Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
ZZ Fallback
Icon Pfeil nach unten

MARKTHEIDENFELD: Mit dem Ruderboot von London nach Istanbul

MARKTHEIDENFELD

Mit dem Ruderboot von London nach Istanbul

    • |
    • |
    Passiert gerade Mainfranken: Der Venezianer Giacomo De Stefano (vorne) mit seinem Ruder- und Segelboot und seinen Begleitern auf dem Main bei Lohr (Lkr. Main-Spessart). Er ist auf dem Weg von London nach Istanbul.
    Passiert gerade Mainfranken: Der Venezianer Giacomo De Stefano (vorne) mit seinem Ruder- und Segelboot und seinen Begleitern auf dem Main bei Lohr (Lkr. Main-Spessart). Er ist auf dem Weg von London nach Istanbul. Foto: Foto: J. Schwamberger

    Es ist kein Hausboot, wird aber bis Ende Oktober sein Heim sein: Giacomo De Stefano schläft in seiner kleinen hölzernen Nussschale, kocht dort oft Spaghetti Bolognese, braut sich Kaffee – und er segelt, wenn keine Flaute seinen Fortbewegungsdrang dämpft. Ansonsten rudert er. Nachts spannt er eine Zeltplane über sein Gefährt. Die schützt ihn vor Regen und Kühle. Einen kleinen Holzofen hat er sich von einem Klempner aus einem Metallfass herrichten lassen. Giacomo De Stefano ist auf großer Tour: von London nach Istanbul.

    Ende April legte er auf der Themse in London ab und durchquerte den Ärmelkanal. Ende Oktober will er in der türkischen Metropole endgültig anlegen. Dazwischen macht(e) er nach jeder Tagesreise Station an den Gestaden des Marne-Kanals in Frankreich oder ab Straßburg am Rhein. In Mainz bog er dann nach rechts in den Main und steuert jetzt Main-Donau-Kanal, Donau und Schwarzes Meer an. „Man on the River“ („Mann auf dem Fluss“, d. Red.) nennt er seine Aktivitäten in Sachen Wasserschutz.

    13 Länder werden durchquert

    Insgesamt 13 Länder durchquert Giacomo auf seiner Tour: England, Frankreich, Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien, Ukraine und die Türkei.

    „Flüsse sind der Abladeplatz für urbanen und industriellen Müll“, klagt er. Mit „Man on the river“ möchte er wieder auf Europas Wasserwege aufmerksam machen. Seine Reise soll auf neue wirtschaftliche Möglichkeiten hinweisen und eine Form von respektvollem und nachhaltigem Tourismus darstellen. Giacomo zeigt, dass es nicht nur möglich ist, die Natur zu respektieren und mit wenig Mitteln zu reisen, sondern auch, dass diese Form zufriedenstellender als gängige Arten des Reisens ist.

    Seine Mission ist durchaus hehr und verdient Respekt, wenngleich der Erfolg im Grunde schwer messbar ist: Giacomo möchte die Menschen entlang der Flüsse aufrütteln und ihnen den Weg zur Natur, in diesem Fall zum Wasser als unersetzliche Lebensader weisen. Auch daheim in Venedig lebt er auf einem Hausboot.

    „Natur zurück zum Menschen, Mensch zurück zur Natur. Mensch zurück zum Menschen. Für einen neuen Menschen.“ So beschreibt Giacomo das, wofür er sich – wieder einmal – ausgeklinkt hat aus dem Alltagstrott.

    Früher scheute er sich nicht, sein Auskommen als Tellerwäscher oder Hundesitter zu verdienen. Geld, mit dem sein Projekt finanziert, hat er als Architekt und Kunsthändler gemacht. Aber er braucht ja nicht viel in seinem schwimmenden Schlafzimmer. Mancher am nassen Wegesrand lädt ihn auch zur Vesper ein.

    Seine Botschaft über den Segen reinen Wassers teilt der 45-jährige Italiener den Leuten mit, die er bei seinen meist abendlichen Stopps in dem einen oder anderen Schutzhafen, an den Anlegestellen oder sonst wo trifft. Wenn er Glück hat, kann er es in Italienisch tun, weil er nur seine Muttersprache perfekt beherrscht. Er verständigt sich aber auch lebhaft oft in radebrechendem Englisch oder in internationaler Hände-und-Füße-Sprache.

    Giacomo De Stefano selbst bezeichnet sich als Weltreisenden in Sachen Umwelt. Wasser bedeutet für ihn Leben, und die Menschen sollen erkennen, dass sie wieder ein vernünftiges Verhältnis zum Wasser aufbauen und ihre Einstellung zur Natur verbessern müssen, um das Überleben der Menschheit auf Dauer zu gewährleisten.

    In Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) war am Montag der Biergarten ein idealer Erholungs- und Kommunikationsplatz für ihn, seinen Begleiter Paolo (55) und dessen 14-jährigen Sohn Massimo, die auf einem leidlich motorisierten Begleitschiffchen „Geleitschutz“ gewähren, falls mal irgendwas mit ihm oder seinem hölzernen derzeitigen Lebensmittelpunkt passiert.

    Begleiter Paolo dreht auch einen Film über den 5200 Kilometer langen „Wasser-Marsch“ für RAI 5, den Kulturkanal des italienischen Fernsehens. Für einige Tage war auch der Hanauer Journalist Holger Hackendahl mit auf dem Tender-Schiff. Er dokumentiert die Europareise für verschiedene Printmedien.

    Den verregneten Dienstag verbrachte das Team in Lohr, am Mittwoch ruderte Giacomo bis nach Wernfeld. Zellingen widmet er einen längeren Aufenthalt. Dort hat er nämlich Bekannte.

    Welche Strecke er an einem Tag zurücklegt und wo er überall anlegt, weiß er nicht. Das Wetter oder die persönliche Verfassung sprechen manchmal ein Machtwort. Gestartet war der 45-Jährige eigentlich schon letztes Jahr. Regen und Wind bescherten ihm aber eine Lungenentzündung und vier Monate Aufenthalt im Krankenhaus. Deshalb wagte er im April dieses Jahres, abermals in London, einen zweiten Anlauf. Wieder dort, wo die beiden Universitäten Oxford und Cambridge ihr legendäres Ruder-Wettrennen austragen.

    Ruhetage in Bamberg

    Wenn er sich Regen wünschen könnte, dann in Bamberg. Dort erwarten ihn viele Landsleute, die er von früher kennt. Ein paar Ruhetage bei Frankenbier und ebensolchen Knödeln würde er gerne einlegen.

    Das Schiffchen ließ Giacomo eigens für sich bauen, und zwar aus alten Holzbalken, die einst einem venezianischen Bürgerhaus Halt und Festigkeit verliehen hatten.

    Die Fahrt auf der Donau ab Kelheim dürfte aller Voraussicht noch relativ ruhig verlaufen. Stürmischer könnte es auf dem Schwarzen Meer werden. Ab Anfang, Mitte Oktober ist das Wetter aber fast unberechenbar da unten, bis kurz vor Istanbul . . .

    Über das Projekt „Man on the river“ kann man Näheres nachlesen im Internet unter manontheriver.com

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden