Nein, diese Frau ist nicht zu übersehen. Makelloses Make-up, schickes Kostüm, elegant bestrumpfte Beine. Mit einer riesigen roten Handtasche läuft die zierliche Kristina Schröder durch Gemündens Scherenberghalle (Lkr. Main-Spessart). Mit der rechten Hand schüttelt sie Hände, mit der linken hält sie die Tasche fest. Rote Handtaschen, so verspricht die Werbung, sind modische Hingucker, die nicht zu übersehen sind. Dass Kristina Schröder in Gemünden nicht übersehen wird, liegt gewiss nicht an der Tasche, sondern daran, dass sie der Stargast beim Neujahrsempfang der örtlichen CSU ist.
Es ist ordentlich was los bei diesem Empfang, und die erste halbe Stunde vergeht mit der Begrüßung lokaler Prominenz. Schröder ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht da. Nicht, dass die Bundesfamilienministerin so etwas langweilen würde, sie ist ein alter Hase im Geschäft und weiß, wovon Veranstaltungen wie diese leben: von lokaler Prominenz.
Dennoch erwarten viele sehnsüchtig die Ankunft der Ministerin, schließlich ist das ja schon ein bisschen so wie Gala lesen. Wie ist die Frau so? Wie sieht sie in echt aus und was hat sie uns zu sagen? Uns, hier im Spessart. Schröder hat einiges zu sagen, doch erst einmal gibt es kurzen Smalltalk an der Eingangstür. Ob die Anreise gut gelaufen sei. „Och ja, wir sind ganz schnell hierher gepest“, sagt Schröder, die wegen dieser oft schnoddrigen Formulierungen anfangs häufig in der Kritik stand. Ihr beliebter Redesatz „Egal wie man es als Frau macht, es ist immer falsch“, bringt ihr immer ein paar Lacher ein. Es ist aber auch ein Satz, der sie persönlich seit Amtsantritt begleitet und ebenso heißen könnte: „Egal, was die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sagt und macht, es ist immer falsch.“
Dass das zutiefst ungerecht ist, wissen auch ihre Kritiker. Dennoch findet sich fast kein Artikel mehr, der nicht mit hämischen oder bösartigen Kommentaren versehen wäre. „Das Blödchen“ war in der jüngsten Diskussion um die Frage, ob es nun der Gott oder das Gott heißen müsse, noch eine der harmloseren Bezeichnungen für eine junge Ministerin, deren Ansichten bei genauerer Betrachtung gar nicht so blöd sind. Beispiel: Minijobs. „Die meisten Frauen wollen nach der Babypause in Teilzeit arbeiten und landen in einem Minijob“, beklagt Schröder in dem aktuellen Buch „Mama zahlt“ und macht sich stark für gut bezahlte Teilzeitarbeit.
Die Abschaffung der Präsenzpflicht in deutschen Firmen sei dabei ein entscheidender Faktor. Schröder wird später in ihrer Rede darauf eingehen. „Es ist erwiesen, dass all jene, die um 17 Uhr gehen müssen, weil sie ihr Kind abholen müssen, wesentlich effizienter arbeiten. Dumme Sprüche von Vollzeitkollegen sind da ganz und gar unangebracht!“ Ist Schröders Handtasche also doch symbolisch gemeint? Mit einer roten Handtasche pflegen Frauen an jedem 23. März gegen den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen zu demonstrieren.
Fest steht: Kristina Schröder spricht vielen Frauen aus der Seele. Bloß merken sie es nicht. Kommt Schröder ins Spiel, haben die meisten die neuesten Schlagzeilen im Kopf, darüber hinaus allerdings keine weiteren Informationen oder Meinungen. Wer etwa das ganze Interview über Gott und die Welt und ihre persönliche Art der Erziehung liest, wird sich wundern, wie ein einziger, locker und passend in die Runde geworfener Satz solch einen Wirbel verursachen und sogar Berater des Vatikans zu aggressiven wie beleidigenden Äußerungen hinreißen lassen konnte.
Doch Kristina Schröder ist längst nicht mehr das Küken, das unbedarfte kleine Mädchen im großen Ministersessel. Wenn sie verletzt ist, lässt sie sich das nicht anmerken. Gerade läuft sie selbstbewusst nach vorne, stellt ihre rote Tasche ab. Dann hört sie den Kindern des örtlichen Kindergartens beim Singen zu. Kristina Schröder lächelt. Die gebürtige Wiesbadenerin kniet sich später zu den Kleinen hin, bedankt sich. „Das habt ihr ganz toll gemacht!“ Ob sie dabei an Lotte, ihre einjährige Tochter denkt? Die Journalisten, so erzählt Schröder später, würden immer geschickter, wenn es um ihr Privatleben ginge: „Und, wie geht es Lotte?“ Dann antworte sie immer: „Lotte macht uns sehr viel Freude und viel Arbeit – und zwar genau in der Reihenfolge.“ Ministerin Schröder will nicht als Leitbild stehen, an dem sich Frauen orientieren sollen. „Jemandem vorzuschreiben, wie das ideale Familienleben auszusehen hat, ist völlig falsch.“ Nach ihrer Rede und den Eintrag ins Goldene Buch der Stadt marschiert sie hinaus. Ihre Handtasche und das begeistert applaudierende Publikum fest im Griff.