Er sah ein wenig jämmerlich aus, wie er da auf dem Flur des Würzburger Strafjustizzentrums saß. Gefesselt, bewacht, umringt von Kameraleuten und Fotografen, die ihn von allen Seiten ablichteten. Die Blitzlichter schienen dem 19-Jährigen nicht recht zu sein. Aber er tat nichts, um sein Gesicht zu verdecken.
„Es war nicht so schön, was da ablief“, begrüßt Jugendrichter Bernd Krieger den 19-Jährigen, der als „dümmster Bankräuber Deutschlands“ Schlagzeilen gemacht hatte, und er meint nicht die Tat, sondern die Medienpräsenz. Und dann, fast ein wenig drohend, sagt der Jurist: „Wir werden genau beobachten, was veröffentlicht wird.“ Warum das Gericht den Auszubildenden aus Baden-Württemberg fast 20 Minuten lang vor und im Sitzungssaal schutzlos auf seine Verhandlung hatte warten lassen, sagt er nicht.
Der 19-Jährige hockt auf seinem Stuhl wie ein Lamm auf der Schlachtbank. Dabei hatte er im August, nachdem er eine Bank in Röttingen (Lkr. Würzburg) überfallen hatte, große Töne gespuckt. Den Bankangestellten, die mit ihm zu tun hatten, hatte er große Angst eingejagt. Mit einem Messer hatte er gedroht, „Geld her“ gerufen und war mit 2500 Euro zuerst mit seinem Mercedes nach Würzburg, dann, mit dem Zug, nach Frankfurt, nach Hamburg, nach Berlin und wieder nach Hamburg geflohen. In einem Automatenkasino auf der Reeperbahn wurde er verhaftet.
Der Festnahme ging ein einmaliger und skurriler Briefwechsel voraus. Als der „raeuber.von.roettingen“ hatte der 19-Jährige Kontakt mit Main-Post-Redakteur Gerhard Meissner aufgenommen (lesen Sie dazu nebenstehenden Artikel) und sich in E-Mails, die er in Kopie auch an die Polizei schickte, über die Ermittlungen lustig gemacht. Dass seine Nachrichten die Polizei auf seine Spur brachten, nahm er in Kauf.
Vor Gericht gesteht er alles, was ihm vorgeworfen wird. Sein Verteidiger Jan Paulsen gibt eine Erklärung für ihn ab. Darin ist die Rede von Problemen im Ausbildungsbetrieb, davon, dass er sich dort ausgenützt vorkam – und dass er „in Robin-Hood-Manier“ 800 Euro seiner Beute „an Obdachlose“ verschenkt habe. Der Angeklagte erzählt mit leiser Stimme, dass er nach dem Raub ein „Hochgefühl“ verspürt, sich „stärker als sonst“ gefühlt habe. Dann bricht er in Tränen aus. „Bei der Festnahme“, schluchzt er, „war ich überrascht und erleichtert“.
Der psychiatrische Gutachter erklärt dem Gericht, dass der 19-Jährige sich mit den E-Mails „großtun“ wollte – obwohl er wusste, dass die Nachrichten zurückverfolgt werden konnten. Er brauche „soziale Anerkennung“, es habe ihm Spaß gemacht, „vorzugeben, wo es langgeht“. Der Mediziner geht davon aus, dass der Angeklagte eine Persönlichkeitsstörung hat. Ob „seine Entwicklung“ sich im Lauf der Jahre „beruhigt“, könne man nicht voraussagen. „Auf jeden Fall“ brauche der Auszubildende eine Therapie.
Psychisch auffällig war der Auszubildende schon als Kind. Er lief von daheim weg, war in der Jugendpsychiatrie, pendelte zwischen Therapieeinrichtungen und Elternhaus. Im März 2008, mit 16 Jahren, stand er zum ersten Mal vor einem Jugendrichter. Er hatte für sich und Kumpels Marihuana besorgt. Das Gericht sah „von der Verfolgung“ der Tat ab, der junge Mann musste zehn Stunden soziale Hilfsdienste leisten. Zwei Monate später war er wieder angeklagt. Diesmal ging es unter anderem um versuchten schweren Raub und gefährliche Körperverletzung. Zusammen mit einem anderen hatte er in einer psychiatrischen Klinik einen Pfleger so lange geschlagen, bis dieser ihm die Tür öffnete. Dann hatte er in einer Telefonzelle siebenmal den Notruf betätigt und den Polizisten am anderen Ende der Leitung auf obszöne Art beleidigt. Das Gericht stellte das Verfahren ein.
Der 19-Jährige sei von der Justiz „mehrmals sehr nachsichtig behandelt“ worden, sagt Oberstaatsanwältin Vera Jansen in ihrem Plädoyer. Nun sei es an der Zeit, ihm klarzumachen, dass seine Tat „ein dicker Hund war“. Ihre Forderung: Zwei Jahre Jugendstrafe ohne Bewährung. Verteidiger Paulsen beantragt zwei Jahre Jugendstrafe mit Bewährung und erinnerte an die „Therapiebereitschaft“ seines Mandanten.
Nach nur halbstündiger Beratung verkündet das Jugendschöffengericht sein Urteil: Zwei Jahre Jugendstrafe mit Bewährung, als Auflage muss der junge Mann eine ambulante Verhaltenstherapie machen, den bedrohten Bankangestellten jeweils 500 Euro zahlen und die Arbeitsstelle antreten, die ihm ein Angehöriger besorgt hat. Jugendgerichte, so der Vorsitzende, müssten überlegen, was ein Angeklagter braucht, „um sein Leben wieder in die Bahn zu bringen“. Bei dem 19-Jährigen, der „in der Seele krank“ sei, sei das keine Therapie im Gefängnis, sondern eine in Freiheit. Der Angeklagte nahm das Urteil an, die Oberstaatsanwältin gab keine Erklärung ab. Zusammen mit Vater und Bruder konnte der 19-Jährige nach Hause fahren.