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WÜRZBURG: Richter sprach dem Reitverein seiner Frau Bußgelder zu

WÜRZBURG

Richter sprach dem Reitverein seiner Frau Bußgelder zu

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    Der Würzburger Richter soll allerdings ebenso auch andere Vereine bedacht haben, die in einer offiziell dafür vorgesehenen Liste der Justiz stehen. Der Reitverein seiner Frau und Tochter bietet therapeutisches Reiten für behinderte Kinder an.

    Das Polit-Magazin Report aus Mainz enthüllte den Fall nach entsprechenden Tipps und berichtet darüber am Dienstagabend. Die Ehefrau des Richters, von der er allerdings getrennt lebt, ist Schatzmeisterin in dem Reitverein, die Tochter Geschäftsführerin. Der Fall wurde am Dienstag durch eine Vorabmeldung des Bayerischen Rundfunks bekannt und sorgte für erhebliche Aufregung im Landgericht, obwohl bereits seit Tagen hinter vorgehaltener Hand darüber geredet worden war.

    Wer den Strafrichter angeschwärzt hat, ist bisher nicht offiziell bekannt. „Ob überhaupt ein Straftatbestand vorliegt, darf man stark bezweifeln“,  sagte am Dienstag ein ranghoher Jurist:  Zum einen hat der für seine unverblümte Art bekannte Richter selbst nie öffentlich einen Hehl daraus gemacht, dass er diesen Verein – ebenso wie andere – für geeignet hält. Zum zweiten steht der Verein seit 2007 auf der Landgerichts-Liste, aus der alle Richter auswählen können. Die Spenden sollen 2008 bis 20012 erfolgt sein.  Allerdings hatte es nach Beobachtung von Gerichtsreportern immer wieder Proteste von Anwälten  gegeben, die offenbar die familiäre Verknüpfung kannten und darauf hinwiesen, dass auch ihre Fußball- oder Tennis-Vereine Geld gebrauchen könnten.

    Der Richter selbst äußerte sich bislang nicht zu dem Vorfall.  Allerdings verteidigt seine Ehefrau im Gespräch mit "Report Mainz" die Zuweisungen. Sie erklärt, ihr Mann kenne den Verein gut und habe ihm deshalb das Geld zugewiesen. Dies sei sehr wichtig für den Verein.

    Der Vizepräsident des Landgerichts, Burkhard Pöpperl, erklärte am Dienstag auf Anfrage dieser Zeitung:  Die Spitze des Landgerichts habe „eine Stellungnahme des betroffenen Richters eingeholt“. Er habe zugegeben, dem Reit- und Fahrsportverein Würzburg  Geldauflagen zugesprochen zu haben. Daneben habe er „im selben Zeitraum aber auch anderen gemeinnützigen Vereinen wie dem Erthal-Sozialwerk, der Lebenshilfe Schweinfurt, dem Kinderzentrum Zellerau, dem Deutschen Kinderschutzbund und anderen Einrichtungen Gelder zugewiesen“, betont Pöpperl.  Der Richter habe „häufig bewusst regionale gemeinnützige Vereine ausgewählt, damit die Geldauflagen auch regional verwendet würden“.

    Das Landgericht Würzburg hat nach der Anfrage des Fernseh-Magazin dennoch ein dienstaufsichtsrechtliches Verfahren eingeleitet, bei dem alle Zahlungsanweisungen untersucht werden. Wie das Bayerische Justizministerium mitteilte, dürfe nicht der geringste Anschein von Parteilichkeit oder Vetternwirtschaft erweckt werden.

    Anna Maria Stadler, die Präsidentin des Landgerichts Würzburg, nimmt diesen Fall - auch auf Bitte des Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg, Clemens Lückemann - zum Anlass, die Richterinnen und Richter „noch einmal dahingehend zu sensibilisieren, dass bei der Zuweisung von Bußgeldern und Geldauflagen schon jedweder Anschein vermieden werden muss, dass sachfremde Motive in die Entscheidungen einfließen könnten“. Daher müssten „in jedem Fall Zuwendungen an Vereinigungen vermieden werden, zu denen persönliche Beziehungen bestehen“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Dienstag.

    Recherchen von "Report Mainz" gehen dem Verdacht nach, dass Richter und Staatsanwälte bei der Verteilung von Geldern immer wieder auch persönliche Interessen im Blick haben. Konkret geht es dabei um Bußgelder, die Angeklagte bei Einstellung eines Verfahrens bezahlen müssen. Dieses Geld, das laut einer Verwaltungsvorschrift eigentlich für gemeinnützige Vereine und Organisationen im Bereich der Jugend-, Gefangenen- und Opferhilfe bestimmt sei, lande oft bei Vereinen, die sich um andere Belange kümmern. Das sollen interne Listen belegen, die "Report Mainz" aus insgesamt neun Bundesländern vorliegen.

    Auffällig ist unter anderem auch der "Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr" (B.A.D.S.). Mit jährlich rund 1,3 Millionen Euro gehört der hauptsächlich von Juristen geführte B.A.D.S. zu den größten Beziehern von Bußgeldern. Die hohen Summen aus Geldzuweisungen erklärte der Präsident Peter Gerhardt mit "guten Kontakten" zu Richtern und Staatsanwälten. Bereits in den 1970er Jahren war der B.A.D.S. in die Schlagzeilen geraten. Damals stellte sich heraus, dass Mitglieder ihrem eigenen Verein Geld zugewiesen hatten, das sie sich selbst für Vortragstätigkeiten ausbezahlten.

    Ein Zustand, den Peter Itzel, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht in Koblenz, im Gespräch mit "Report Mainz" scharf kritisiert: "Wenn ich just dem Verein Bußgelder zukommen lasse, von dem ich wiederum nicht unerhebliche Geldbeträge zurückgeführt bekomme, das halte ich in höchstem Maße für problematisch", sagt Itzel. Er plädiert für mehr Transparenz bei der Verteilung von Geldzuwendungen und fordert, dass Richter und Staatsanwälte genau begründen müssten, wem sie Geld anweisen. Das deutsche System der Geldzuweisungen, so Itzel, habe "einige große Schwächen".

    Neben dem Würzburger Reitverein und dem B.A.D.S. tauchen auf den Listen der Bundesländer zahlreiche weitere fragwürdige Beispiele auf. Mit Geld bedacht wurden unter anderem auch zwei Fastnachtsvereine aus Rheinland-Pfalz, ein Zoo in Nordrhein-Westfalen und ein Katzenverein im Saarland.

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