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"Polstern ist diffizile Handarbeit"

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"Polstern ist diffizile Handarbeit"

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    Mit einem Test beim Arbeitsamt hat der heute 42-Jährige nach seiner Schulzeit herausgefunden, dass der Beruf des Polsterers für ihn das Richtige ist. Die Analyse hat gestimmt: Andreas Sell ist inzwischen 23 Jahre im Geschäft, während viele seiner Berufskollegen die Arbeit längst hingeschmissen haben.

    "Polsterer werden gesucht", weiß Sell, denn nur wenige üben nach der Ausbildung diesen Beruf tatsächlich auch aus. So würden von den 60 Auszubildenden, die es pro Jahr in Franken und der Oberpfalz gibt, gerade mal zwei bis drei Gesellen übrig bleiben. "Die anderen satteln um, weil ihnen die Arbeit zu schwer ist", begründet Sell. Damit meint er zum einen die Kraft, die fürs Schleppen der Sofas, Stühle und Sessel nötig ist, zum anderen die hohen Anforderungen, die dieser Beruf mit sich bringt.

    Denn Polstern allein ist gar kein Berufsbild, sondern nur ein Bereich der vielschichtigen Ausbildung eines Raumausstatters. "Es sind vier Berufe in einem", erklärt Sell. So muss ein Raumausstatter polstern, dekorieren, tapezieren und Bodenbeläge verlegen können. In der Regel spezialisiere man sich nach der Ausbildung auf zwei Bereiche. Sell hat sich für das Polstern und den Deko-Bereich entschieden, der alles umfasst, was mit Gardinen, Rollos oder Sonnenschutz zu tun hat.

    Während Sell in seinem Betrieb in Wittershausen zum Großteil die Polsterarbeiten übernimmt, betreut seine Ehefrau den Deko-Bereich. Außerdem beschäftigt Sell noch einen Gesellen und bildet regelmäßig Lehrlinge aus. Waren früher in dem Beruf zu 90 Prozent Männer tätig, so haben heute die Frauen Oberwasser. "Mehr als die Hälfte der Raumausstatter ist weiblich", sagt Sell, die Polsterei jedoch sei mehr Männersache.

    Was machen Polsterer? Sie reparieren oder fertigen neue Polster an. Das beginnt mit der Herstellung der Unterfederung bei Sofas oder Stühlen, umfasst die Vorbereitung des Polstergrundes mit elastischen Riemen sowie die Auffütterung mit dem entsprechenden Polstermaterial, und endet beim Beziehen des Polsters mit Stoff, Leder oder Kunststoff. Dazwischen liegen noch viele Arbeitsgänge, wie das Entkernen des Möbelstücks, das Zuschneiden und Nähen des Stoffes oder auch die Reparatur der Holzteile und deren Lackierung.

    Nicht nur handwerklich geschickt muss ein Polsterer sein, sondern auch stilsicher. "Beim Polstern von alten Möbeln ist es wichtig, die richtige Stoffauswahl zu treffen", erklärt Sell. Man müsse deshalb immer die neuesten Trends bei den Materialien, Mustern und Farben kennen, auch um den Kundengeschmack zufrieden stellen zu können.

    Über 150 Musterbücher hat Sell in seiner Werkstatt liegen, anhand derer die Kunden die Stoffauswahl treffen können. Diese reicht von einfachen Materialien bis hin zu hochwertigen Kollektionen, bei denen der Quadratmeter ab 80  Euro aufwärts kostet. Die Neugestaltung eines Polstermöbels kann somit auch sehr kostspielig werden. "Mit 1500 bis 2000  Euro muss man bei einem Sofa schon rechnen, denn Polstern ist diffizile Handarbeit", sagt Sell, immerhin stecken hier mindestens 16 Stunden Arbeit drinnen.

    Die meisten Kunden von Sell sind Senioren, weil diese einen kaputten Sessel nicht gleich zum Sperrmüll, sondern lieber zum Polsterer bringen. Dass ein altes Stück danach wieder wie neu aussehen kann, zeigt Sell seinen Kunden an einer über 100 Jahre alten Recamière in seinem Ausstellungsraum, die er von Grund auf neu gepolstert und bezogen hat.

    Sein größtes Objekt hatte Sell am Chiemsee. Dort musste er in einem Yachthotel sämtliche Sitzmöbeln neu polstern. Seine Handschrift tragen auch die Polstermöbel in der Residenz in Bamberg. Daneben arbeitet Sell für Möbelhäuser wie die Firma Neubert in Würzburg.

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