Am Sonntag beginnt der 28. Kissinger Sommer mit einem Jubiläumskonzert 100 Jahre Regentenbau. Und wie der Zufall so spielt, erlebt das Publikum an diesem Abend die Münchner Philharmoniker – jenes Orchester, das einst als Kurorchester in Bad Kissingen zu erleben war. Natürlich waren es die Vorgänger der heutigen Musiker.
Schon seit 1837 hat Bad Kissingen ein Kurorchester. Allerdings wechselten die Klangkörper, denn ein festes Ensemble etablierte die Kurverwaltung erst ab 1980.
Zu den Gastorchestern gehörten auch die Münchner Philharmoniker, die aber erst seit 1928 unter diesem Namen auftreten. 1893 von dem Klavierfabrikantensohn Hofrat Dr. Franz Kaim ins Leben gerufen, trug es den Namen seines Gründers: Kaim'sches Philharmonisches Orchester. Später hieß es Orchester des Münchner Konzertvereins.
Am 1. Mai 1899 zogen die Münchner in Bad Kissingen ein, um Promenadenkonzerte zu spielen. Aber mit ihnen begann im Weltbad eine neue Ära, nämlich die Zeit der großen Sinfoniekonzerte, der Beethoven- und Wagner-Abende.
Das Kaim-Orchester war das erste Berufsorchester Münchens. Allerdings herrschte in den Sommermonaten Beschäftigungsmangel. Franz Kaim schloss mit dem bayerischen Finanzministerium einen Vertrag, den größten Teil des Orchesters nach Kissingen als Kurorchester zu verpflichten. Durch dieses Sommer-Engagement waren die Musiker ganzjährig beschäftigt. Ein Teil des Klangkörpers ging nach Baden in die Schweiz.
Der in Kissingen ansässige Komponist, Musiklehrer und Musikschriftsteller Cyrill Kistler begrüßte in der heimischen Presse euphorisch die Münchner. Anlässlich des ersten Sinfoniekonzertes des Kaim-Orchesters am 4. Mai 1899 prägte er den berühmten Ausspruch: „Kissingen ist mit seiner jetzigen Kurkapelle den deutschen Bädern nicht bloß mehr ebenbürtig, sondern Kissingen besitzt das beste Kurorchester Deutschlands. Das bewies uns das 1. Symphonie-Concert.“ Und er sparte auch nicht mit Lob für den Kapellmeister Joseph Krug-Waldsee.
Franz Kaim bemühte sich, das gesamte Orchester nach Kissingen zu verpflichten, dem verschloss sich jedoch das Finanzministerium. So wechselte Kaim nach Abschluss der Saison 1905 nach Mannheim.
Allerdings war damit die Ära der Münchner in Kissingen nicht beendet. Nach einem Zwischenspiel der Wiener Symphoniker von 1906 bis 1918 kehrten die Münchner zum 1.Mai 1919 zurück. Jetzt durfte das komplette Orchester im Sommer nach Unterfranken kommen. 45 Musiker stellten das Kurorchester Bad Kissingen, 24 spielten im Kurtheater, die übrigen im benachbarten Bad Brückenau.
Wer Familie hatte, brachte sie mit. Die Kinder gingen hier zur Schule, erinnert sich Walter Rundler, der 23 Jahre Kurdirektor in Bad Kissingen war. Als er 1937 in die Kliegl-Volksschule eingeschult wurde, seien fast in jeder Klasse ein bis zwei Kinder aus diesen Musikerfamilien gewesen.
Rundler erinnert sich auch an die Dirigenten, an Hänel-Christiansen, der bei den Konzerten im Kurgarten mit der rechten Hand dirigierte und mit der linken den Damen in der ersten Reihe zugewunken habe. Hin und wieder besuchte er auch die Symphoniekonzerte im Großen Saal des Regentenbaus, die von Adolf Mennerich geleitet wurden. Jeden Donnerstag wurde hier am Abend ein Konzert gegeben, zu dem alle 45 Musiker antreten mussten.
Ende August 1942 endete kriegsbedingt die Kurmusik in Kissingen.