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HANNOVER: Erklärungsversuche kurz vor Mitternacht

HANNOVER

Erklärungsversuche kurz vor Mitternacht

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    Andreas Kümmert nahm die Wahl nicht an. Foto: Peter Steffen
    Andreas Kümmert nahm die Wahl nicht an. Foto: Peter Steffen

    Barbara Schöneberger bleibt es vorbehalten, die Stimmung nach diesem historischen Fernsehabend ein wenig aufzulockern. Mittlerweile ist es fast Mitternacht im Presseraum neben der TUI-Arena. Während die Verantwortlichen der ARD das Unfassbare, den Verzicht von Sieger Andreas Kümmert auf das Wien-Ticket, zu verstehen und zu erklären versuchen und bei den Journalisten dafür werben, in ihrer Berichterstattung jetzt bloß nicht die „neue Siegerin“ Ann Sophie zu vergessen, gibt sich die Moderatorin pragmatisch. Über viele Eventualitäten sei im Vorfeld der Livesendung gesprochen worden, aber dass der Sieger hinschmeißt, habe niemand vorhergesehen. „Es ist wunderbar, dass so etwas trotz aller Planung noch möglich ist.“ Davon lebe das Fernsehen schließlich.

    Für die Schöneberger wird es ein unvergesslicher 41. Geburtstag bleiben. Eine Stunde zuvor steht sie mit den beiden Finalisten im ESC-Vorentscheid auf der Bühne. Man wartet auf das Ergebnis. Andreas Kümmert zittert am ganzen Körper. Wegen des Fiebers. Wegen der Anspannung. Weil er da schon weiß, dass er nicht nach Wien fahren wird. „Ich bin nicht wirklich in der Verfassung, diese Wahl anzunehmen“, sagt er, als sein Sieg bekannt wird. Und weiter: „Ich gebe meinen Titel an Ann Sophie“. Schöneberger ist geschockt, reagiert aber glänzend auf diesen, wie sie sagt, „Coitus interruptus der schlimmsten Sorte“. Sekunden später kürt sie die neue Siegerin. Ann Sophie singt nun „unseren Song für Österreich“.

    Thomas Schreiber, der ARD-Unterhaltungschef, erklärt sie vor den Journalisten zu einer „würdigen Vertreterin Deutschlands zum 60. Geburtstag des Eurovision Song Contests“. Aber er ist Profi genug zu wissen, dass sich jetzt alle Fragen um Kümmert drehen. Wie konnte das passieren? War der Rückzug nicht absehbar? „Er wollte unbedingt dabei sein, er hat uns beeindruckende Demo-Bänder geschickt“, erzählt Schreiber. Natürlich habe man gemerkt, dass der Franke „ein bisschen kompliziert“ sei, aber Zweifel darüber hinaus habe es nicht gegeben. „Sein Auftritt war ja auch sensationell“, so der Unterhaltungschef. Offenbar erst in der Halle habe Kümmert aber realisiert, was bei einem Sieg auf ihn zukommen könnte. „Da gehört dann Mut dazu zu sagen, dass die Seele nicht kann“. Die Angst des Künstlers sei authentisch, bestätigt Schöneberger.

    Gefragt bei den Journalisten sind die Vertreter von Universal, Kümmerts Berliner Plattenfirma. Sie haben den Gemündener rund um die Sendung betreut, sind am nähesten an ihm dran. Manager Sigi Schuller, der lange in Würzburg gelebt hat, und „Selig“-Gitarrist Christian Neander betonen, Kümmerts Wunsch, am ESC teilzunehmen sei „sehr groß“ gewesen. Er habe sich unbedingt auf dieser Bühne beweisen wollen, habe intensiv an den Songs „Home is in my Hands“ und „Heart of Stone“ gearbeitet. „Er wollte nicht nur, er konnte es auch“, wie die Live-Acts bewiesen, „aber eben nur auf der Bühne“. Das Drumherum habe ihm Angst gemacht. Während des Auftritts in Hannover habe Kümmert gespürt, dass er seinem Traum nicht folgen könne. Schuller: „Er hat gemerkt, die Lampe ist zu groß, die da angeht“.

    Absehbar, beteuern die Universal-Leute, sei der Eklat nicht gewesen. Der 28-Jährige sei ein „verrückter Hund, kein einfacher Mensch“. Man habe aufgrund der Vorgeschichten nach dem Erfolg bei „The Voice of Germany“ gewusst, dass es schwierig mit ihm werden könnte, habe mit ihm auch darüber gesprochen. Aber er sei immer zuversichtlich gewesen, es beim ESC zu schaffen, so Schuller. Nach der Sendung habe man gespürt, dass eine „unheimliche Last“ von Kümmert abgefallen ist. Er habe nun vor allem Angst vor den Reaktionen im Netz. Deshalb habe man ihm geraten, sich zwei Wochen im Wald zu verkriechen, das Internet abzustellen und neue Lieder zu komponieren. An der Zusammenarbeit mit ihm halte Universal selbstverständlich fest. „Wir werden noch eine Menge von Andreas Kümmert hören“.

    Der Sänger selbst ist in diesem Augenblick längst auf der Autobahn in Richtung Heimat.

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