Anders als die anglikanische Kirche, die 1968 moderneren Bedürfnissen zum Opfer fiel, und im Gegensatz zur 1939 von den Nazis zerstörten jüdischen Synagoge überstand der Sakralbau an der Salinenstraße die Stürme der Geschichte. Mitte Juli können die Bruderschaft des Heiligen Fürsten Wladimir und eine kleine Kirchengemeinde deshalb den 100. Geburtstag mit Gottesdiensten, einem Konzert und Vorträgen feiern.
Entstanden ist die Kirche in der Zeit von 1898 bis 1901 nach den Plänen von Victor Alexandrowitsch Schröter. Er war nicht nur Hauptarchitekt der zaristischen Schlösserverwaltung, sondern auch Stammgast Bad Kissingens. Schröter soll seine Entwürfe unentgeltlich angefertigt haben. Die Bauausführung vor Ort oblag dem damals viel beschäftigten Kissinger Architekten Carl Krampf.
Wie es im Bad Kissingen-Band der Reihe Denkmäler in Bayern heißt, vermeidet der "gedrungene, frei byzantisierend gestaltete Kuppelbau die geläufige, malerisch wirkende Form der russischen Kirche." Eine "gewisse Schwerfälligkeit" in der Konkretisierung des Entwurfs schreibt das baugeschichtliche Werk "Verständnisschwierigkeiten" der Ausführenden zu, denen das "Vokabular des russischen Heimatstils wahrscheinlich nicht ohne weiteres zu Gebote stand."
Patron der Kirche ist der heilige Sergij von Radonesh. Die Südwand des Innenraums trägt eine Darstellung Sergijs, dem die Gottesmutter erscheint.
In jüngster Vergangenheit hat sich sogar wieder eine kleine Kirchengemeinde gebildet. Seit 1997 unterhält die Bruderschaft des heiligen Fürsten Wladimir auch einen ständigen Priester in Bad Kissingen. Groß ist die Kirchengemeinde zwar nicht gerade, berichtet Xenia Hoffmann, die Dirigentin des Gemeindechores. Doch immerhin seien um die 40 Familien, vor allem aus Bad Kissingen und seiner weiteren Umgebung, als Gemeindemitglieder eingetragen.
Dass es vor 100 Jahren durchaus einen Bedarf für einen russischen Himmel auf Erden in Bad Kissingen gab, belegt der Blick auf alte Kurgastzahlen. In den 40 Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs kurten über 92 000 russische Gäste in der Stadt, heißt es in einer Broschüre zum 100-Jährigen der Kirche. Seinen Höchststand erreichte der Anteil der russischen Kurgäste 1907. 4355 von ihnen zählte Kissingen damals, 16 Prozent aller Kurgäste jenes Jahres.
Erste Anstösse zum Bau einer russischen Kirche hatten bereits die Kaiserkuren von 1864 und 1868 gegeben, als die Zarenfamilie die Stadt besuchte. Konkrete Schritte zum Bau erfolgten jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts. Den Grundstein setzte 1898 der in Kissingen zur Kur weilende Metropolit von Rumänien Josef Gheorgian, der die Kirche am 18. Juli 1901 auch weihte.