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Nicht westlich, nicht östlich, islamisch

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Nicht westlich, nicht östlich, islamisch

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    Peter Scholl-Latour.
    Peter Scholl-Latour. Foto: FOTO SPIEGEL

    9000 Bundeswehrsoldaten befinden sich zurzeit weltweit im Einsatz - vom Balkan über Djibouti bis Afghanistan. Letzteres "macht uns erhebliche Sorgen", so Brigadegeneral Johann Berger, der Kommandeur der Infanterieschule, einleitend, weshalb Afghanistan auch bei der Auftaktveranstaltung der Wintervortragsreihe im Blickpunkt stand. Mit Peter Scholl-Latour hatte Berger einen ausgewiesenen Experten und Kenner der Lage vor Ort gewinnen können, der in seinem rund zweistündigen Vortrag die Problematik der Stationierung von westlichen militärischen Schutztruppen aufzeigte.

    "Auf Dauer ist in einem islamischen Land die Anwesenheit von ungläubigen Ausländern, noch dazu bewaffnet, nicht erträglich", sagte Scholl-Latour. Daran ändere auch das Geld nichts, mit dem die CIA Stammesfürsten eingekauft habe. "Man kann einen Afghanen mieten, aber nicht auf Dauer kaufen." Die Lösung für Afghanistan wird nach Einschätzung Scholl-Latours deshalb nur ein Abzug der Truppen sein, so wie es sich jetzt auch für den Irak anbahnt. "Man hätte das russische Beispiel studieren müssen", verwies Scholl-Latour auf die Sowjets, die nach zehnjähriger Besatzung auch erfolglos abziehen mussten.

    Die Ruhe im Norden des Landes, wo die deutschen Soldaten stationiert sind, hält Scholl-Latour für prekär, die Lage könne sich ganz schnell ändern. Dass es bislang keine Exit-Strategie gebe, also einen Plan, wie die Soldaten im schlimmsten Fall schnell aus dem Land kommen, "ist ein Skandal in der deutschen Politik". Denn die Lage in Afghanistan verschlechtere sich kontinuierlich. So gebe die Zusammensetzung der Regierung Anlass zur größter Sorge. Hohe Ämter würden von höchst zweifelhaften Personen besetzt. Sogar ein deutscher Staatsbürger sei dabei. Außenminister Rangin Dadfar Spanta erwarb den deutschen Pass während seines politischen Asyls in Deutschland zur Zeit der sowjetischen Invasion in den 1980er Jahren, er kandidierte 1999 sogar für die Grünen bei den Stadtratswahlen in Aachen. "Seinen deutschen Pass hat er bestimmt auf der Botschaft im Safe liegen", meinte Scholl-Latour sarkastisch, denn für hohe afghanische Mandatsträger ist die doppelte Staatsbürgerschaft verfassungsgemäß verboten.

    Nicht viel besser ist es Laut Scholl-Latour um Polizei und nationaler Armee gestellt, "sie sind Elemente der Unsicherheit". Das Land sei gespalten, denn zu viele Stammesfürsten agierten dort. Ein Nationalgefühl habe es nie gegeben und werde es auch nicht geben.

    Die wirklich gefährliche Kraft sind für Scholl-Latour aber die Opium-Barone, die stillhalten, weil man bislang in den kontinuierlich steigenden Schlafmohnanbau noch nicht eingegriffen hat. "Das ist der eigentliche Skandal."

    Auch die Wiederaufbauarbeit ist für Scholl-Latour skandalös. Denn außer einer Moschee, einem Villenviertel für die Drogenbarone und einer islamischen Hochschule, wo die nächste Generation Talibans herangezogen werde, sei in Kabul nichts entstanden. "Das ist die Realität."

    Seiner Ansicht nach verhandelt man mit den falschen Gesprächspartnern. "Wenn man eine Lösung will, muss man mit dem Feind reden und nicht mit den selbst eingesetzten Marionetten." Gulbuddin Hekmatyar - "mit dem habe ich in Bonn schon zweimal zu Mittag gegessen" - wäre für Scholl-Latour der richtige Mann. Der sunnitische Paschtune, der in den 80er Jahren noch von den USA im Krieg gegen die Sowjets unterstützt wurde, kooperiert heute mit der Al-Qaida, die Scholl-Latour im übrigen nur noch für ein "Gespenst" hält. Die wirklichen Gefahren lauern seiner Meinung nach in Pakistan, Somalia oder Saudi-Arabien, wo hinter einer Fassade des Bündnisses mit dem Westen extremistische Elemente finanziert würden. Die Sorge, dass Afghanistan nach einem Abzug der Truppen wieder zur Plattform für islamische Terroristen wird, teilt Scholl-Latour deshalb nicht. Die wachsen heute im Westen heran, "dort ist die Gefahr".

    Am Ende seines Vortrags schockte Scholl-Latour seine Zuhörer noch mit seiner Zukunftsvision. Als erklärter Gaullist - "wir müssen ja nicht alle Narrheiten der Bush-Regierung mitmachen" oder "es gibt eine Feigheit vor dem Feind, aber auch eine Feigheit vor dem Freund" - stehen die Amerikaner bei ihm besonders in der Kritik. Das nordatlantische Bündnis in seiner noch aus Zeiten des Kalten Krieges herrührenden Struktur hält Scholl-Latour zum Schutz des Landes für obsolet. "Die Franzosen haben sie bereits, die Briten bauen sie aus und auch wir Deutsche werden nicht daran vorbeikommen - an der nuklearen Abschreckung."

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