Das Thema Verkehr spaltet. Anwohner belebter Straßen klagen oft über zu viel Lärm, Dreck und Gefahr; aufs Auto verzichten können und wollen die wenigsten. Und viele verstehen gewisse Regelungen in der Straßenverkehrsordnung nicht, hätten sie am liebsten geändert. Diese Redaktion hat fünf von ihnen herausgegriffen und Verantwortliche von Polizei und Bayerischem Innenministerium damit konfrontiert.
Warum steht die Ortstafel nicht dort, wo der Ort wirklich beginnt?
Der Landkreis Bad Kissingen ist ländlich geprägt. Es gibt viele, vor allem kleinere Orte, in denen auf der einen Seite der Durchgangsstraße Häuser stehen, auf der anderen nicht. Das Ortseingangs- oder -ausgangsschild steht aber erst dort, wo auf beiden Seiten Bebauung besteht. Mit dem Resultat, dass der Verkehr noch/schon relativ schnell an den ersten/letzten Häusern vorbeibraust. Als Beispiel mag der Ortsausgang von Unterleichtersbach Richtung Untergeiersnest gelten, wo die Autos in einer Senke Gas geben, zum Leidwesen der Bewohner des angrenzenden Weilers Aspenmühle. Könnte man das Ortsschild nicht wenige Hundert Meter weiter Richtung Süden, hinter den Weiler versetzen? Florian Heuring, Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizei Bad Kissingen, sagt zu dem Thema: „Die meisten Bürger unterliegen dem Trugschluss, dass die Verkehrsteilnehmer langsamer fahren, wenn das Ortsschild früher rausgesetzt wird.“ Verkehrspsychologische Studien würden etwas anderes zeigen. Eine Ortstafel werde dann akzeptiert, wenn geschlossene, also beidseitige Bebauung wahrgenommen werde. Als Negativbeispiel nennt Heuring den Maßbacher Ortsteil Rothhausen, wo das Ortsschild weit draußen steht – und nur wenig Akzeptanz erfährt.
Warum darf die Polizei nicht unmittelbar am Ortsschild blitzen?
Es ist wahr: Laut Ergänzender Weisung Nummer 1 zur Richtlinie für die polizeiliche Verkehrsüberwachung in Bayern muss die Messstelle mit dem Blitzgerät in der Regel eine Entfernung von mindestens 200 Metern vom Beginn und Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung aufweisen. Gleiches gilt für Ortsschilder. Dieser Abstand kann jedoch unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen unterschritten werden, schreibt Michael Siefener vom Bayerischen Innenministerium. „So kann beispielsweise am Beginn oder am Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung gemessen werden, wenn es sich um einen Unfallbrennpunkt oder einen Unfallgefahrenpunkt handelt.“ Ebenso sei eine Geschwindigkeitsmessung am Beginn oder Ende einer geschlossenen Ortschaft möglich, wenn besondere Verkehrsverhältnisse herrschen würden. Da gehe es beispielsweise um das Fehlen von Fußwegen bei spürbarem Fußgängerverkehr, einmündende Straßen, Fabrikein- und- ausfahrten, Schulen oder auch Kindergärten. „Ein Abweichen von der Mindestentfernung ist auch möglich, wenn wegen der Kürze der Strecke – bei Einhaltung der 200-Meter-Regel – eine Tempomessung nicht möglich wäre, obwohl dies aus Verkehrssicherheitsgründen erforderlich ist.“
Es obliegt den Experten in der Verkehrskommission, ob Ausnahmen gelten.
Warum kann eine Stadt oder Gemeinde nicht einfach Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt anordnen?
Laut Florian Heuring gehören die meisten Hauptverkehrsstraßen zum „klassifizierten Straßennetz“. Das bedeutet, dass die Zuständigkeit dafür nicht bei der Kommune, sondern beim Bund (Bundesstraße), Freistaat (Staatsstraße) und Landkreis/Landratsamt (Kreisstraße) liegt. „Diese Straßen sind dazu bestimmt, den überörtlichen Verkehr aufzunehmen, damit er gut durchfließen kann“, begründet Heuring, warum eine Kommune dort nicht einfach Tempo 30 anordnen kann. Als Beispiel verweist er auf den Markt Burkardroth, der bei seiner Ortsdurchfahrt auf das Landratsamt verweist. Über Jahrzehnte sei der „Leichtigkeit“ des Verkehrs ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt worden, weniger dem Sicherheitsempfinden der Anlieger. „Der Stellenwert der Verkehrssicherheit steigt immer höher“, hat der Sachbearbeiter Verkehr festgestellt. „Ich kann mir vorstellen, dass über kurz oder lang Initiativvorschläge dazu in die Verkehrs-Gesetzgebung einfließen.“ Viele Kommunen haben sich der Initiative „Lebenswerte Städte“ für mehr Tempo 30 in Innerorten angeschlossen, im Landkreis Bad Kissingen bisher aber nur Hammelburg und Nüdlingen. Florian Heuring verweist, dass Kommunen zumindest auf Nebenstraßen und in Wohngebieten Tempo 30 anordnen dürfen. „Der Gesetzgeber macht das recht einfach möglich.“
Warum rät die Polizei in Wohngebieten nicht zum massiveren Einsatz von Schwellen?
Laut Florian Heuring haben Studien der Forschungsgesellschaft für Straßenverkehrswesen erwiesen, dass das Unfallrisiko (am eigenen Fahrzeug) an solchen „Tempohückeln“ relativ hoch ist – und der einbremsende Effekt vergleichsweise gering. „Deswegen wird davon abgeraten.“ Als Beispiel nennt Heuring die Nüdlinger Straße in Hausen. Bessere Wirkung, was das Einhalten der Höchstgeschwindigkeit betrifft, würden mobile digitale Messtafeln zeigen.
Warum muss ich innerorts am Straßenrand komplett auf der Fahrbahn parken?
Laut Heuring hat der Gesetzgeber bei den Bußgeldern für solches Verhalten nochmal „nachgeschärft“. Statt bisher 25 werden nun 55 Euro fällig. Wird der Verstoß angezeigt, kostet er sogar 70 Euro plus Gebühren und Auslagen, also rund 100 Euro und zusätzlich einen Punkt. Dahinter stehe der Gedanke der Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer. Vor allem Mütter mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer müssten den Fußweg ungehindert und sicher nutzen können. Übrigens sei auch das Halten auf Schutzstreifen für Fahrradfahrer – wie in der Erhardstraße in Bad Kissingen – verboten.
Wichtig ist Florian Heuring zu erwähnen, dass die Polizei mit den auch beteiligten Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden immer alle rechtlichen Möglichkeiten prüft, wenn es um die Erhöhung der Verkehrssicherheit geht. Neben dem psychologischen Effekt gebe es gerade beim Standort der Ortstafel und der Errichtung von Tempo 30 klare rechtliche Vorgaben aus der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung. „Die Einhaltung dieser Vorschrift ist für die Behörden verpflichtend.“
Abschließend weist der Polizeibeamte auf zwei Grundprinzipien hin, die jeder Autofahrer unabhängig von den Regeln beherzigen sollte: gegenseitige Rücksichtnahme und gemäßigtes Fahren. (st)