Die Wangen sind mit Asche beschmutzt, aber der Schornsteinfeger ist es nicht. Ein Hütchen mit Federn, die Armbrust über der Schulter, aber ein Jäger ist es nicht. Zum Dritten: Ein silbergewirktes Kleid mit Schleppen zum Ball, aber eine Prinzessin ist es nicht, mein holder Herr.“ Jedes Jahr, wenn Aschenbrödel mit diesen Worten über die Bildschirme flimmert, wissen wir, dass Weihnachten vor der Tür steht. Die tschechisch-deutsche Märchenverfilmung begeistert seit Jahren Millionen Menschen. Der Würzburger Medienpsychologe Prof. Dr. Frank Schwab erklärt, wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zu einem der beliebtesten Weihnachtsfilme werden konnte.
Frage: Den Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ darf man wohl getrost als Kultfilm bezeichnen. Was macht einen Kultfilm aus?
Frank Schwab: Es ist ganz schwierig, das zu sagen, weil der Begriff so facettenreich ist. Wissenschaftlich solide lässt sich mit dem Begriff kaum arbeiten. Aber man kann sagen, dass Kultfilme meistens irgendwie von den Normen abweichen und eine Fangemeinde haben. Diese Filme müssen auch gar nicht erfolgreich sein und es gibt kein im Film liegendes Definitionskriterium – man kann nicht sagen, die sind albern, man kann nicht sagen, die sind verrückt. Kultfilme sind eher ein Rezeptionsphänomen. Der Rezipient, also der Zuschauer, bestimmt was er für einen Kultfilm hält. Wenn eine Gruppe sich über Jahre für einen Film begeistern kann, dann bekommt dieser Kultfilmstatus.
Weshalb wird der Film immer noch so gerne angesehen, obwohl er schon Anfang der 1970er Jahre gedreht worden ist?
Schwab: Ich würde sagen, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist ein Sonderfall. Zum einen haben wir es mit einem Märchen zu tun. Und gerade diese Aschenputtel-Geschichte wurde ja schon mehrfach beackert. Die Geschichte befasst sich mit einem Kernproblem der damaligen Zeit, das wir auch heute noch finden – das Aufwachsen von Kindern bei Stiefeltern und die dadurch entstehende Bedrohung. Das ist ein Aspekt, der ein sich durch die Menschheitsgeschichte durchziehendes Problem darstellt. Zudem haben wir das Phänomen einer jungen Frau, die einen Partner sucht, also die Liebesthematik, die ganz wichtig ist und sich durch ganz viele Filme durchzieht. Sie haben ja kaum einen Film, in dem das keine Rolle spielt. Selbst bei „Herr der Ringe“ wurden Frauen hervorgehoben, damit das da ein Thema werden kann. Was diesen tschechischen Film noch einmal besonders auszeichnet, ist, dass in ihm das Aschenbrödel im Vergleich zum Original ziemlich selbstständig und aktiv ist. Für viele ist das eine Frauenfigur, mit der man sich eher anfreunden kann als mit dem Ur-Aschenbrödel, das ja eher passiv ist. Das Aschenbrödel hier, mit den drei Nüssen, das hat Macht. Also das ist jetzt keine, die „Emma“ lesende Feministin, aber es ist aktiver, als man es vielleicht erwarten würde.
Würden Sie sagen, dass die Menschen, die diesen Film anschauen, sich auf eine bestimmte Altersschicht oder soziale Gruppen einschränken lassen?
Schwab: Puh, schwierig. Aber wenn wir mal schauen, dass vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender den Film ausstrahlen, wissen wir, dass die Zuschauer durchschnittlich eher ein hohes Alter haben. ARD und ZDF kämpfen ja mit einer Überalterung ihrer Zuschauer. Deswegen würde ich sagen, es schauen sich viele ältere Leute an, ich sag mal eher Ü-60. Das erklärt ja aber noch nicht das Phänomen, dass anscheinend immer wieder Fans dieses Märchens nachwachsen. Natürlich werden das die Eltern ihren Kindern zeigen, dann schaut man das gemeinsam an und dann hat man so ein familiäres Gemeinschaftserlebnis. Daraus entwickelt sich eine Art Ritual und Tradition, und das ist ja auch ein Aspekt des Kultfilms.
Denken Sie, das ist der Grund, warum gerade zur Weihnachtszeit so viele Kultfilme im Fernsehen laufen?
Schwab: Ja, ich glaube schon. Die Kultfilme bringen die Familien zusammen vor den Fernsehschirm. Das wird zum Ritual. Gemeinschaftliche Wertvorstellungen werden da inszeniert erlebt und kommentiert. Früher hat man sich die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und sich darüber empört, dass Maria und Josef keine Herberge fanden. So ähnlich ist es ja auch, wenn man sich beim Aschenbrödel darüber aufregt, wie die Stiefmutter sich benimmt. Und alle sind sich einig. Gerade in den Vorweihnachtsfilmen werden oft Werte von Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft inszeniert. Das passt in die Weihnachtszeit.
Der Deutschen liebster Weihnachtsfilm - Infos
„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wurde 1973 vom tschechischen Filmstudio Barrandov gedreht. Drehorte waren das Schloss Moritzburg bei Dresden (Heimat des Prinzen), die Umgebung um die tschechische Burg Šviho (Hof der Stiefmutter) – am Rande des Pilsner Beckens – sowie die Stadt Klatovy. Für die Innenaufnahmen wurden ein Bauernhof in Deutschland, das Sächsische Landesgestüt in Moritzburg und vermutlich die Babelsberger Filmstudios genutzt.
Der Film, der nach Motiven des gleichnamigen Märchens von Božena Nìmcová, entstand, wurde in den Kinos der UdSSR erstmals am 1. November 1973 gezeigt, in der DDR im März 1974 und in der Bundesrepublik Deutschland am 19. Dezember 1974.
Die Filmmusik, die heute ebenfalls als Klassiker gilt, wurde von Karel Svoboda komponiert und vom Symphonieorchester Prag umgesetzt. In der deutschen Sprachversion des Filmes ist der Soundtrack durchgehend instrumental gehalten, während im tschechischen Original Karel Gott einige Lieder singt.
Aschenbrödel-Darstellerin Libuše Šafránková gelang mit dieser Rolle der internationale Durchbruch. Anfang der 1990er zog sie sich von Fernsehen und Theater zurück.
Aktuelle Sendetermine im Fernsehen:
Sonntag, 7. Dezember 2014:
14.20 Uhr (WDR).
Sonntag, 14. Dezember 2014:
13.25 Uhr (ARD); 16.30 Uhr (MDR).
Mittwoch, 24. Dezember 2014:
12.15 Uhr (ARD); 14.35 Uhr (WDR); 20.15 Uhr (Einsfestival); 21.12 Uhr (rbb).
Donnerstag, 25. Dezember 2014:
0.45 Uhr (hr); 1 Uhr (Einsfestival); 4.45 Uhr (Einsfestival); 8.35 Uhr (BR); 10.35 Uhr (SWR); 12.15 Uhr (Einsfestival); 12.30 Uhr (NDR).
Freitag, 26. Dezember 2014:
9 Uhr (rbb); 16.25 Uhr (MDR).
Quellen: www.drei-haselnuesse-fuer-aschenbroedel.de /Wikipedia