind unfreundlich und beschweren sich über den Lärm“, so die 18-Jährige. Mittlerweile nehmen sie deshalb sogar ihre Ministrantenausweise zum Ratschen mit, um sich als „vertrauenswürdig“ ausweisen zu können.
Das beim Ratschen gesammelte Geld wollen die Kissinger Kinder und Jugendlichen auch heuer wieder an die Max Armbrecht Leukämiehilfe spenden, erzählt Petrik. „Das bedeutet aber nicht, dass die Ministranten keine Ostergeschenke bekommen“, fügt sie lachend hinzu.
Ganz stille Tage in Maßbach
Gar nicht geklappert wird hingegen in Maßbach und Bad Brückenau. „Seit ich denken kann, wurde in Maßbach noch nie geklappert“, erzählt Maria Schneider, die im Maßbacher Pfarrgemeinderat tätig ist. „Das hat keine Tradition im Dorf“, so die 58-Jährige.
Der Bad Brückenauer Diakon, Kim Sell, kann das auch über die Kurstadt berichten. „In der Stadt ist es nicht üblich zu klappern“, erklärt er. Und einige Bad Brückenauer seien auch ganz froh über die Stille, so der Diakon. „Mittlerweile gibt es auch Leute, die wollen gar nicht, dass geklappert wird“, sagt er – und ist froh darüber, dass in Dörfern, wie Kothen und Motten die Tradition fleißig am Leben erhalten wird. „Das ist ein Dienst für die Gemeinde, der bereichert“, sagt Sell.
Verbrennt den Judas!
„Unheimlich viele“ Kinder sind traditionell in Rannungen beim Klappern mit dabei, erklärt Christine Landwehr, die für die Ministranten und die Jugendarbeit im Ort zuständig ist. Ab dem Vorschuljahr bis zur siebten Klasse dürfen die Rannunger Kinder mitmachen – und auch heuer sind wieder bis zu 70 Kinder mit vollem Eifer dabei. Denn in Rannungen bedeutet das Klappern an den Feiertagen auch: Unterdorf gegen Oberdorf. „Jeder hat sein Revier“, erzählt Landwehr. Dies geht dann so weit, dass sich die Kinder der beiden Lager am Karsamstag mit Wasserbomben eine Schlacht liefern.
Ein weiterer ungewöhnlicher Brauch, den die Rannunger Kinder und Jugendlichen pflegen ist die sogenannte „Judas-Verbrennung“. „Die Kinder aus dem Ober- und Unterdorf basteln sich jeweils einen Judas, der dann bei einer Feier verbrannt wird“, erklärt Landwehr: „Das ist eine Riesengaudi für die Kinder!“