Bei Theaterstücken stehen zunächst das Stück und die Schauspieler im Vordergrund. Besonders wichtig sind auch die Personen hinter den Kulissen. Sie werden gerne übersehen. Ohne sie gäbe es aber keine Aufführungen. Zu ihnen gehört Jutta Reinhard, seit 25 Jahren als Kostümbildnerin am Fränkischen Theater Schloss Maßbach tätig.
Die Großwenkheimerin hat in Schweinfurt eine Schneiderlehre absolviert. Auch vier Familiengenerationen vor ihr erlernten das Handwerk. Reinhard arbeitete nach ihrer Lehre eineinhalb Jahre in der Kleiderfabrik in Münnerstadt. Dann bekam die heute 49-jährige Mutter dreier erwachsener Kinder und begeisterte Sportschützin im Jahre 1984 einen Anruf von der damaligen Leiterin des Fränkischen Theaters, Liselotte Heinz. Ob sie vielleicht Lust hätte, ein bisschen für das Theater zu nähen, lautete die banale Frage. Jutta Reinhard sagte zu, und „dann bin ich ins kalte Wasser geschmissen worden“.
Sie wusste nicht, was auf sie zukommt. Und gleich das erste Stück sei ein Kostümstück mit dem Titel „Die Drillinge von Venedig“ gewesen, erinnert sich Reinhard. Es lief alles zur Zufriedenheit der Theaterleitung, und Jutta Reinhard kann jetzt auf ein in Theaterkreisen sehr seltenes Betriebsjubiläum zurückblicken.
Fast 20 Jahre war sie in Personalunion Schneiderin, Kostümbildnerin und Gewandmeisterin und für jedes Stück alleine zuständig. Seit einigen Jahren teilt sie sich die Stücke mit einer Kollegin. Die genaue Zahl weiß Reinhard nicht, aber in den 25 Jahren dürfte sie rund 2300 Kostüme angefertigt haben.
„Der Hauptmann von Köpenick“ war das aufwändigste Stück mit 22 Schauspielern und 77 Kostümen. Ein Ganzkörperkostüm mit blumenkohlartiger Wucherung und einzeln gebastelten Geschwüren habe sie schneidern müssen und dazu noch einen Fettanzug in dem Stück „Luzi und die Tanten“. Die Schauspielerin sollte 15 Kilogramm mehr an Körpergewicht vorweisen. „Einige Leute wunderten sich sogar über die schnelle Zunahme“, schmunzelt Reinhard.
Sechs Wochen hat Reinhard immer Zeit zum Anfertigen der Kostüme. In dieser Zeit muss sie den Text lesen, sich mit dem Regisseur besprechen, eigene Gedanken und Ideen entwickeln, wieder mit dem Regisseur sprechen und mit dem Bühnenbildner korrespondieren.
„Die Teamarbeit funktioniert sehr gut. Es ist ein kleines Haus, jeder kennt jeden“, sagt Reinhard. Wenn möglich werden Kostüme wiederverwendet. Das Fränkische Theater muss mit einem geringen Etat auskommen. Da ist es schon ein Kunststück, dass dennoch stets hoch qualifizierte Inszenierungen entstehen.
„Ein Kostüm muss ausdrucksstark sein, darf aber nicht aufdringlich wirken“, meint Dramaturg Sebastian Worch. „Auf der Bühne wird eine Geschichte erzählt, und die Kostüme müssen dazu passen.“ Schauspieler sollen immer stimmig aussehen.
„Das ist eine besondere Leistung von Jutta Reinhard“, lobt Worch die Kostümbildnerin. Große Wertschätzung kommt auch von Theaterchefin Anne Maar. „Die Doppelbegabung von Jutta Reinhard, ihre Kreativität und handwerklichen Fähigkeiten sind großartig. Ich bewundere und schätze ihre Arbeit sehr“, sagt sie.
In der langen Zeit bleiben Kuriositäten nicht aus. „Einmal musste ich während der Vorstellung von Räuber Hotzenplotz eine gerissene Hose wieder zusammennähen“, erinnert sich Reinhard. Ein andermal musste sie den Schauspielern ein vergessenes Kostüm nach Aschaffenburg nachfahren. Zu diesem Beruf gehöre eben viel Idealismus. Eine geregelte Arbeitszeit sei eher die Ausnahme.
Dennoch liebt Reinhard ihren Beruf, da er schön und abwechslungsreich ist und viele Freiheiten biete. Auch herrsche in einem kleinen Theater kein Konkurrenzkampf. „Hier in Maßbach ist es unter der Leitung von Anne Maar wie in einer großen Familie“, sagt Reinhard, die nie an einen Wechsel an eine größere Bühne gedacht hat. Als Voraussetzungen für ihre Tätigkeit nennt sie Kreativität, Flexibilität, handwerkliches Geschick und das schnelle Einstellen auf neue Ideen.
Man müsse aber auch kampferprobt und stressresistent sein, fügt Reinhard augenzwinkernd hinzu. Seit zwei Jahren bildet sie als Meisterin auch aus, denkt aber mit Sorgen an die Zukunft. Der Schneiderberuf werde wohl allmählich aussterben, da schon jetzt Ausbildungsplätze sehr rar seien.