"Wir können es noch gar nicht fassen." Wie gelähmt sind die Beschäftigten des Euerdorfer Traditionshauses. Mit dem Bauchladen sozusagen hatte der Vater des jetzigen Inhabers Rolf Mützel 1948 auf zwölf Quadratmetern Fläche mit Korb- und Seilwaren angefangen und in einem halben Jahrhundert das Geschäft zu einem Warenhaus mit Vollsortiment auf 2700 Quadratmeter Fläche ausgebaut. Gut zehn Jahre hat Rolf Mützel das elterliche Erbe weitergeführt, jetzt sieht er keine Alternative mehr zur Schließung. "Das Haus ist an diesem Standort nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben", begründet Mützel seine Entscheidung, die in den vergangenen Wochen gereift ist. Der Umsatz sei im Lauf der vergangenen Jahre kontinuierlich zurück gegangen. Dafür macht Mützel den Strukturwandel im Handel verantwortlich, bei dem die Kaufhäuser zu den Verlierern zählten. "Ein Kaufhaus im Dorf war vor 20 Jahren mal eine gute Idee, aber heute funktioniert das nicht mehr", ist Mützels Erfahrung. Es sei immer schwieriger geworden, die Kunden nach Euerdorf zu bringen, auch weil die Wettbewerber in der Region immer mehr und immer besser geworden seien.
"Es fehlt uns an Attraktivität", resümiert Rolf Mützel. Dabei habe er nichts unversucht gelassen, den Niedergang des Kaufhauses aufzuhalten. So wurde Zug um Zug das Sortiment umstrukturiert. Auch die Zahl der Mitarbeiter wurde immer wieder reduziert von ehemals 120 auf inzwischen nur noch 43. Im Frühjahr vergangenen Jahres erfolgte dann die Schließung der dritten Etage und damit eine Konzentration auf Bekleidung, Sport- und Haushaltsartikel. Um das Geschäft anzukurbeln, wurden immer wieder Rabatt-Aktionen gestartet, nur der Erfolg sei ausgeblieben, so Mützel. Dabei hatte es noch einen Hoffnungsschimmer gegeben. Mützel wollte im leer stehenden Obergeschoss wieder eine große Sportabteilung etablieren und hatte auch schon mit den Umbauarbeiten begonnen.
"Kaufhausunternehmer sind eine aussterbende Rasse"
Rolf Mützel Inhaber vom Kaufhaus Mützel
Die weiter bröckelnden Umsätze nahmen ihm dann aber letztlich auch diese Hoffnung, das Geschäft wieder ankurbeln zu können, so dass sich Mützel vor sechs Wochen dazu entschloss, das Warenhaus zum Jahresende zu schließen.
In dem verbleibenden Halbjahr werde das Geschäft wie gewohnt weiterlaufen, versichert Mützel. Die Herbst-Kollektion sei bereits eingekauft. Für die Kundschaft kündigt er schon jetzt Sonderaktionen an, "denn wir wollen uns mit Anstand aus Euerdorf verabschieden".
Was mit der Immobilie in Euerdorf passiert, ist noch offen und für Mützel derzeit kein "vorrangiges Thema". Nicht betroffen von der Schließung des Kaufhauses in Euerdorf sind die beiden Modegeschäfte von Mützel in Bad Kissingen. Hier ist seit Mitte Juni Ehefrau Elisabeth alleinige Geschäftsführerin. Auch das mit dem Euerdorfer Haus vergleichbare Geschäft in Dillingen wird weitergeführt. Laut Mützel schreibt man dort sehr gute Betriebsergebnisse.
Ungeachtet dessen glaubt Mützel, "die Kaufhausunternehmer sind eine aussterbende Rasse". Deshalb wäre es für ihn auch keine Alternative, das Euerdorfer Kaufhaus an einen anderen Standort zu verlegen - beispielsweise nach Bad Kissingen. "Innerstädtische Warenhäuser haben keine Zukunft mehr", glaubt Rolf Mützel angesichts der massiven Konkurrenz an den Peripherien.