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Scharfsinnig und wortgewaltig

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Scharfsinnig und wortgewaltig

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    Volker Pispers, Kabarettist und Aufklärer aus Leidenschaft, gastierte mit seinem Soloprogramm "... bis neulich"
auf Einladung von kulturbunt in der Musikakademie und begeisterte die 270 Besucher
    Volker Pispers, Kabarettist und Aufklärer aus Leidenschaft, gastierte mit seinem Soloprogramm "... bis neulich" auf Einladung von kulturbunt in der Musikakademie und begeisterte die 270 Besucher Foto: FOTO SILBERBACH

    Volker Pispers ist momentan auf vielen Fernseh- und Radiokanälen zu sehen und zu hören. Ob in Ottis Schlachthof oder den Mitternachtsspitzen, überall ist er präsent, denn er gehört zur crème de la crème der deutschen Kabarettisten. Ob FAZ oder Süddeutsche, alle berichten voller Respekt über den Zahlen und Fakten verknüpfenden Analytiker.

    Volker Pispers ist kein harmloser Dampfplauderer, er ist ein gnadenlos entlarvender Gesellschaftskritiker und lässt sich vor keinen politischen Karren spannen. Seine messerscharfen, brisanten und provokanten Schlussfolgerungen lassen jedes Lachen gefrieren. Sie lösen tatsächliche Betroffenheit und Ohnmachtgefühle im Publikum aus. Man fühlt sich als der Sterne Tennisbälle im globalen wertelosen Macht- und Intrigenspiel um Geld, Geld, Geld.

    Pispers studierte Anglistik, katholische Theologie und Pädagogik und war ein Jahr als Assistant Teacher in England, bevor er aus der Kirche austrat und 1982 das Lehrerpult verwaisen ließ, um die Kleinkunstbühne zu beleben. Diese Vita lässt aufhorchen und lädt ein, den Kabarettisten um ein Interview zu bitten. Jedoch die Absage am Telefon ist gnadenlos und unüberwindlich: "Ich gebe grundsätzlich keine Interviews. Was ich zu sagen habe, sage ich auf der Bühne. Sie können gerne eine Kritik darüber schreiben." Da sitzt er nun, der Schreiberling, fragt in sich kühn, ist das mein Ding?

    Es folgt nun ein fiktives Interview mit Volker Pispers, mit Antworten gespeist aus seinem Auftritt und einem dann doch stattfindenden kurzen Gespräch nach Ende der Vorstellung im Kreise einiger Besucher.

    Frage: Warum machen Sie politisches Kabarett und glauben Sie, dass ihr Bemühen gesellschaftspolitisch etwas bewirkt?

    Pispers: Ich fing an Kabarett zu machen, als Kohl Kanzler wurde. Nun haben wir Schröder. Ich stelle mir die Frage, ist das nun das kleinere oder das dünnere Übel. 2006 können wir wahrscheinlich zwischen Putin-Anal-Torpedo Schröder und Bush-Zäpfchen Merkel wählen. Mmhh, es sind harte Zeiten. Mit meinem Kabarett erhebe ich keinen Anspruch die Welt zu verändern. Es ist für mich ein Ventil, meine Wut los zu werden. Kabarett ist für mich ein Breitband-Anti-Idiotikum.

    Woran krankt unser System und warum jammern so viele auf hohem Niveau?

    Pispers: Das Gesindel und Schmarotzer-Pack, das uns jeden Sonntag bei Christiansen erklärt, warum unser Land gelähmt ist, die unfähigen Unternehmens-, Vermögensberater und NTV-Analysten werden überbezahlt und ruinieren unser Land. Wenn sie nach Erfolg bezahlt würden, wären sie schon alle verhungert. Die Leute, auf die wir angewiesen sind, wenn es uns dreckig geht, die bezahlen wir total beschissen. Wir rufen alle nach mehr Lehrern, Polizisten, Richtern, Krankenschwestern oder Altenpflegern. Gleichzeitig werden die Steuern gesenkt. Gehen Sie etwa zu ihrem Chef und sagen, meine Miete wurde erhöht, bitte kürzen Sie mir das Gehalt. Wem nützen die Steuersenkungen? Einem Ackermann, der mit dem Doppelstinkefinger der Reichen, der bekommt gut 300 000  Euro jährlich mehr in seine Kasse. Er lebt eh über unsere Verhältnisse. Denen es wirklich dreckig geht, die haben kaum mehr Geld und die kommen übrigens auch nicht in die Medien, die jammern oft auch gar nicht. Wir brauchen mehr Geld für unsere Schulen. Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt, wie es uns Herr Struck in seiner Verblendetheit erzählt. Deutschland wird in den Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien verteidigt. Dorthin müsste das Geld hinfließen, das verbrasst wird für überflüssige Statistiken hirnrissiger Wirtschaftsexperten.

    Wann ging es mit unserem politischen System bergab?

    Pispers: Es geschah in den Jahren 1990 bis 1994 und Auslöser war die deutsche Wiedervereinigung. Oskar Lafontaine wagte damals das einmalige Experiment, die Wahrheit zu sagen im Bundestagswahlkampf, dass die Wiedervereinigung nur durch Steuererhöhungen finanziert werden könnte. Er wurde nicht gewählt, stattdessen Kohl und die Plünderung der Sozialkassen nahm ihren Lauf. Übrigens der dafür verantwortliche Staatssekretär im damaligen Finanzministerium hieß Horst Köhler, hätten Sie's gewusst. Die Steigerung von Kohl ist Köhler.

    In Ihrem Bundesland, Nordrhein-Westfalen, stehen Landtagswahlen an. Gehen Sie wählen?

    Pispers: Bis jetzt war ich jedes Mal wählen. Diesmal habe ich Zweifel, ob es Sinn macht.

    Wie denken Sie über die Politik Amerikas?

    Pispers: Ich habe keinen oberflächlichen Antiamerikanismus, sondern einen fundierten. Den Amerikanern geht es bei ihrer Außenpolitik nicht um Menschen, es geht einzig und alleine um Schürfrechte und ihre wirtschaftliche Welt-Vormachtstellung. Wer am 11. September 1973, übrigens war dies auch ein Dienstag, Salvador Allende aus dem Amt putschte und einen menschenverachtenden Diktator wie Augusto Pinochet protegierte. Wer einen Schah von Persien, der sein Volk gnadenlos knechtete, aufrüstete, um im Iran ein Bollwerk gegen den Kommunismus zu errichten und einem Ayatolla Khomeini das Feld bereitete, der hat sich den 11. September 2001 selbst zuzuschreiben. Übrigens hat die deutsche Rüstungsindustrie sowohl den Iran wie den Irak mit Waffen beliefert, denn ohne Deutschland darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Die Amerikaner rücken nicht das Patent-Rezept für lebensverlängernde Aids-Medikamente an Südafrika heraus, wo jährlich eine Million Menschen an Aids sterben, die noch Jahre leben könnten, um beispielsweise ihre Kinder zu erziehen. Jedoch, wenn fünf Amerikaner einem vermeintlichen Gift-Anschlag Husseins mit Milzbrandviren, die nachweislich aus einem USA-Forschungslabor entwichen, zum Opfer fallen, dann gelten keine Patentrechte mehr. Dann wird das Recht zu Gunsten der Amerikaner, die sich scheinbar als Orchideen unter den Menschen betrachten, gebrochen. Nichts als hohle Phrasen aus noch hohleren Köpfen.

    Werter Volker Pispers, danke für das fiktive Interview und die Zugabe über revolutionäre Unterrichtsmethoden aufgrund heftiger Beifallsstürme nach fast dreistündigem Programm. Das Publikum konnte wenigstens noch einmal erleichtert ablachen, bei der Vorstellung von telegenem Unterricht mit Werbeunterbrechungen und kindgerecht Aufmerksamkeit erregend gekleideten Lehrerinnen und Lehrer im Lila-Laune-Bär- oder Teletubby-Kostüm.

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