Im Schweinfurter Rotlichtprozess ist Bordellchef Michael G. am Montag vom Landgericht wegen einer „beispiellosen Serie schwerwiegender Straftaten“ zu sieben Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Der 39-Jährige habe, so Vorsitzender Erik Ohlenschlager in seiner zweistündigen Begründung weiter, im Innenstadtpuff ein anderthalb Jahre dauerndes Schreckensregime aufgebaut und bei den Opfern – großteils Prostituierte aus Thailand und Osteuropa – „Blut, Tränen und Schmerzen“ hinterlassen.
Es ist der 31. Verhandlungstag im bundesweit beachteten Prozess, der im Dezember 2013 begann. Saal 4 ist voll besetzt. Im Publikum sind viele Medienvertreter. G. erscheint wie immer im schwarzen Anzug, ein weißes Hemd verdeckt die Tattoos an Armen und Hals. Das Urteil nimmt er ohne Regung auf. An einigen Stellen grinst er und spricht mit seinen Anwälten Michael Schulze (Schweinfurt) und Nikolaus Gwosdek (Würzburg). Die hatten sechs Jahre Haft als ausreichend erachtet, Ankläger Johannes Koscheck hatte acht Jahre gefordert.
Über 40 Punkte umfasste die Anklage. Das Gros der Straftaten ging zu Lasten von G., einige wenige beging ein Aufpasser, der am Montag zu drei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde. Im Prozessverlauf musste mangels Beweisen die Hälfte der Vorwürfe fallen gelassen werden, darunter die gravierenden Punkte Menschenhandel und Freiheitsberaubung. Es verblieben 21 Fälle, die G. großteils eingestand oder die ihm nachgewiesen wurden. Sie reichen von räuberischer Erpressung und vielfacher gefährlicher Körperverletzung über Nötigung, Bedrohung und Beleidigung bis hin zu Drogenmissbrauch und Anstiftung zur Vergewaltigung.
Diese war der zentrale Vorwurf, in der Anklage Nummer 16. Der Boss, der sich laut Ohlenschlager „nach Gutdünken und willkürlich als absoluter Herrscher“ aufführte, hatte einmal mehr eine der Frauen zur Freundin erklärt, mit natürlich kostenfreiem Geschlechtsverkehr. Die Prostituierte mit dem Künstlernamen „Li“ verlangte aber für ihren Dienst 50 Euro. Das brachte den Chef in Rage. Er verdrosch die Thailänderin mit großer Brutalität, forderte unter Androhung weiterer Schläge nun von ihr 50 Euro und veranlasste zwei Prostituierte auf, die Kollegin zu schlagen. Doch damit nicht genug. Um seine Macht zu demonstrieren, forderte er den Aufpasser auf, sie zu „packen“, was das Gericht als eindeutige Anstiftung zur Vergewaltigung bewertete. G. und der Aufpasser hatten in diesem Punkt vehement widersprochen. Die Aussage von „Li“ sei aber absolut glaubhaft und durch Beobachtungen anderer Prostituierter bestätigt, sagte Ohlenschlager. Die Vergewaltigung einer schwer verletzten, zierlichen Frau durch den kräftigen Aufpasser stufte der Vorsitzende als „menschenunwürdig, rücksichtlos und schäbig“ ein.
G. habe Frauen als Ware und Leibeigene angesehen. Sie hatten sich ihm zu unterwerfen. Wer gegen die oft eigenartigen Regeln verstieß, bekam Strafen, oft Schläge, aber auch andere Sanktionen hatte der „Chef“ im Repertoire.
Weil eine illegale Prostituierte bei einer Polizeikontrolle nicht rechtzeitig versteckt werden konnte, setzte es massive Prügel für mehrere Frauen. Eine bekam im „Blauen Zimmer“ noch eine Zusatzbehandlung durch den Boss. Wegen der Brutalität erlitt sie Atemnot, fürchtete um ihr Leben – wie andere Frauen bei anderen Vorfällen. Deshalb hatte das Gericht bei den Aussagen der völlig verängstigten Prostituierten im Gericht besondere Sicherheitsmaßnahmen angeordnet.
Wegen eines Regelverstoßes mussten zwei Frauen 1000 Euro zahlen. Bis das erledigt war, behielt der Boss ihre Pässe ein. Eine zahlte in Raten, die andere musste die Strafe „abarbeiten“. Im Puff galt 50:50. Es dauerte, bis die Prostituierte ihre „Schuld“ beglichen hatte.
Eine Prostituierte hatte mit einem Freier an der Bar zu viele Worte gewechselt – sie wurde mehrfach zu Boden geschlagen; eine Frau hielt sich zu lange in der Stadt auf – Schläge; eine telefonierte mit einer Freundin– Prügel. Auch einen zweiten angeklagten Aufpasser, 32, hatte der Chef einmal wegen einer Lappalie schrecklich verdroschen. Das Verfahren gegen dieses „kleine Licht“ war abgetrennt worden, der Mann erhielt zwei Jahre zur Bewährung.
G. und der nun verurteilte Aufpasser befinden sich seit August 2013 in Untersuchungshaft. Die Haftbefehle bleiben bestehen. G. wird nach Verbüßen von noch knapp einem Jahr im Gefängnis wegen seiner Kokainsucht in eine Entziehungsanstalt wechseln, wo er mindestens zwei Jahren verbleibt. Die Anwälte von G. werden das Urteil wohl akzeptieren, Rechtsanwalt Werner Weber wird es für den Aufpasser vermutlich anfechten.