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Warum die Arbeit von Entwicklungshelfern gefährlicher geworden ist

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Warum die Arbeit von Entwicklungshelfern gefährlicher geworden ist

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    Steffen Horstmeier ist Landesdirektor für World Vision in Jordanien. Der 42-jährige verheiratete Vater eines einjährigen Sohnes kümmert sich momentan vor allem um die Versorgung syrischer Flüchtlinge, die vor dem Krieg ins Nachbarland geflohen sind.

    FRage: Herr Horstmeier, ist die Arbeit als Entwicklungshelfer gefährlicher geworden?

    Steffen Horstmeier: Ja, auf jeden Fall. Früher hatten Entwicklungshelfer einen fast mystischen Ruf. Man dachte, dass einem kaum etwas passieren könne, weil man in Gemeinschaft mit der notleidenden Bevölkerung lebte. Doch das hat sich geändert. In Konfliktregionen konnte man zwar schon immer ins Kreuzfeuer geraten. Zudem konnten Helfer den Zorn der Bevölkerung auf sich ziehen, wenn es einfach nicht genug zu verteilen gab. Relativ neu und sehr besorgniserregend hingegen ist, dass Entwicklungshelfer immer häufiger selbst zum Angriffsziel werden. Diesen Trend beobachten wir nicht nur in Konfliktregionen, sondern zunehmend auch nach Naturkatastrophen in Ländern, die bislang als relativ sicher galten.

    Woran liegt das?

    Horstmeier: Manche bewaffneten Akteure unterstellen vor allem westlichen Hilfsorganisationen, dass sie mit ihrer humanitären Hilfe eine versteckte politische oder religiöse Agenda verfolgen. Zudem sehen sie teilweise ihren Rückhalt in der Bevölkerung gefährdet, wenn die Notleidenden von Hilfsorganisationen versorgt werden. Deshalb versuchen Milizen bisweilen, die Arbeit der Helfer zu erschweren oder sie selbst zu übernehmen.

    Wie reagieren die Hilfsorganisationen auf die neue Bedrohung?

    Horstmeier: Wir können nur begrenzt gegensteuern. Als humanitäre Helfer werden wir uns natürlich nicht bewaffnen. Durch gute, politisch neutrale Arbeit versuchen wir, in Krisenregionen das Vertrauen aller Konfliktparteien zu gewinnen und zu halten. Werden die Risiken für unsere Mitarbeiter jedoch zu groß, bleibt uns in Ausnahmefällen nichts anderes übrig, als Programme auszusetzen oder sogar abzubrechen. Die Leidtragenden der zunehmenden Bedrohung sind also vor allem diejenigen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind.

    Ist der Schutz durch das Militär eine Lösung?

    Horstmeier: Nur sehr bedingt. Die halbwegs sichere Arbeit in Kriegs- und Krisenregionen ist nur möglich, wenn man als neutraler Akteur wahrgenommen wird. Wir können uns nicht von militärischen Einheiten beschützen lassen, die selbst in die Auseinandersetzung involviert sind, sonst würden wir selbst zum Teil des Konfliktes. Langfristig würde das unsere Sicherheit noch mehr gefährden. Ob bewaffneter Begleitschutz möglich und sinnvoll ist, muss deshalb im Einzelfall entschieden und immer wieder überprüft werden.

    Sie sind vor zwölf Jahren im heutigen Südsudan entführt worden. Was genau ist geschehen?

    Horstmeier: Wir haben während des Bürgerkriegs ein Programm zur Versorgung unterernährter Babys und Kleinkinder durchgeführt. Nachts wurde unser Camp von Rebellen überfallen. Die Angreifer waren sehr nervös, schossen wild um sich. Mein kenianischer Kollege wurde getroffen und starb. Ich bin verschleppt worden. Nachts sind wir marschiert, tagsüber haben wir uns versteckt. Wir hatten kein Wasser. In der zweiten Nacht wäre ich beinahe verdurstet. In der dritten Nacht sind meine Entführer von einer größeren Gruppe Bewaffneter angegriffen worden. Dabei wurde ich befreit.

    Haben Sie nach diesem grauenvollen Erlebnis darüber nachgedacht, sich einen sichereren Job zu suchen?

    Horstmeier: Nicht wirklich. Ich habe danach in Afghanistan, Pakistan, Ostkongo und Gaza gearbeitet. Aber ich habe aus der Entführung gelernt, dass für mich der Schutz des Lebens meiner eigenen Mitarbeiter immer Vorrang hat. Und ich trinke jetzt mehr Wasser als vor der Entführung. Foto: privat

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