Helge Schneider und Pete York werden nach diesen zwei Stunden auf der Bühne nicht mehr genau wissen, was sie an der Hammond-Orgel und den Trommeln so alles gespielt haben. Schlagzeuger York hat vor dem gemeinsamen Auftritt unter dem Motto „The Art of Swing“ noch nicht einmal gewusst, wo Oberthulba liegt.
Helge Schneider schon. Er war bereits zwei Mal da. München, Köln, Hamburg, Frankfurt, Oberthulba. Das ist ein Kleinod im Tourneefahrplan 2017. Vor 350 begeisterten Zuschauern improvisiert sich das Duo mit spartanischer Instrumentierung in Ekstase. „So viele Töne haben wir hier ja nicht. Das gibt einen kurzen Abend“, witzelt Schneider vorab, womit er augenzwinkernd auch das Freizeitangebot in dem kleinen Ortsteil Reith karikiert.
„Schön übersichtlich“, hat er beobachtet. „Aber man braucht keinen großen Ort, wenn man mal spazieren gehen will.“ Angst vor Eintönigkeit in einem zu kurzen Konzert brauchen Zuhörer nicht zu haben. Das Duo bringt über zwei Stunden musikalische Weltläufigkeit in die Provinz, sowie den unnachahmlichen Humor Schneiders. Und etwa fünf Stücke der gemeinsamen Platte „Heart Attack Number one“, die soeben erschienen ist.
Richtig geplant ist an diesem Abend nichts, und so wird das Album auch nur musikalisch gestreift. Kurz werden Jazzklassiker von Ikonen wie Duke Ellington, Count Basie oder Ben Bernie „schneiderfiziert“, wie es im Plattencover heißt. Der Jazz steht an diesem Abend im Mittelpunkt, aber es geht heiter quer durch die Genres.
„Es gibt so viele Musikstile, ich konnte mich nicht entscheiden“, umreißt Schneider sein Schaffen. Er entlockt der elektronischen Orgel eine Klangvielfalt, die das Publikum staunen lässt. Gleich einem Orchester, auf dessen Vorgaben York allzu gerne einspringt.
Vom leisen Säuseln bis zum tiefen Brummen oder sphärischen Klangbrei: Schneider kann an der Orgel alles. Ob Klassik, Reggae, Schlager oder Volksmusik: Mit den spontanen Übergängen teils in wahnwitzigem Tempo bringt er das Publikum zum Lachen. Parallel dazu spielt er gelegentlich auch noch Gitarre, Trompete oder Saxofon. Genauso flippig wie diese Instrumentaleinlagen ist der Stilmix. Beethoven und Gunter Gabriel in einem Stück gibt es sonst nicht alle Tage. Faszinierend dazu der Beat von York. Pete York und Helge Schneider kennen sich seit 16 Jahren, proben manchmal gemeinsam, treten aber selten zusammen auf.
Wie hält es der Schlagzeuger mit dem sprunghaften Komiker auf der Bühne aus? „Ich mag seinen Humor“, schwärmt York.
Mit dem Hang zum Konzertanten habe der Jazz allgemein an Spontanität verloren. Dabei liege dessen Ursprung darin, sich spontan zu treffen und spontan zu musizieren. Der Auftritt vor kleinem Kreis in Oberthulba habe seinen Reiz, weil man dem Publikum noch direkt in die Augen schauen kann. „Was wir hier machen, kann man in einem Konzertsaal nicht spielen“, sagt Schneider.
In der aktuellen Konstellation werden die beiden Musiker laut Schneiders Tourneefahrplan lange nicht mehr zu hören sein. Warum ausgerechnet Reith in den Genuss kam? „Aus Spaß“, sagt Schneider, außerdem mag er Bühnenbetreiber Kleinhenz. Inzwischen sei ihm bewusst, das Thulba in Bayern liegt. „Vorher dachte ich, das wäre Hessen, oder Franken.“