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BAD KISSINGEN: Im Pferdeschlitten durch Kurdistan

BAD KISSINGEN

Im Pferdeschlitten durch Kurdistan

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    Fast hätte es nicht geklappt mit dem Traumberuf, erinnert sich Kirmsse. „Meine Mutter wollte unbedingt, dass ich Beamter werde.“ Doch Bürokram war nichts für den gebürtigen Berliner, der mit 14 Halbwaise wurde und schon früh seinen eigenen Kopf hatte. „Spätestens wenn ich 21 bin, mache ich, was ich will, habe ich meiner Mutter immer gesagt“, weiß Kirmsse noch heute.

    Um sein Studium zu finanzieren, hat Kirmsse über Jahre nahezu alle Jobs erledigt, die er als Student so kriegen konnte. Darunter waren solche, an die nicht jeder ran kam. Zum Beispiel hat er in München als Komparse in der Filmbranche gearbeitet. „Mit Größen wie Christine Kaufmann, Tony Curtis und Heinz Rühmann“, erzählt der 74-Jährige. Vor allem Letzterer sei köstlich gewesen, lächelt Kirmsse. „Der hat den Statistinnen zu gerne ins Dekolleté geschaut.“

    Als angehender Tiermediziner und späterer Parasitologe hat Kirmsse die ganze Welt bereist. Wenn er erzählt, wie er für Forschungsprojekte zwischen Europa, Afrika, Amerika und Asien hin- und hergependelt ist, klingt das, als hätte er eben mal beim Kollegen um die Ecke vorbeigeschaut. Auslandsdrang nennt er das. „Den hatte ich schon immer.“

    Kirmsse hat unter anderem Zugvögel in Panama beringt, ein diagnostisches Labor in Beirut mitaufgebaut und Vampiren in Mexiko auf den Blutsauger-Zahn gefühlt. Als Experte der Food and Agriculture Organisation der Vereinten Nationen oder für die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit. „Hochinteressant“, sagt er, und man glaubt es ihm ohne weiteres. Begeistert von seiner Arbeit ist er bis heute. „Nächstes Jahr halte ich einen Vortrag über Vampire für die hiesige Kinder- und Jugendakademie.“

    Kirmsses Mutter hat ihren einzigen Sohn nicht oft gesehen. Auch Weihnachten hat er überwiegend im Ausland verbracht. „Das war nicht immer leicht“, gibt der bescheidene Senior zu. Seine Augen werden dabei ein wenig feucht. An „Heilig Abend im wilden Kurdistan“ erinnert er sich noch gut. Da war er als junger Stipendiat mit einem anderen Studenten mit dem Pferdeschlitten unterwegs zu einer türkischen Staatsfarm.

    „Kerzen hatte ich auf einem Bazar gefunden, meine Mutter hatte uns Plätzchen geschickt, ich hab Weihnachtslieder auf meiner Mundharmonika gespielt“, sagt Kirmsse. Ein Angestellter ihrer Unterkunft habe ihnen einen Korb mit Äpfeln und Nüssen gebracht. „Ihr habt doch daheim jetzt Weihnachten, hat er uns gesagt. Da musste ich weinen.“

    Kirmsse ist voller Erinnerungen. Nicht nur die Wände hängen voll mit alten Porträts. Der 74-Jährige hat auch jede Menge dicker Alben mit Fotos aus aller Herren Länder. Oder unzählige alte Briefe seiner Mutter. Umfangreiche Unterlagen aus seiner Forschungszeit. Da liegt es auf der Hand, womit er seinen Unruhestand verbringt. „Ich schreibe an einem Buch.“

    Dazu übersetzt er seine englischen, französischen, spanischen oder türkischen Aufzeichnungen ins Deutsche. Ab und an vertritt er noch als freier Mitarbeiter das Bundesministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf internationalen Messen, zuletzt in Damaskus. „Solche Kontakte sind wichtig.“ Dass er sich dabei auch auf Arabisch unterhalten kann, versteht sich fast von selbst.

    Seine Dienste als Nachhilfelehrer sind ebenso gefragt wie die als Fahrer und Mitbetreuer der Kinder und Jugendlichen der Fechtabteilung des TSV Bad Kissingen. Engagement ist für den ehemaligen Professor eine Selbstverständlichkeit. „Ich mache das gerne.“

    Seit der Zugvogel sesshaft geworden ist, verbringt er Weihnachten meistens zuhause mit seiner Frau und seinem 13-jährigen Sohn. „In Bad Kissingen ist es ja sehr schön“, lächelt der weit Gereiste. Und schiebt einen Teller mit Plätzchen über den Tisch. „Probieren Sie mal, die habe ich selbst gebacken.“

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