„Es muss die Ostsee sein. Das hat sie sich gewünscht.“ Peter Greger aus Bad Brückenau erfüllt seiner Frau Emi den letzten Wunsch. Sie war am 2. Dezember gestorben. Schon vor Jahren hatten die beiden besprochen, dass sie sich eine Seebestattung wünschen. Emi wollte nicht die raue Nordsee, lieber die sanfte Ostsee, wo sie schöne Urlaube verbracht hatten, erzählt ihr Mann.
Am 10. Januar fährt Familie Greger ans Meer. Um kurz nach acht startet der Zug in Fulda. Ab Kiel fahren sie mit dem Bus nach Strande. Es ist ein kalter, grauer Tag. Die sieben Erwachsenen und zwei Kinder gehen mit Winterjacken und Mützen an Bord der MS Nordica. Eine halbe Stunde fährt das Schiff hinaus. Etwa zwei Kilometer südwestlich des Leuchtturms – am Übergang der Kieler Förde in die Kieler Bucht drosselt die MS Nordica ihre Maschine.
Familie Greger geht ans Achterndeck. Die Deutschlandflagge ist auf Halbmast gesenkt. Kapitän Gerd Ludwig hat die Urne bereitgestellt. „Die See ist groß und weit, sie verbindet Länder und Völker“, sagt er. „Man schließt Freundschaften, und man muss Abschied nehmen. Abschied von Emilie Greger.“ Dann öffnet er einen Bügel oben an der Reling und lässt die blaue Urne an einem Seil hinunter ins Wasser. Sie wiegt sich in den Wellen, bis sie nach wenigen Minuten untergeht. Die Schiffsglocke läutet vier Mal. Der Wind ist ruhiger geworden, für einen Moment hat der Himmel blaue Felder. Ein paar Sonnenstrahlen.
„Das war für mich ein wunderbares Erlebnis.“ Für Peter Greger stimmt die Entscheidung für die Seebestattung. „Es war windstill, ganz, ganz ruhig“, erzählt er zurück in Bad Brückenau. Sein Haus wirkt groß, überall Erinnerungen an seine Frau. In der Küche hängt ein Bild, dass seine Enkelin Sabine auf der Rückfahrt von Kiel gemalt hat. Sie hat ihrem Opa ein Lächeln ins Gesicht gemalt.
Peter Greger hat die Erlebnisse aufgeschrieben für seine beiden Enkel, die nicht dabei sein konnten, weil die Anreise aus dem Schwarzwald zu weit gewesen wäre. Die beiden Enkel, die dabei waren, hatten sich wie die Erwachsenen nicht genau vorstellen können, wie die Seebestattung vor sich geht. Alle haben es als wohltuend empfunden, als Familie an Bord zu sein, nur die drei Mann Schiffsbesatzung um sich zu haben. Es bleibt ein Gefühl, an jedem Wasser, an dem man steht, mit der Verstorbenen in Verbindung zu sein. Die Zahl der Seebestattungen nimmt zu, genaue Zahlen gibt es nicht, ist die Auskunft der Deutschen See-Bestattungs-Genossenschaft e.G. Sie sitzt in Kiel, vertritt 320 Bestattungsinsitute bundesweit und hat pro Jahr an die 2000 Urnen in der Ost- und Nordsee zu bestatten, sagt Ralf Paulsen vom Vorstand. Paulsen ist auch Bestatter in Kiel, etwa zehn Prozent seiner Kunden entscheiden sich für die letzte Ruhe im Meer.
Früher war genau vorgeschrieben, wo exakt eine Urne ins Meer hinabgelassen werden darf. Da die Urnen heute aus Material sein müssen, das sich in wenigen Stunden im Salzwasser auflöst, dürfen Seebestattungen über rauem Grund, wo nicht gefischt wird, und mindestens drei Meilen von der Küste entfernt stattfinden.
Die See-Bestattungs-Genossenschaft veranstaltet einmal jährlich Gedenkfeiern. Dann fahren Schiffe mit Angehörigen zu den Bestattungsfeldern aufs Meer. Auch Peter Greger plant, wieder mit dem Schiff an die Stelle der Seebestattung zu fahren. Dann will er Rosen mitbringen – vielleicht die, die seine Frau im Garten gezüchtet hatte.