„Asylbewerber brauchen mehr zum Leben als Wasser und Brot“, sagte Claudia Roth (Grüne) am Samstag in Würzburg. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, in einer Mannschaft Sport zu treiben. Die Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages besuchte den Sportverein Freie Turnerschaft Würzburg, der das Projekt „Sport ohne Grenzen“ vorstellte. In diesem werden Asylbewerber in die Mannschaften integriert.
Vereinsmitglied Stephan Rinke hatte vor mehr als einem Jahr die Idee zu diesem Projekt, als er bei einem Fest in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) in der Veitshöchheimer Straße zu Besuch war. „Wir haben sehr viel Glück, hier aufgewachsen zu sein“, sagt Rinke. Davon wollte er etwas zurückgeben, an Menschen, die vor Krieg und Unterdrückung geflohen sind. „Asylbewerbern geht es entgegen mancher Meinungen schlecht. Sehr schlecht.“
Keiner sollte wegen seiner Herkunft, Hautfarbe oder Ethnizität benachteiligt werden, fordert Rinke. Er zitiert eine Umfrage, nach der ein Drittel der Deutschen kein Asylbewerberheim in der Nachbarschaft wollen; die meisten hätten Angst, dadurch steige die Kriminalität. „Diese Menschen haben das Stigma, unserer Gesellschaft zu schaden.“ Mit dem Integrationsprojekt wolle man daher auch Überzeugungsarbeit leisten. „Die Asylbewerber beweisen in den Mannschaften oft eine bessere Zuverlässigkeit als manche Deutsche. Ich wünschte mir, dass alle so hilfsbereit und freundlich wären wie sie.“
„Vorurteile resultieren aus fehlendem Kontakt“, sagt Rinke, und Claudia Roth nickt bestätigend. „Wo Menschen die Schicksale, Fluchtgründe und Todesängste kennenlernen, herrscht eine ganz andere Stimmung“, ergänzt die Politikerin. Das Projekt des Sportvereins helfe, sich darüber Gedanken zu machen.
Madiama Diop gehört zum Projekt
Wie Rinke erklärt, biete der Verein mit „Sport ohne Grenzen“ eine sinnvolle Chance zur Beschäftigung an und ermögliche einen ungezwungenen Zugang zur deutschen Kultur. Damit den Asylbewerbern keine Kosten entstehen, wird das Projekt von der Stadt und zwei weiteren Sponsoren gefördert, insgesamt mit 4750 Euro bis Jahresende. Bezahlt werden damit die Sportausrüstung der Teilnehmer sowie die Mitgliedsbeiträge und – als größter Kostenpunkt – die Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr.
Inzwischen kommen zehn Asylbewerber regelmäßig zum Training und nehmen auch an den verschiedenen Wettbewerben teil. Bis auf 25 Teilnehmer ließe sich das Projekt ohne weiteres ausdehnen, betont Rinke.
Einer von ihnen ist der Senegalese Madiama Diop, der in der American-Football-Mannschaft Panthers spielt. Dass der 29-Jährige im August aufgrund der Residenzpflicht nicht zu einem Auswärtsspiel nach Bamberg fahren durfte, machte bundesweit Schlagzeilen. „Er hat der Residenzpflicht ein Gesicht gegeben“, sagt Roth. Diese findet sie „bekloppt und demütigend“ und fordert deren vollständige Abschaffung. Die Residenzpflicht sei Teil des „Prinzips der Anreizminderung“, meint Roth. Damit solle erreicht werden, „dass erst gar niemand mehr zu uns kommt“.
Dabei gebe es aktuell so viele Flüchtlinge wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. „Unsere Gesellschaft muss integrationsbereit sein“, fordert Roth. Den Flüchtlingen müsse ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden, wenn man es mit der im Grundgesetzt verankerten Würde des Menschen ernst nehme. Neben Bildung und einer Perspektive gehöre dazu auch, sich in einer Sportmannschaft betätigen zu können und nicht nur bei Wasser und Brot in überfüllten Unterkünften untergebracht zu werden. Der Verein habe mit dem Projekt viel dafür getan und gezeigt, was Willkommenskultur sei, lobt Roth. Und Rinke sagt: „Wir haben es in die Hand genommen und geändert. Jeder hat die Möglichkeit dazu.“