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BAD KISSINGEN/HAMMELBURG: Todesschüsse bei der Bundeswehr: Prozess hat begonnen

BAD KISSINGEN/HAMMELBURG

Todesschüsse bei der Bundeswehr: Prozess hat begonnen

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    Gerade einmal ein halbes Jahr Dienstzeit bei der Bundeswehr hatte er hinter sich, als Sven Mattiza bei einer Gefechtsübung auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg ums Leben kam. Der 20-jährige Automechaniker aus Spremberg in der Lausitz hatte sich für zwei Jahre verpflichtet. Am Morgen des 19. Oktober 2005 trafen ihn dann bei der Gefechtsübung zwei Kugeln, die ein Wehrdienstleistender auf ihn abgefeuert hatte. "Augenblicksversagen" attestierte dem Schützen ein interner Untersuchungsbericht später. "Sven hätte nicht sterben müssen", meinen dagegen die Eltern des getöteten Rekruten.

    Seit Donnerstagmorgen müssen sich der 36-jährige Sicherheitsoffizier und der 23-jährige Schütze aus Brandenburg vor dem Jugendschöffengericht in Bad Kissingen verantworten. Der Sicherheitsoffizier, der am Tattag das Gruppengefechtsschießen des Jägerlehrbataillons 353 zu überwachen hatte, soll einen Sicherungsposten neben Mattiza abgezogen haben, um ein Foto von der Gefechtssituation zu machen.

    Die Staatsanwaltschaft beantragte nach der Vernehmung im Schluss-Plädoyer den Freispruch für den Sicherheitsoffizier. Ihm seien keine Verfehlungen nachzuweisen, hieß es. Der Schütze soll mit 60 Tagessätzen à 15 Euro bestraft werden.

          Anders sehen die Eltern des getöteten Soldaten den Fall, die als Nebenkläger auftreten. Sie sehen in dem Sicherheitsoffizier den eigentlichen Schuldigen. Er soll zu 240 Tagessätze à 30 Euro verurteilt werden. Der Schütze, der ihrer Meinung nach nur derjenige sei, der die Suppe, die ihm andere eingebrockt hatten, auszulöffeln habe, solle zu 100 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt werden.

    Die Anwälte der beiden Angeklagten beantragten jeweils Freispruch. Der Anwalt des Schützen sagte, aus seiner Sicht handle es sich nicht um eine fahrlässige Tötung, sondern um einen tragischen Unfall.

    Mit der Urteilsverkündung wird am Donnerstagabend ab 17 Uhr gerechnet.

    Der Schütze weinte vor Gericht und war bei seiner Aussage noch immer sichtlich von dem Vorfall gezeichnet. Er entschuldigte sich ausdrücklich bei den Eltern des getöteten Soldaten und beteuerte, Mattiza nicht als Kameraden wahrgenommen zu haben. Er habe ihn für eine Schützenscheibe gehalten, zumal der Sicherungsposten wegbeordert worden war.  

    Vor dem Vorfall liefen die Soldaten durch einen Wald. Auf dieser Übungsstrecke sprangen Schießscheiben hervor, auf die die Soldaten feuerten. Weil sie zu langsam reagierten, sei eine Wiederholung der Übung angeordnet worden, sagte der Schütze. Nach dieser Wiederholung sei man besonders motiviert gewesen, seine Aufgabe gut zu machen. Da er Berufssoldat werden wollte, war eine gute Beurteilung bei der Gefechtsübung für ihn von Bedeutung. Als auf dem Übungsgelände deshalb eine vermeintlich weitere Schießscheibe hochsprang, habe er sofort geschossen. Ein tragischer Irrtum: Denn statt auf eine Schießscheibe feuerte der 23-Jährige auf einen Kameraden.

    Dem Prozess war ein langes juristisches Tauziehen vorausgegangen. Die Eltern des Getöteten kämpften für eine Verhandlung. "Die haben versucht, das unter den Teppich zu kehren", sagte Mutter Silvia Mattiza der Lausitzer Rundschau. Mit die meint sie die Bundeswehr und die Staatsanwaltschaft Schweinfurt, die nur zwei Monate nach dem Vorfall die Ermittlungen gegen den Sicherheitsoffizier mangels hinreichenden Tatverdachts einstellten. Mit einem Klageerzwingungsverfahren setzten sich die als Nebenkläger auftretenden Eltern schließlich jedoch durch. Das Oberlandesgericht Bamberg wies die Staatsanwaltschaft an, Anklage zu erheben.

    Den Eltern des getöteten Soldaten geht es vor allem darum, die Gefährlichkeit solcher Gefechtsübungen öffentlich zu machen. "Es wäre schon ein Erfolg, wenn wir erreichen, dass solche Übungen nicht mehr mit scharfer Munition durchgeführt werden", formuliert die Mutter des getöteten Soldaten ihre Erwartungen an den Prozess.

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