Josef Mauer und sein Enkel Tim machten vor kurzem eine alte Rabeneick wieder flott. Das Motorrad wurde 1951 in Bielefeld gebaut. Manch einer, der damals in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg kein Geld für ein Auto hatte, konnte sich den Traum der Freiheit auf Rädern zumindest mit solch einem Motorrad erfüllen. Die Rabeneick stand 35 Jahre lange vergessen in der Scheune herum, sagt der 65-Jährige. Bis Tim sie im letzten Sommer hervorholte und die Reifen aufpumpte.
Mauers Schwager Hermann war es, der das gute Stück vor 40 Jahren irgendwo stehen sah, als er beruflich unterwegs war. Der Besitzer wollte das Motorrad entsorgen. Der Schwager nahm es lieber mit und brachte es sogar wieder zum Laufen. „Eine Zeit lang sind wir damit mal im Ort hin- und hergefahren“, erinnern sich Josef Mauer und seine Frau Liebgunde an die Zeit in den 1970-er Jahren. Irgendwann stellten sie die Rabeneick aber dann wieder in die Scheune zurück.
Die Liebe der Mauers zu historischen Fahrzeugen musste da noch wachsen, denn die drei Kinder waren noch klein. Man musste den Kopf für andere Dinge frei haben. Vor einiger Zeit begann Mauer aber dann damit, den alten Hanomag der Schwiegereltern zu zerlegen und neu herzurichten. Mit dem Schlepper, der 1954 von der Hannoverschen Maschinenbau AG gebaut wurde, waren die Mauers bereits mehrfach auf Oldtimertreffen unterwegs.
Da passt es ins Bild, dass der Wermerichshäuser Tüftler vergangenes Jahr, als die Rabeneick im Hof stand, nicht lange zauderte. „Wir haben sie sofort komplett zerlegt“, sagt er und lacht, wenn er daran denkt, dass weder er noch der damals dreizehnjährige Tim sich zu diesem Zeitpunkt Gedanken darüber machten, wie man das Motorrad wieder zusammenschraubt. Schließlich ist Mauer kein Kraftfahrzeugmechaniker, sondern Bürokaufmann von Beruf. Seine Frau hatte da aber offensichtlich weniger Sorgen: „Der kann einfach alles“, sagt sie mit Kennermiene. Das wissen unter anderem auch die sechs Enkel zu schätzen: „Sie sagen immer, dass sie das Wissen vom Opa auch gern hätten.“
Mauer und sein Enkel machten sich also daran, das Motorrad nahezu rundzuerneuern. Doch wie kommt man an die einzelnen Teile ran? „Ich habe lange im Internet recherchiert und festgestellt, dass es überhaupt keine Original-Ersatzteile mehr gibt.“ Da war guter Rat teuer. Weil die Rabeneicks später auch mit Motoren der Schweinfurter Firma Sachs ausgestattet wurden, wandte sich Mauer hoffnungsvoll an den 98er Sachser Club aus Schweinfurt, dessen Fans schon länger nostalgische Motorräder herrichten. Die hatten zwar bereits so edle Klassiker wie die Wanderer (1938), die Torpedo (1938) und sogar eine Phänomen (1933) unter eigener Regie restauriert. „Aber mit der Rabeneick konnten sie mir nicht weiterhelfen.“
„Dann traf ich einen, der mir eine Adresse in Bamberg gab.“ Der Mann, der dort wohnte, besaß selbst auch eine gut erhaltene Rabeneick, wusste aber ebenso wenig wie Mauer, wie man am geschicktesten an Ersatzteile kommt. Irgendwann gab ihm jemand eine Adresse in Oberstreu. „Der Mann dort arbeitete mal bei BMW und kannte sich sehr gut aus“, sagt Mauer. Er überholte nicht nur den Motor der guten alten Rabeneick, sondern restaurierte später auch gleich noch die Räder.
Um den Rahmen, in dem der Motor hängt, überholen und die Schutzbleche ersetzen zu lassen, hatte Mauer eine Firma in Schweinfurt ausfindig gemacht. Dann musste der Tank innen versiegelt werden. Die Gummi-Sitze stammen aus Remscheid, die Brems- und Gaszüge aus Dresden. Lange musste Mauer suchen, bis er die 6-Volt-Birnen für die Beleuchtung bekam. Inzwischen hat der Hobby-Tüftler einen dicken Ordner mit Adressen von Händlern und Bastlern angelegt. Denn man weiß ja nie, wann man vielleicht wieder ein Ersatzteil braucht.
Und dann war da noch die Sache mit dem Führerschein. Der Autoführerschein von Mauer schließt die Klasse A1 für Motorräder mit ein, allerdings nur für solche mit einem Hubraum von 125 Kubik. Die Rabeneick hat aber 150 Kubik Hubraum. „Also musste ich nochmals Führerschein machen“, sagt der 65-Jährige und gesteht: „Ja, ich hab's schon etwas hinausgezögert.“ Doch dann sammelten seine Kinder heimlich Geld für den neuen „Lappen“. Da musste er sich dann doch anmelden.
Im Mai dieses Jahres war's soweit. Sieben Fahrstunden brauchte er, bis er Prüfung machen durfte. Dann ging's auch mal auf die Autobahn, so der Wermerichshäuser. „Da ist das Ding ganz schön abgegangen.“ Damit meint er das 500er Motorrad. Natürlich bestand er die Prüfung mühelos. Jetzt ist er aber erst richtig auf den Geschmack gekommen: Demnächst will er ein altes DDR-Motorrad, eine MZ aus den 1970er Jahren, die im sächsischen Zschopau produziert wurde, herrichten.