Das Gerät ist nicht größer als eine Zigarettenschachtel, aber es soll Dinge möglich machen, für die man bisher mehrere, weit größere Apparate braucht. Der CAVExplorer ist ein neuartiges Diagnosesystem für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Neue – und für den Patienten höchst Erfreuliche – ist, dass es nichtinvasiv funktioniert. Niemand wird gestochen oder gar aufgeschnitten.
Die Ärzte gewinnen ihre Erkenntnisse ausschließlich durch Messungen der Herzaktivität auf der Haut und mit Licht: Ein Clip schickt Licht entweder in den Finger oder ins Ohrläppchen des Patienten, und die Art, wie das Licht vom Gewebe gestört wird, erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand des Herz-Kreislauf-Systems.
Elektronischer Höhlenforscher
Der Kunstbegriff CAVExplorer steht für Cardio Vascular Explorer. Dass durch die Zusammenfügung der Buchstaben der englische Begriff Cave, also Höhle, entsteht, bereitet seinem Schöpfer Walter Kullmann besonderes Vergnügen. Kullmann ist Professor für Elektrotechnik an der FH in Schweinfurt, die mittlerweile Hochschule für angewandte Wissenschaften heißt. Die kleine zigarettenschachtelgroße Box, die er mit seinen Projektpartnern an diesem Nachmittag in Bad Kissingen vorstellt, ist das Ergebnis eines dreijährigen Projekts gemeinsam mit der Kissinger Firma Geratherm Respiratory GmbH und dem Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt.
An der FH fand die Grundlagenforschung statt, bei Geratherm die Entwicklung von Hard- und Software und am Leo die medizinische Evaluation, das heißt, die Tests am lebenden Objekt. Der CAVExplorer kann, so sagen seine Entwickler, einen Herzinfarkt erkennen. Er kann die Sauerstoffsättigung des Blutes und fortlaufend den Blutdruck messen. Und er kann die Steifigkeit der Blutgefäße analysieren, das heißt, er erkennt, wie weit eine etwaige Arterienverkalkung bereits fortgeschritten ist. So einfach das Prinzip klingt, so komplex ist die Auswertung der Daten, die das Licht dem Computer liefert. Dass Infrarotstrahlung die Sauerstoffbeladung der roten Blutkörperchen sichtbar machen kann, mag dem Laien noch auf Anhieb einleuchten. Aber „Analyse der Pulswelle“ klingt um einiges komplizierter. Gemessen werden Laufzeit und Geschwindigkeit des Blutes, das das Herz mit jedem Schlag in den Körper pumpt. Wo immer sich im Körper die Geometrie des Gefäße ändert, wo also Abzweigungen sind, da entsteht ein Rückfluss. Die Analyse dieses Rückflusses wiederum erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand der Gefäße.
Die Firma Geratherm Respiratory ist eine Tochter der Geratherm Medical AG. Sie besteht seit vier Jahren und hat sieben Mitarbeiter, unter ihnen Chefentwickler Manuel Heinz, wie seine Kollegen Absolvent der FH in Schweinfurt. Ihre Spezialität sind medizinische Geräte, die kleiner, preiswerter und leichter zu bedienen sind als herkömmliche Systeme, sagt Geschäftsführer Kuno Schäfer. Neun Produkte dieser Art bietet die Firma derzeit an, darunter etwa ein Lungenfunktionstest, dessen Bestandteile in eine Schachtel von der Größe eines Schuhkartons passen.
Daten per Internet zum Arzt
Oder der SRA-Rekorder, eine weitere kleine Box, die Vorhofflimmern und damit das Risiko eines Schlaganfalls erkennen kann, so die Entwickler. Das Gerät, Nebenprodukt des CAVExplorers, meldet seine Daten online an einen Analyse-Server, der wiederum mit dem Arzt verbunden ist.
Der Arzt Dr. Christoph Blank ist in der Medizinischen Klinik 1 von Professor Hubert Seggewiß am Leopoldina zuständig für Sportmedizin. Er testet den CAVExplorer regelmäßig – zuletzt unter Belastung an den Handballern des TV Großwallstadt, die dieser Tage wieder zum jährlichen Check-up da waren. Dass die neue Form der Diagnostik auf lange Sicht Eingriffe wie Herzkatheteruntersuchungen überflüssig macht, glaubt Blank eher nicht, obwohl er das System für vielversprechend hält. Es sei eine sehr gute Ergänzung der herkömmlichen Verfahren und besonders bei Belastungstests wertvoll. Da kann es nämlich störungsfrei und fortlaufend, also Schlag für Schlag, den Blutdruck messen, was mit der althergebrachten Manschette nicht möglich ist. „So bekommen wir sehr schöne Daten etwa zur Abklärung, ob eine Störung des Kreislauf-Regulationsmechanismus vorliegt.“
Blank sieht das Potenzial des CAVExplorer also vor allem in der Prävention. Zur Abklärung der Gründe plötzlicher Bewusstlosigkeit oder bei der Früherkennung einer Herz-Kreislauf-Problematik. Wenn es dann gelänge, etwa durch Veränderungen im Lebenswandel des gefährdeten Patienten, eine Besserung herbeizuführen, sei eine Katheteruntersuchung dann möglicherweise tatsächlich nicht mehr nötig.
Ein großes mögliches Einsatzfeld sieht Geratherm-Geschäftsführer Schäfer in der Tat beim Hausarzt im ländlichen Raum. So hat die Firma ein tragbares Kombi-Gerät entwickelt, das Lungenfunktionstest, SRA-Rekorder und CAVExplorer in sich vereint. Die Daten, die es ermittelt, schickt es im Falle etwa eines akuten Infarkts per Internet an die Klinik voraus, sodass dort alles bereits ist, wenn der Patient eintrifft.
CAVExplorer – die Förderer
Das auf drei Jahre angelegte und jüngst abgeschlossene Projekt „Nichtinvasive elektro-optische Frühdiagnostik und Online-Monitoring kardiovaskulärer Erkrankungen“ wurde kofinanziert vom bayerischen Wirtschaftsministerium über das Innovations- und Technologiezentrum Bayern (ITZB) und vom Fonds für regionale Entwicklung EFRE der Europäischen Union. Das Budget betrug 1,17 Millionen Euro. Die Projektpartner sind die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, die Firma Geratherm Respiratory GmbH, Bad Kissingen, und die Medizinische Klinik I am Leopoldina-Krankenhaus der Stadt Schweinfurt.