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FUCHSSTADT: „Einer der ersten Befreiungstheologen“

FUCHSSTADT

„Einer der ersten Befreiungstheologen“

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    Wertvolles Dokument: Stolz zeigt Theologe Franz-Josef Tremer diese handgeschriebene Karte aus der Todeszelle, die er in einem speziellen Bilderrahmen aufbewahrt.
    Wertvolles Dokument: Stolz zeigt Theologe Franz-Josef Tremer diese handgeschriebene Karte aus der Todeszelle, die er in einem speziellen Bilderrahmen aufbewahrt. Foto: Foto: Markus Hauck

    (kgh) Ein kurzes Surren, ein dumpfer Schlag. Um 5.03 Uhr saust das Beil des Schafotts im Gefängnis von Brandenburg nach unten und tötet mit roher Gewalt einen unbeugsamen Christen. Gegen alle Widerstände hat er auf sein Gewissen gehört und den Wehrmachtseid auf Adolf Hitler verweigert. Für seine Entscheidung bezahlte Pallottinerpater Franz Reinisch am 21. August 1942 mit dem Leben.

    Laut der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, die sich mit der katholischen Kirche im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt, war Reinisch der einzige Priester im Deutschen Reich, der den Fahneneid auf den Diktator verweigerte und deshalb hingerichtet wurde, weiß der Diplom-Theologe Franz-Josef Tremer aus Fuchsstadt.

    Schon in der Schule hat Tremer im Geschichts- und Religionsunterricht die Thematik des Widerstands sehr interessiert. Seit er als 18-Jähriger erstmals von Reinischs Martyrium erfuhr, ist der gebürtige Sulzthaler ein Bewunderer dieser starken Persönlichkeit, die in enger Beziehung zur Schönstattbewegung stand. Tremer hat verschiedene Aufsätze über Reinisch verfasst, sich auf den Lebensweg des Paters begeben und zu dessen 100-jährigen Geburtstag auch ein Radio-Interview in Bayern 2 gegeben. Es sei ihm ein Anliegen, dass der Name Reinisch in Erinnerung bleibe, so der 47-Jährige.

    Reinisch verfasste im Jahr 1939 die kleine Geschichte Schönstatts, erzählt Tremer. Der Gründer der Bewegung, Pater Josef Kentenich, sei sein geistlicher Begleiter gewesen. „Es gab in Schönstatt, wo die Pallottiner unter anderem wirkten, noch andere Theologen, die die radikale Idee der Eidverweigerung hatten. Bis zur letzten Konsequenz durchgezogen hat sie aber nur Reinisch“, weiß der Theologe. Dafür sei er damals innerhalb seiner Ordensgemeinschaft nicht unumstritten gewesen. Inzwischen haben die Pallottiner Pater Heribert Niederschlag (Vallendar) als Postulator bestellt, der sich im Bistum Trier um den Seligsprechungsprozess kümmert. „Ich persönlich halte den Märtyrertod Reinischs bereits für erwiesen“, so Tremer.

    Bei seinen privaten Forschungen ging der Theologe an ganz unterschiedlichen Orten auf Spurensuche. Eingezogen wurde Reinisch, ein Tiroler, am 14. April 1942 in die Kaserne von Bad Kissingen. Aus Protest sei er erst einen Tag später erschienen. Auf die Frage des Hauptfeldwebels, ob er nicht Wert darauf lege, sich rechtzeitig zu melden, habe er geantwortet: „Ich würde dann Wert darauf legen, wenn das gegenwärtige Regime nicht am Ruder wäre.“

    Sein Gewissen habe es ihm verboten, auf einen Mann wie Adolf Hitler einen Eid abzulegen, erklärt Tremer die Persönlichkeit des Paters. In Bad Kissingen erinnern auch heute noch der Pater-Reinisch-Weg und ein Denkmal auf dem Kasernengelände an den mutigen Gläubigen.

    In der Würzburger Sedanstraße wurde Reinisch am 22. April 1942 durch das Gericht der 173. Division vernommen. Dort begründet er seine ablehnende Haltung unter anderem damit, dass die Priesterseminare in Trier und Köln als „staatsfeindliche Institute“ durch die Geheime Staatspolizei aufgehoben worden seien. Es könne von einem erklärten Staatsfeind nicht erwartet werden, dass er Wehrdienst leiste, heißt es im Vernehmungsprotokoll.

    Ärgerlich wird Tremer, wenn die Rede auf die Zeitgenossen Reinischs kommt, die sein Vorgehen als Dummheit und Sturheit geißelten und die Hinrichtung als vermeidbar erachteten. Reinischs Haltung sei keine weltfremde Spinnerei gewesen, sondern die bewusste Entscheidung eines Erwachsenen, der sehr wohl das Leben gekannt habe, betont der Wissenschaftler. Vor dem Eintritt ins Priesterseminar habe Reinisch Rechtsmedizin und Jura studiert. Er habe in dieser Zeit auch zwei Beziehungen zu Frauen gehabt.

    Bei seinen Recherchen zu Reinischs Wirken traf Tremer unter anderem auch Magdalena Weingärtner, geborene Schilling. Sie wuchs in Untermerzbach neben dem Pallottinerkloster auf und lernte als junges Mädchen den späteren Märtyrer kennen. Er wurde ihr zum geistlichen Begleiter. Tremer berichtet, sie habe noch heute Briefe, in denen sie von Reinisch bei ihren Lebensentscheidungen beraten wurde.

    Im Nachlass Reinischs fand der Fuchsstädter Theologe bei seinen Nachforschungen ein anderes interessantes Papier: ein Andachtsbildchen vom Wallfahrtsort Vierzehnheiligen, auf dem handschriftlich geschrieben steht: „Z. fr. Erinnerung an die Prozession: 24.V.1925 G. Häfner, Kaplan.“ Die Authentizität dieser Unterschrift habe ihm der Würzburger Domdekan Monsignore Günter Putz bestätigt, der Postulator im Seligsprechungsprozess für Häfner ist. Auf diese Weise sei belegt, dass diese beiden Priester, die jeweils auf ihre Weise Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten und mit ihrem Leben dafür bezahlten, wohl einander gekannt haben, betont Tremer.

    Besonders sorgsam hütet Tremer eines der letzten Schriftstücke, das Reinisch kurz vor seiner Hinrichtung verfasste, und dessen Echtheit der Pallottinerpater Johannes Tick handschriftlich dokumentiert hat: Eine Postkarte aus der Todeszelle, auf die der Priester schrieb: „Lieben und Leiden in Freuden. F. Reinisch.“

    Tremer folgert: „Für mich ist er damit einer der ersten Befreiungstheologen, oder provozierend gesagt: das Christussymbol des 20. Jahrhunderts.“

    Text: Pressestelle des Bischöflichen Ordinariats Würzburg.

    Franz Reinisch

    Pater Franz Reinisch wird am 1. Februar 1903 in Feldkirch-Altenstadt (Österreich) geboren. Er wächst in Innsbruck auf. 1922 beginnt er dort ein Jura-Studium. Anfang 1923 wechselt er nach Kiel, um dort Gerichtsmedizin zu studieren. Im Juli kehrt er mit dem Entschluss, Priester zu werden, nach Innsbruck zurück und studiert Theologie und Philosophie. Am 29. Juni 1928 empfängt Reinisch in Innsbruck die Priesterweihe und tritt im November in Untermerzbach in den Haßbergen bei den Pallottinern ein. 1930 legt er die erste Profess ab und wird Lektor für Philosophie. 1933 wechselt er nach Friedberg bei Augsburg ins Mutterhaus der Süddeutschen Pallottinerprovinz. Durch die Priesterzeitschrift „Sal terrae“ kommt er erstmals mit Schönstatt in Kontakt. 1934 wird Reinisch Spiritual in Salzburg, dann geht er nach Konstanz, Hohenrechenberg und wieder nach Salzburg. 1938 schickt seine Gemeinschaft ihn nach Schönstatt. Im Auftrag der Bewegung hält er in ganz Deutschland Exerzitien, Einkehrtage und Tagungen.1940 erteilt die Gestapo Reinisch ein Redeverbot. Dem Wehrmacht-Stellungsbefehl zum 14. April 1942 kommt er absichtlich mit einem Tag Verspätung nach. Am 7. Juli 1942 wird er vom Berliner Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 21. August 1942 in Brandenburg hingerichtet.

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