Wer in Unterfranken Dialekt spricht, muss sich nicht verstecken. Im Gegenteil: Hierzulande wird viel selbstbewusster mit Mundart umgegangen als noch vor 15 Jahren. Das erklärt Professor Norbert Richard Wolf, seines Zeichens Dialektforscher und Leiter des Unterfränkischen Dialektinstituts an der Universität Würzburg.
Schon ein Blick in die Familien und Schulen der Region verrate, woran es liegen könnte, dass Fränkisch wieder salonfähig ist. Bis in die späten 60er Jahre sei Dialekt vielerorts verpönt gewesen, erzählt Wolf. Das hätten die Kinder natürlich auch in der Erziehung zu spüren bekommen. Mundartsprache habe man als Verstoß gegen die Norm verstanden, gefärbte Sprache wurde sofort korrigiert. „Sprich schön!“, bekamen die Kinder zu hören.
Nicht so heute. Jetzt baue man auf Dialektkompetenz auf. Will heißen: Man vermittle den Kindern nicht, ihr Dialekt sei etwas Schlechtes. Stattdessen bringe man ihnen bei, dass es von der Situation abhängt, ob ihr Dialekt oder doch lieber Hochsprache angemessen ist. Mundart und Hochdeutsch werden nebeneinander gefördert. Ein Kind, so Wolf, könne im Idealfall also mehrere Varianten einer Sprache sprechen. Diglossie heißt das im Fachjargon.
Auch wenn es keine Zahlen darüber gibt, wo in Unterfranken noch wieviel Dialekt gesprochen wird, scheint es um das „weiche D“, das „weiche B“ oder andere Dialektbesonderheiten dennoch rosig bestellt zu sein. Besonders auf den Dörfern unserer Region werde noch Mundart gesprochen, bestätigt Wolf. Es sei zwar nicht mehr der Dialekt, den die Großeltern benutzt haben, aber auf jeden Fall eine Art von Dialekt.
Anders die sogenannten „Mischgebiete“, wie zum Beispiel Würzburg: Hier komme es tendenziell zum „Dialektabbau“. Denn beispielsweise die Universität ziehe viele Menschen aus anderen Gegenden Deutschlands an – mit ihrer ganz eigenen Sprachfärbung.
Ob das jetzt gut oder schlecht ist, mag Wolf nicht beurteilen. „Es ist einfach so“, sagt er. Seine These steht jedoch fest: „Dialektgebrauch darf man nicht absolut sehen. In unserer modernen Gesellschaft ist es dringend notwendig, auch Hochdeutsch zu sprechen.“
Wie es um die Sprachkompetenz bayerischer Kinder steht, das will das Bayerische Familienministerium mit einem Beobachtungsbogen für Kindertageseinrichtungen herausfinden. Doch die Art, wie mit den erhobenen Daten umgegangen wird, erntet auch Kritik. Sepp Obermeier, Vorsitzender des Bundes Bairischer Sprache, erklärte jüngst, der Fragebogen könnte genauen Aufschluss darüber geben, wie viele Kinder in Bayern noch Dialekt sprechen und wo Dialekt verloren geht – wenn das Staatsministerium die Daten denn preisgeben würde. Das aber gehe aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht, habe man der Presse gegenüber verlautbaren lassen.
Im Fragebogen, den die jeweiligen Erzieher oder Erzieherinnen ausfüllen, soll unter anderem beurteilt werden, wie intensiv ein Kind Dialekt spricht beziehungsweise ob es auch ins Hochdeutsche umschalten kann. Wenn man diese Daten zur Verfügung stellen könnte, käme das einem „Meilenstein“ für den Erhalt der Dialekte in Bayern gleich, so Obermeier. So stochere man nur im „sprachkulturellen Nebel“ herum. Denn aktuelle Daten zu Dialektsprechern in Bayern gebe es nicht. In den Regionen, in denen der Dialekt vom Aussterben bedroht ist, könnte man dann mit Maßnahmen eingreifen. Das sei dort der Fall, wo weniger als 30 Prozent der Kinder noch aktiv Dialekt sprechen.
In Unterfranken kann von einem Dialekt-Rettungsschirm jedenfalls noch nicht die Rede sein. Das erklärt der Würzburger Wissenschaftler Wolf. Das sogenannte „Unterostfränkisch“, das man zwischen Spessart und Steigerwald spricht, sei noch lange nicht von der Bildfläche verschwunden. Aber Wolf macht auch klar: „Wenn ein Dialekt ausstirbt, muss man es so hinnehmen.“ Eine Sprache der Heimat werde es allerdings immer geben.