Hugo Beck hatte schon an sich selbst gezweifelt. Jahrelang hatten ihn Symptome wie Magenkrämpfe, Durchfall, Antriebsschwäche und Unwohlsein fast täglich begleitet. Die Ärzte waren ratlos, diagnostizierten einen Reizdarm, gaben ihm Magentropfen oder Schmerzmittel. Letzten Dezember bestätigte eine Gewebeprobe schließlich Zöliakie. Erfreulich, weil er endlich wusste, was er hat. Schlimm, weil es sich um eine Krankheit handelte, die sein Leben veränderte.
Zöliakie, auch Glutenunverträglichkeit genannt, ist eine chronische Krankheit, die durch den Verzehr glutenhaltiger Speisen ausgelöst wird. Gluten ist ein Klebereiweiß und in zahlreichen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Roggen und Hafer enthalten. Gluten löst bei Betroffenen Fehlfunktion und heftige Entzündungen im Darm aus.
Die momentan einzige Therapie ist der lebenslange Verzicht auf glutenhaltige Speisen. „Ich darf also nichts mehr essen, was diese Getreidesorten oder auch nur Spuren davon enthält“, sagt Beck.
Die Tragweite dieser Aussage wird deutlich, wenn man überlegt, wie oft jeder täglich glutenhaltige Lebensmittel isst. Brot, Brötchen, Nudeln, Pizza, Kuchen, das alles ist – wenn es auf herkömmliche Weise produziert ist – für Zöliakieerkrankte tabu.
Die glutenhaltigen Getreide können in Lebensmitteln aber durch andere ersetzt werden. Dafür sorgt bei Hugo Beck vor allem seine Frau Monika. „Sie engagiert sich unwahrscheinlich und versucht, mich zu unterstützen, wo es nur geht“, sagt er. Sie backt selbst glutenfreies Brot und glutenfreien Kuchen. Außerdem bezieht sie viele Lebensmittel und Austauschprodukte aus dem Internet. Die seien oft billiger als im Supermarkt. „Glutenfreie Produkte sind oft dreimal teurer als normale. Das geht ganz schön ins Geld“, sagt Beck.
Mittlerweile haben sich die Becks daran gewöhnt, glutenfrei zu kochen und zu essen. Ein großes Problem sei es aber, essen zu gehen, sagt Beck. Viele Gastwirte würden glutenfreies Essen nicht einmal kennen: „Vor kurzem war ich mit Arbeitskollegen essen. Glutenfreie Gerichte waren auf der Karte nicht zu finden. Für mich gab es ein unpaniertes Schnitzel und Pommes. Nicht gerade berauschend.“
Wesentlich besser ging es ihm im Gasthof „Zur Traube“ in Schönderling. Dort feierte seine Frau Monika ihren Geburtstag. Sie kennt die Wirtsleute gut und hatte vorher gefragt, ob es möglich wäre, für ihren Mann glutenfrei zu kochen. Die Wirtsleute Kiesner sagten sofort zu. Monika Beck besorgte Köchin Marga Kiesner die Austauschstoffe, die sie brauchte, um die geplanten Rezepte glutenfrei zu machen. Sie kochte zwar zum ersten Mal glutenfrei, Probleme gab es aber nicht. „Es hat sehr gut geschmeckt“, sagt Beck. „Auf Wunsch bieten wir ab jetzt bei Feiern glutenfreie Gerichte an“, sagt der Wirt.
Auch bei Marcus Beran wurde Zöliakie vor knapp einem Jahr diagnostiziert. „Das erste glutenfreie Jahr ist wirklich hart. Man muss sich durchkämpfen und durcharbeiten“, sagt der 17-Jährige, „aber so langsam komm ich wieder in das normale Leben rein.“ Marcus ist Auszubildender bei der Metzgerei Kleinhenz in Unterleichtersbach.
Sein Arbeitgeber Richard Kleinhenz unterstützt ihn. Er bemühe sich schon länger darum, Allergene in seinen Produkten weitestgehend zu vermeiden. „Marcus' Krankheit war für uns der Auslöser, unser Sortiment weitestgehend glutenfrei zu machen“, sagt Richard Kleinhenz. Um trotzdem einen guten Geschmack zu erhalten, experimentiert er viel. „Ich habe ja meinen Spezialisten Marcus, der mir dann immer sagt, ob es schmeckt wie es soll“, sagt Kleinhenz und zwinkert. Ihm sei es wichtig, dass die Produkte nicht teurer werden, wenn sie glutenfrei gemacht werden.
„Oft werden Weizenstärke oder Gewürzmischungen, die Mehl enthalten, beigemischt“, sagt Marcus, „viele Betriebe kümmern sich nicht um glutenfreie Waren.“ Das liege auch an dem Aufwand, der dafür nötig sei. Über den Aufwand, den die Metzgerei Kleinhenz auf sich nimmt, freuen sich die Becks: „Es ist gut zu wissen, dass wir da sichere Lebensmittel bekommen.“
Im Blickpunkt
Zöliakie Laut der Deutschen Zöliakie Gemeinschaft (DZG) ist jeder 250. Bundesbürger von Zöliakie betroffen. Die Selbsthilfe-Organisation hat mittlerweile rund 35 000 Mitglieder in Deutschland. Sie bietet im Internet viele Informationen über die Krankheit auf der Seite www.dzg-online.de