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OBERTHULBA: Im Glas schäumt die Bier-Zukunft

OBERTHULBA

Im Glas schäumt die Bier-Zukunft

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    Peter Romeis vor dem neuerbauten Romeis-Forum in Oberthulba. Regelmäßig diskutieren dort Mitarbeiter und Gäste über Biergeschmack.
    Peter Romeis vor dem neuerbauten Romeis-Forum in Oberthulba. Regelmäßig diskutieren dort Mitarbeiter und Gäste über Biergeschmack. Foto: Foto: Wolfgang Dünnebier

    500 Jahre Reinheitsgebot sind in aller Munde. Doch während vielerorts auf die lange Tradition angestoßen wird, feilt ausgerechnet das nördliche Unterfranken an der Zukunft des bayerischen Nationalgetränks.

    Ein führender Kopf dahinter ist Peter Romeis. Er hat 2005 in seinem Oberthulbaer Institut (Lkr. Bad Kissingen) eine Versuchsbrauerei gegründet, seine Stimme wird in der Branche gehört. Der 70-Jährige ist Mitbegründer der Bier-Querdenker: Bei extra dafür einberufenen Veranstaltungen wird eifrig über den Gerstensaft diskutiert. Die angebotenen Verkostungen sind dann der launige Teil der Geschmacksfindung.

    Beim Versuchsbrauen im Hintergrund überwiegt penibles Messen und Analysieren. Für 300 klein- und mittelständischen Brauerein im In- und Ausland forschte Romeis samt neunköpfigem Brauerteam bisher bereits auf der Suche nach dem ultimativem Biererlebnis. Hohe Braukunst sind wiederholbare Ergebnisse für gleichbleibende Qualität. Die gute Nachricht nennt der Chef von 41 Mitarbeitern vorneweg: Es gibt eine Rückbesinnung – weg vom Einheitsgeschmack, hin zu vielerlei Spezialitäten. Am Reinheitsgebot braucht man lange nicht zu wackeln, um für Abwechslung zu sorgen: „Es gibt so viele Parameter, an denen man das Resultat im Glas beeinflussen kann“, sagt Romeis.

    Mit dem Wasser fängt es an. „Jede Quelle ist ein Individuum“, schwärmt Romeis. Sein Labor kann dem örtlichen Wasser die Mineralien entziehen und dann wieder so zusetzen, dass es jener Zusammensetzung am künftigen Brauort entspricht.

    Und dann die anderen Zutaten: Romeis ist stolz auf sein Lieferantennetz. Er kann aus 200 Malz und 100 Hopfensorten auswählen, dazu kommen 100 Hefestämme. „Das ergibt eine riesige Vielfalt“, schwärmt Romeis. Schon alleine die Körnung beim Mahlen des Getreides wirke sich aus. Deswegen hat die Firma eine spezielle Schrotmühle in Auftrag gegeben, die den großtechnischen Mahlprozess ins Kleine überträgt. Auch die Temperatur beim Brauen und die Lagerung später bieten Gestaltungsspielräume.

    Was haben die Konsumenten davon? Romeis lächelt vielsagend. Vieles, was sein Team entwickelt hat, stehe inzwischen in den Getränkemarktregalen. Unter welchen Marken? „Da schweigen wir darüber“, sagt der Fachmann. Jede Brauerei sei stolz auf ihren Biergeschmack.

    Markentreue trifft auf Emotion

    Es sind unterschiedliche Welten: Hier Markentreue und emotionaler Genuss, dort die Entwicklung in nüchterner Laboratmosphäre. Aber die Forschung lohnt: Schon alleine die Getränkekarte eines kürzlich veranstalteten Bierkulinariums lässt einem das Wasser im Mund zusammen laufen. Zu der Verkostung reisten 60 Experten aus dem ganzen Bundesgebiet an, auf den Tisch kam etwa ein Porter aus dem Hause Romeis. Ihm schreiben die Schöpfer ein Malzaroma nach Kakao und Zartbitterschokolade zu. Sind solche Variationen mit dem Reinheitsgebot vereinbar? Kein Problem, sagen die Brauer: Beim Rösten karamelisiert Getreide und sorgt für die besondere Note. Ein Imperial Dark Ale wartet laut Beschreibung mit fruchtigen Aromen nach gelben Früchten auf.

    Auch ein bourbonfassgereifter Doppelbock steht zur Verkostung an. Aromen der vorher in dem Holz gereiften Spirituose gehen in das Bier über. Das beschert unzählige Geschmacksvarianten. Schließlich gibt es über hundert Arten, dem Fassholz beim toasten ein charakteristisches Aroma zu geben.

    Ein richtiger Bierliebhaber lässt auch bei der Wahl des Glases Sorgfalt walten. Romeis schwört für die Verkostung auf eine Art Kreuzung zwischen Weinglas und Cognacschwenker. Bei breitem Boden und schmalem Hals kommen die Aromen besonders zur Geltung.

    Die Zunge lenkt und der wissenschaftliche Sachverstand erdenkt, was bei Romeis und seinem neunköpfigen Brauerteam in den Trinkgefäßen schäumt. Zwar haben die Großbrauereien eigene Labors, und dann gibt es noch die Hochschule in Weihenstephan. Doch der firmenübergreifende Ansatz scheint nicht weit verbreitet. „Ein anderes privatwirtschaftliches Institut unserer Art ist mir nicht bekannt“, lässt der 70-jährige zur Aufstellung seiner Stiftung wissen.

    Die Experimentierfreude hat sich herum gesprochen. Unter das Siegel der Geheimhaltung fällt auch der Hersteller eines bierähnliches Getränkes, welches in Oberthulba für ein asiatisches Land das Licht der Welt erblickt hat. Ziel war es, das Getreide im Produktionsprozess zu ersetzen, weil dort eine Einfuhrsteuer auf Malz erhoben wird. „Das Getränk ist heute noch auf dem Markt“, freut sich Romeis. Es ist erklärtermaßen nicht dem Reinheitsgebot unterworfen.

    Beim Erlass von 1516 war neben drei Zutaten für das Bier übrigens auch der Preis festgeschrieben. Heute ist diese Deckelung aufgehoben. Für die Erweiterung des Spektrums ist das gut. Das teuerste Bier, dessen Brauverfahren in Oberthulba jenseits des Massengeschmacks verfeinert wurde, ist ein Triple: Dieses belgische Starkbier weist neun Prozent Alkoholgehalt auf. Der ferne Hersteller reicht es für 95 Euro pro Flasche über die Ladentheke. Ausgefallener Biergeschmack muss einem Genießer eben von Fall zu Fall etwas wert sein.

    Peter Romeis

    Der Labor-Chef stammt aus dem elterlichen Brauhaus Euerdorf (Lkr. Bad Kissingen), das 1963 aufgegeben wurde. Nach dem Studium des Brauereiwesens wurde Peter Romeis Assistent der technischen Leitung des Brauereikonzerns Kronenbourg (Straßburg). Als der Produktionsstandort bei Rationalisierungen geschlossen werden sollte, gründete der Unterfranke 1975 sein erstes „Kellerlabor“ in Burkardroth. Die Brauerei Kronenbourg war erster Auftraggeber. 1990 errichtete Romeis sein Labor in Oberthulba. Dann kam die Versuchsbrauerei dazu. In diesem Jahr eröffnete er das für eine Millionen Euro errichtete Romeis-Forum. Dort bietet das 41 Mitarbeiter umfassende Unternehmen Tagungen zu Lebensmittelhygiene und Brauerkunst an.

    Zum Jahreswechsel überführte Romeis den Betrieb in eine Stiftung. Schwerpunkte sind Ausbildung und Forschung und mildtätige Zwecke im Bereich Lebensmittel, Erfrischungsgetränke und Brauereiwesen sowie Publikationen.

    Frage: Herr Romeis, wie wird man Bier-Querdenker?

    Romeis: Man benötigt dazu eine fundierte Ausbildung und viel Enthusiasmus.

    Und eine Antenne für Verbesserungspotenzial beim Biergeschmack?

    romeis: Im Brauereibereich haben wir uns lange in festgefahrenen Gleisen bewegt. Es war teilweise eine gewisse Uniformität der Produkte am Markt zu erkennen. Etwas frischer Wind, etwas Anderes, etwas Queres tut dem Produkt Bier sicherlich gut.

    Sie bieten dazu Veranstaltungen?

    romeis: Wir haben die Bier-Querdenker zusammen mit dem Verband der Bayerischen Privatbrauereien ins Leben gerufen. Wir haben weit über 1000 Besucher in den bisher neun Veranstaltungen begeistert und 200 bis 250 Bierspezialitäten vorgestellt.

    Alles eigene Biere, oder bringen Gäste auch welche zum Verkosten mit?

    Romeis: Sowohl als auch. Wir stellen eigene Biere vor, wenn es um technologische Fragen geht. Und auch Gäste präsentieren ihre Biere. Die Zahl der Bier-Querdenker ist auf bis zu 150 angewachsen. Es werden immer mehr. Betriebe besinnen sich auf alte Rezepte.

    Welche? Helfen Sie uns auf die Sprünge.

    Romeis: Man hat früher Porter gebraut, man hat Stout gebraut, die Schwarzbiere, das Braunbier und vieles mehr. Alle diese Genüsse leben wieder auf.

    Wie viele Biersorten gibt es in Deutschland?

    Romeis: Es gibt um die 45 Bierstile. Weltweit sind es über 90. Die Unterschiede werden dann aber relativ fein und für den Verbraucher nicht mehr erkenntlich.

    Wenden Sie sich nur ans Fachpublikum?

    Romeis: Wir haben in einem Fachpublikum diskutiert, aber die Welle trägt sich weiter und schlägt sich am Markt nieder.

    Also im Getränkemarkt um die Ecke?

    Romeis: Wenn sie heute in einen gut sortierten Getränkemarkt gehen, dann finden Sie auch aus Dinkel oder Roggen gebraute Biere, oder welche, die im Eichenfass gereift sind. Oder sehr gehopfte Starkbiere, die aber nicht für den Normalgenuss bestimmt sind.

    Schränkt das Reinheitsgebot heute denn da nicht ein?

    Romeis: Das Reinheitsgebot hat den guten Ruf des deutschen Bieres mitbegründet und sollte erhalten bleiben. Das schließt nicht aus, dass man mehr tun kann. Das ist immer eine Frage der Kennzeichnung. Ich muss dem Verbraucher klar signalisieren, um welches Produkt es sich handelt. Ist es nach dem Reinheitsgebot gebraut, oder nicht?

    International ist man experimentierfreudiger.

    Romeis: Zweifellos. Dort gibt es Versuche mit Gewürzen und Kräutern und mehr. Wenn das mit entsprechender Qualifikation passiert, kann das eine Bereicherung sein. Sofern davon keine Gefahr für den Verbraucher ausgeht. Kritisch wird es, wenn es eine Verwechslungsgefahr in Sachen Reinheitsgebot gibt.

    Wie sehen Sie die Zukunft des Bieres?

    Romeis: Positiv. Wir kriegen ein positives Echo von Brauereien, die mit Bierspezialitäten am Markt sind. Das muss sich nicht unbedingt in mehr Hektoliter beim Absatz niederschlagen, aber schon das Image gewinnt.

    Aber der Markt für Spezialitäten hat Grenzen.

    Romeis: Ja. Es wären ja keine Spezialitäten, wenn es sich um ein reines Konsumgut handelt. Andererseits ist es verständlich, dass ein Produkt, dass in kleineren Mengen produziert wird, teurer sein muss.

    Lange ist die Zahl der Brauerein unter dem Kostendruck geschrumpft.

    Romeis: Die Anzahl in Deutschland steigt wieder. Wir haben wieder um die 1380 Brauereien, es waren mal weniger als 1200. Das lässt hoffen, dass sich die Zukunft reichhaltiger gestaltet. Wobei die Zahl etwas trügerisch ist, weil viele mittelständische Brauereien durch Klein- und Kleinstbrauereien ersetzt werden. Die stoßen zum Teil weniger als 1000 Hektoliter im Jahr aus. Es gibt Brauerein, die mit wenigen 1000 Hektolitern existieren können. Das ist auch eine Frage von Vertriebsstrukturen. Etwa, ob sie eine Gaststätte haben, oder es billig im Abholmarkt verschleudert wird.

    Der Trend zu Fusionen dauert an...

    Romeis: Momentan erleben wir ja eine Fusion der beiden weltweit größten Brauerkonzerne. Ich finde, dass es mittlerweile egal ist ob eine Brauerei eine Million oder 1,5 Millionen Hektoliter auf den Markt wirft. Davon merkt der Verbraucher nicht viel. Die Globalisierung des Biergeschmackes scheint gestoppt und dafür sind wir gerne Dienstleister.

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