Nachts um zwei noch mal eben Schnitzel backen, das war für Rosa Metz nichts Ungewöhnliches. „Die Leute hatten eben Hunger.“ An diesem Freitag feiert die Senior-Wirtin vom Gasthaus zum Grünen Kranz 90. Geburtstag. Ihre ganze Hingabe galt all die Jahre ihrer Gaststätte: „Das war mein Leben!“
Und die Wirtschaft forderte viel von ihr. „Morgens kamen schon die ersten Gäste, mittags die Forstbeamten zum Essen und abends war ich die letzte, die die Wirtschaft zumachte“. Die Forstleute hatten in der Gaststätte ihren Schießraum, 1954 wurde hier auch der Schützenverein gegründet, der lange in der Wirtschaft seine Schießabende abhielt. Rosa Metz schoss natürlich aktiv mit. 1956 siegte die gebürtige Zahlbacherin beim Weihnachtsschießen: „Die geschnitzte Ehrenscheibe hängt noch heute im Gastraum.“
Besonders gut hat sie sich stets mit der Jugend vertragen, was dem damaligen Pfarrer nicht immer gefiel. „Du verdirbst die Jugend“, warf er ihr vor, wenn die Gastwirtschaft wieder zur Gottesdienstzeit geöffnet hatte. Aber sie meinte es nur gut mit der Jugend. „Bei uns war immer etwas los. Früher hat der Bäcker Schifferklavier gespielt und die Jugend kam aus den Dörfern ringsum.“ Viele haben in der Gaststätte ihre ersten Tanzschritte erlernt. Ihr zweiter Ehemann Alfred, ein leidenschaftlicher Musiker, holte dann sein Schifferklavier raus und sorgte für die Stimmung. Und Rosa kochte und bediente.
„Manches Mal hat zur verordneten Sperrstunde auch die nächtliche Polizeistreife ein Auge zugedrückt und einfach die Uhr im Gastraum zurückgestellt. Dann musste auch ein Freibier herausspringen“, erzählt sie mit Schmunzeln. „Aber es wurde auch gelegentlich so spät, dass es Ärger mit der Polizei gab und die Gäste flüchteten. Einer ist dabei mal im Klofenster hängengeblieben.“
Das Kochen wurde immer mehr ihre Leidenschaft. „Früher brachten die Gäste ihr Fleisch mit, das ich in der Küche anbraten musste“, erinnert sie sich. „Einmal hat einer sogar frisch geklautes Fleisch gebracht, aber das hat er mir erst hinterher gebeichtet.“ Sogar mitten in der Nacht wurde ans Fenster geklopft: „Rosa, kannst du mir mal das Schnitzel braten?“, und Durst hatten die meisten Gäste auch. „Wer gerade kein Geld dabei hatte, ließ anschreiben, und mancher hat seinen Schuldenberg sogar mit einem Grundstück abbezahlt.“ Bis in die 80er Jahre war die Küche ihr Revier, jetzt hilft sie immer noch gerne mit. „Das brauch ich noch“.
„Nicht immer fanden die Gäste nach ausgiebigem Alkoholgenuss ihren Heimweg“, erzählt sie weiter. „Einer war mal so betrunken, dass er mit der Karre heimgefahren wurde und ihn die Zechbrüder mit Mist zugedeckt haben. Einen anderen hat mein Mann morgens beim Füttern übersehen und fast mit der Hacke verletzt, weil er sich im Heu zum Schlafen gelegt hatte.“
Ungern erinnert sie sich an einen Vorfall in den 50er Jahren. Ein Gast hatte nachts die Scheibe eingeschlagen und das kostbare Schifferklavier gestohlen. „Das war ein sehr schlimmer Verlust für uns“, so Metz. „Wir mussten doch in der Wirtschaft Musik machen.“ Schweren Herzens wurde die schönste Kuh verkauft, die im Stall stand, und ein neues Schifferklavier angeschafft. Zig-Jahre später hat der Täter ihnen seinen Diebstahl gebeichtet, um sein Gewissen zu erleichtern. Kurz darauf starb er.
Ihr erster Mann Oskar Metz war im Krieg in Italien gefallen. Im Dezember 1946, inzwischen war Tochter Sigrun geboren, hatte sie ihren Schwager Alfred geheiratet. Neben der Wirtschaft musste die Landwirtschaft betrieben und die kranke Schwiegermutter gepflegt werden. 1947 wurde Sohn Gerd geboren, 1950 Tochter Ilse. Mit zur Familie gehören acht Enkel und 14 Urenkel, die neben den Nachbarn und Freunden zum Gratulieren kommen.