Der Orgelbauer Michael Schröder ist einiges gewöhnt. Aber ein so verschmutztes Instrument wie das im Würzburger Käppele? So etwas ist ihm in seinem Leben bisher nur an einem Ort unter die Augen gekommen – im rußigen Ruhrpott der 60er Jahre.
Schröder ist, wenn man es so will, die letzte Rettung für die Würzburger Käppele-Orgel. Im Februar dieses Jahres gab das Instrument den Geist auf. Nicht ein einziger Ton war mehr aus ihm herauszubekommen. Die Blasebälge, die die Luft in die Orgelpfeifen bringen sollten, streikten. Feinste Steuerungsventile waren verstopft. Und ausgerechnet die Würzburger Luft sollte schuld daran sein. Genauer gesagt, der Feinstaub in der Luft.
Als Schröder mit seinem Sohn anfing, die Käppele-Orgel zu überholen, war er erst einmal geschlagene zwei Wochen nur mit einem Staubsauger zu Gange – inklusive Gehör- und Atemschutz. Die Pfeifen, die Simse, die Verkleidung – alles war vollkommen verdreckt. Und staubt nun, während er am Reparieren und Restaurieren ist, schon wieder ein. Eine Sisyphos-Arbeit.
Die verschmutzte Luft im Käppele ist sogar zu sehen. In den Lichtstrahlen, die durch die Fenster hoch droben kommen, wabert der Dunst. Auf den weiß getünchten Wänden liegen dunkelgraue Schlieren. Die Engelsfiguren, die in luftigen Höhen auf den Simsen sitzen, haben kohlschwarze Rücken.
Woher der Feinstaub kommt, der der Orgel so zusetzt, weiß wohl niemand so genau. Johannes Grötzner, seit 1991 Organist im Käppele, vermutet, dass die Regenmangellage der Stadt und die trockenen Winde schuld daran sein könnten. Vielleicht auch der Kessel, in dem die Stadt liegt. Oder der feine Muschelkalk-Boden. Oder alles zusammen. Dass die Würzburger Luft aber schon immer schmutzig war, davon geht er aus. Schließlich war die allererste Reinigung der 1752 gebauten Käppele-Orgel bereits nach 16 Jahren fällig.
Um Schröder herum liegen Pfeifenputzer, Stahlwolle, Holzkisten und Orgelpfeifen in allen Größen. 1659 Pfeifen müssen geputzt und teilweise auch ersetzt, die Mechanik hergerichtet, der alte Klang wiederhergestellt werden. Eine Arbeit von knapp zwei Monaten. Vorangekommen ist man aber schon. Einige Pfeifen sind wieder eingebaut, die Windversorgung der Orgel funktioniert.
Eigentlich wollte man ja mit der Orgelüberholung warten, bis das Käppele ganz renoviert wird. Doch dafür war kein Geld da. So hat man sich erst einmal auf die streikende Orgel konzentriert. Schon allein die Arbeiten an dem Instrument verschlingen nun 40 000 Euro, finanziert aus Zuschüssen des Ordinariats und Spenden.
Grötzners wichtigste Forderung für die Überholung des Instruments: Die Orgel soll nicht verändert, sondern klanglich so erhalten werden, wie sie früher war. Da er wusste, dass Schröder das umsetzen kann, ließ er ihn aus dem knapp 300 Kilometer entfernten Bad Salzuflen holen.
Schröder nimmt nun übers Wochenende neue und alte Pfeifen mit nach Hause, stimmt ihren Klang aufeinander ab und baut sie dann in Würzburg wieder ein. Einige Pfeifen sind schon wieder spielbar. „Sie hören jetzt das Gleiche wie die Leute 1752“, sagt er und drückt ein paar Tasten auf dem Orgel-Manual. Satte, wuchtige Töne erklingen. Schröder grinst zufrieden.
Die Käppele-Orgel ist eine der am meisten gespielten Orgeln in Würzburg. Im Sommer ist sie beinahe jeden Tag in Gebrauch. Unter der Woche gibt es täglich Gottesdienste, samstags oft drei Hochzeiten und an den Sonntagen sowieso drei Gottesdienste. Dazu noch Wallfahrten und Gruppenreisen. Kein Wunder, dass das Instrument so schnell wie möglich wieder betriebsbereit sein soll. Die kleine Ersatzorgel ist eben doch nur zweite Wahl.
Spätestens am 22. Juli um 17 Uhr müssen die Arbeiten fertig sein, da wird die neue alte Orgel in einem großen Festgottesdienst gefeiert. Aber Schröder tröstet schon einmal: Aller Voraussicht nach werde man sogar ein paar Tage früher fertig.