Wasserkraftwerke haben einen guten Ruf, sie erzeugen nach landläufiger Meinung Ökoenergie. Und doch gibt es Konflikte mit der Gewässerökologie. So stellen die Kraftwerke ein für Fische schwer zu überwindendes Hindernis dar. Bei Wanderfischen wie dem Aal ist die Problematik bekannt. Aber auch bei anderen, standortfesteren Fischen wie dem Karpfen ist die Sterblichkeitsrate hoch. Das zeigt eine neue Untersuchung der Mainfischer.
„Wir beobachten seit Jahren, dass nicht nur Aale die typischen Verletzungen durch Kraftwerke aufweisen“, schreibt Peter Wondrak in einer Pressemitteilung. Der Präsident des Fischereiverbandes Unterfranken glaubt beweisen zu können, dass die Kraftwerksturbinen weit mehr Fische töten und verletzen als allgemein bekannt.
„Kopflose Karpfen“
Wondrak versendet Fotos von „kopflosen Karpfen“ und listet die Verletzungen der Mainfische auf: Durchtrennungen und Teildurchtrennungen, äußerliche Schuppenverluste, Hautabschabungen, Bruch der Kiemendeckel, Flossenschäden, innere Verletzungen wie Blutungen in den Augen, Muskelquetschungen und Wirbelbrüche.
Die Fischer wollten es genauer wissen. Wondrak berichtet von einer Untersuchung über die Verletzungsrate bei Karpfen vom April. Damals setzten Fischer zwischen Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) und Himmelstadt (Lkr. Main-Spessart) bei etwa zehn Grad Wassertemperatur rund 22 Zentner Karpfen mit einem Gewicht zwischen 300 und 400 Gramm in beruhigte Gewässerstellen wie Buhnenfelder ein. 30 Kilometer und drei Staustufen später kontrollierte man den Schokker – eine Art Fischfangschiff, das üblicherweise dem Aalfang dient. Wenige Tage nach dem Besatz gingen hinter der Staustufe Harrbach die ersten Fische ins Netz. Insgesamt wurden 675 der Satzkarpfen in dem Schokkernetz gefangen, zwei geköpft, alle verletzt, schreibt Wondrak.
Die Fischer schätzen, dass es sich bei den nach Passieren der Staustufen Erlabrunn, Himmelstadt und Harrbach gefangenen 675 Fischen „grob geschätzt“ um ein Drittel der ausgesetzten Tiere handelt. „Zwei Drittel wurden vermutlich so verletzt, dass sie eingingen“, vermutet der Fischereiverbandspräsident.
Diese Ergebnisse dokumentieren nach Ansicht Peter Wondraks „auf erschütternde Weise“, dass die Kraftwerksturbinen für Leiden und Schmerzen „bei allen unseren Fischen, nicht nur bei Wanderarten wie dem Aal verantwortlich sind“. Im Frühjahr sollen die Versuche wiederholt werden, wenn möglich bei höheren Wassertemperaturen.
„Es ist an der Zeit, dass die Technik an den Kraftwerken entscheidend verbessert wird“, heißt es in der Mitteilung. Langfristig bringe nur eine geänderte Turbinentechnologie Abhilfe. Es müsse eine „fischunschädliche“ Turbine entwickelt werden, ansonsten werde die Wasserkraftnutzung bald ihren guten Ruf verlieren.
Für die Kraftwerke im Main gibt es solche Turbinen tatsächlich nicht, bedauert Christian Orschler, Sprecher von E.ON-Wasserkraft im niederbayerischen Landshut. Zwar gebe es einige Forschungsergebnisse und aus Frankreich auch eine serienreife Turbine. Die sei aber nur für kleinere Anlagen geeignet.„Wir haben die Augen offen“, beteuert Orschler und und spricht von einer „sehr guten Gesprächsatmosphäre“ zwischen seinem Unternehmen und den Mainfischern. Und selbstverständlich sei E.ON bemüht, den Schutz der Fische durch Aufstiegshilfen („Die neuen funktionieren ganz gut“), Umgehungsgerinne (wie in Randersacker bei Würzburg) und Fischrechen so gut wie derzeit möglich zu gewährleisten.