Bad Kissingens Kriegsgeschichte ist gut dokumentiert. Theodor Fontane hat den Kampf um die Stadt im Bruderkrieg von 1866 detailreich beschrieben. Auch über den Zweiten Weltkrieg sowie die Zeit davor und danach gibt es ausreichend Information. Nur der Erste Weltkrieg ist im Falle Kissingens fast ein unbeschriebenes Blatt.
Dabei markiert der Ausbruch dieses Krieges, der sich in diesen Tagen zum 100. Male jährt, den Anfang vom Ende der Kissinger Weltbadzeit. Der Krieg schnitt der Stadt, die russischen und englischen Gästen eigene Kirchen bot, die Internationalität ab.
Unterfranken zog mit derselben Überzeugung in den Krieg, die für ganz Deutschland bezeichnend war. Hurrapatriotismus war verbreitet. „Der Kaiser hat gerufen, das deutsche Volk eilt zu den Waffen“, schrieb der Würzburger General-Anzeiger am 1. August 1914. Wer die Schuld trug, schien klar: „Frevelnde Hand will unsere Fluren vernichten, unsere Häuser zerstören. Deutsche Kultur und deutsches Wesen soll von Fremdlingen bezwungen und ausgerottet, der deutsche Wohlstand untergraben werden.“ Sorge um den Sieg machte sich die Zeitung nicht: „Unser gutes Schwert wird Deutschland schirmen und den Ansturm niederschlagen.“
Noch im Jahr vor Kriegsausbruch war ein Bruder von Zar Nikolaus II. in Bad Kissingen zur Kur gewesen. Fürst Jussupow, der bis kurz vor Kriegsbeginn im Hotel Fürstenhof gewohnt hatte, wurde nach dem 2. August in Berlin festgenommen. Dokumentiert ist auch, dass der deutsch-ukrainische Autor Gregor Schwartz-Bostunitsch bei Kriegsausbruch festgenommen, mit 500 anderen russischen Kurgästen aus Bad Kissingen bei Kulmbach gefangen gehalten und später nach Russland abgeschoben wurde.
Wer weiter kommen will beim Thema Krieg und Kurort, hat dazu jetzt in der Oberen Saline Gelegenheit. Seit Mittwoch ist dort die Ausstellung Vergessene Gäste zu sehen. Erarbeitet hat die Schau über die Rolle und Entwicklung von Kurorten im Krieg eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der Kur- und Bädermuseen Deutschlands, darunter die Städtischen Museen Bad Wildungen und das Museum Obere Saline. In Kissingen zu sehen ist das Ergebnis bis 2. November.
Oberbürgermeister Kay Blankenburg und Kulturreferent Peter Weidisch würdigten die Ausstellung als Mahnung, die von Krieg ausgelösten Leiden nicht zu vergessen. Sich mit der Geschichte und ihren Fehlern auseinanderzusetzen, schaffe die Möglichkeit, die Fehler künftig zu vermeiden, sagte Blankenburg.
Dass Kurorte „medizinisch, finanziell und entwicklungsgeschichtlich von Kriegen“ profitierten, ist eine These der Ausstellung. Wie sehr, das ist im Falle Kissingens nicht einfach abzulesen. Hierher überwiesen wurden, so die Ausstellung, im Ersten Weltkrieg „ausschließlich leicht verwundete Patienten, von denen wenige Komplikationen zu erwarten waren“. Nicht verwundete Militärs, vor allem Offiziere, hätten das Lazarett Bad Kissingen zur Kur besucht oder Routineoperationen vornehmen lassen. Im Verlaufe des Krieges hätten die für Offiziere frei gehaltenen Plätze 30 bis 35 Prozent der Gesamtkapazität ausgemacht.
Bernhard Weller, Leiter der Städtischen Museen Bad Wildungen, akzentuierte Aussagen der Schau. In den ersten zwei Jahren des Ersten und in den ersten drei Jahren des Zweiten Weltkriegs könne man in Kurorten ein geregeltes Nebeneinander von Kurgästen und Lazarettbetrieb unterstellen. Bad Salzuflen, zum Beispiel, habe seine höchsten Übernachtungszahlen bis dahin in den Jahren 1916 und 1942 erreicht.