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"Sie tanzen auf Toten und Gott schaut zu"

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"Sie tanzen auf Toten und Gott schaut zu"

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    Gehäkelte Rastafari-Mützen, T-Shirts mit der Aufschrift "Marijuana Import-Export" vorn drauf und mit "Traunsteiner Südhang" hinten drauf gedruckt, gehörten zur Grundausstattung vieler Fans von Hans Söllner beim Open-air. Der 49-Jährige hatte als Gegenleistung seine kritischen Texte - gesungen und gesprochen - sowie seine Begleitband "Bayaman Sissdem" dabei, die excellente Reggaemusik zum Besten gab.

    Die fünfköpfige Band lieferte die Sound-Plattform für den südbayerischen, ungeschminkten Dialekt, in den Söllner seine Gedanken, Ansichten und Erfahrungen presst. Synkopisch wummernde Bass-Riffs, die vom Akkordeon untermalt und gehalten wurden, akzentuierte Percussion-Einsprengsel und der Führungston aus Söllners Gitarre vermischten sich zu einem Rhythmus, der direkt auf die musikalischen Gehirnzentren einwirkte und den gesamten Körper in einen Schwingungszustand versetzte.

    Die Themen des Rebellen sind über fast 25 Jahre gleich geblieben: Sie handeln von Geburt, Familie, Religion, Liebe, Freiheit, Unterdrückung, Tod, Krankheit, Einsamkeit und Falschheit. Häufig sind seine philosophischen Betrachtungen an ein bestimmtes Erlebnis geknüpft. Durchgängig ist dabei sein musikalischer Kampf für den Hanf und gegen die staatliche Bevormundung.

    Als Solist präsentiert Hans Söllner diese Themen giftig, radikal und mit bissigen Anmerkungen zur staatlichen Willkür, die ihm Bayern so fürsorglich angedeihen lässt. Mit "Bayaman-Sissdem" im Halbrund hinter sich sind die Botschaften dennoch gleich geblieben. Doch wirken die neuen Stücke musikalisch sanfter und harmloser, die Texte sind klanglich besser verpackt.

    Söllner bleibt sich bei den Inhalten treu, verbindet Philosophisches ("So ist das Leben") mit gesellschaftlicher Kritik ("Sie tanzen auf den Toten und der liebe Gott schaut zu"), haut die Politiker in die Pfanne der Ewiggestrigen ("Ihr seid's noch übrig blieben von damals") oder träumt vom "Paradies", wo's Kinder gibt, die keiner schimpft und schlägt.

    1200 Besucher bewegten sich im Luitpoldpark zum Sound aus Jamaika und lauschten der eigenwilligen Gegenwelt Söllners, weitere 300 bis 400 Fans erlebten das Ganze von außerhalb der Absperrung mit. Sie hörten und beklatschen sein Bekenntnis zur Legalisierung von Hanf ("nicht nur hier, sondern überall und für alle Menschen") und nahmen Teil an seiner ersten "rektalen Untersuchung", als sie das dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein gewidmeten Lied "Der Finger im Arschloch" hörten.

    Söllner "enttäuschte" nicht - auch wenn insgesamt die verbalen Attacken nur vereinzelt stattfanden, denn reden wollte er erst, "wenn die nimmer do san, die zuhörn müssn". Ein bisschen stolz war er auf seinen ersten Freispruch im Leben: Jetzt dürfe er den Vergleich von Hitler & Himmler mit Beckstein & Haider singen. Die Fan-Gemeinde des anarchischen Geschichtenerzählers jubelte und groovte, aber ob seine Botschaften immer noch in dieser Schärfe und Tiefe ankommen, wie sie Söllner aus tiefster Empfindung heraus schreibt, muss zumindest bezweifelt werden: Die Welt ist eine andere geworden - die Rebellen von einst sind Manager und die Rebellen von heute haben Foto-Handys, mit deren Hilfe sie Hans Söllner auf der eigenen Webseite präsentieren.

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