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WÜRZBURG: "Urban Gardening": Gärtnern in der Stadt wird immer populärer

WÜRZBURG

"Urban Gardening": Gärtnern in der Stadt wird immer populärer

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    Paul Schock hat nicht zu viel versprochen. Die Kirsche, die er gerade von einem etwas in die Jahre gekommenen Obstbaum gepflückt hat, sieht nicht nur lecker aus, sie ist es auch. „Leider hängen die Kirschen alle ziemlich hoch“, sagt Schock. „Und es sind auch nicht besonders viele.“ Aber immerhin trägt der Baum erste Früchte – genauso wie der Garten, in dem er steht.

    Der „Garten Eden“ ist ein Projekt der Evangelischen Studentengemeinde Würzburg (ESG), genauer gesagt des Arbeitskreises „Welt fairändern“. Im letzten Wintersemester kamen einige der Mitglieder auf die Idee, gemeinsam zu gärtnern. Per Anzeige suchten sie ein passendes Gelände – und wurden in kurzer Zeit fündig. Ein älteres Ehepaar, das sein großes Gartengelände auf dem Würzburger Stein schon seit einiger Zeit loswerden wollte, meldete sich. Nun nutzen es die 20 jungen Gärtner kostenlos.

    An diesem Tag haben sie sich zum großen Aufräumen verabredet. Der kleine Schuppen soll für ein anstehendes Sommerfest entrümpelt werden. „Nachdem wir die erste Beetfläche angelegt haben, wollen wir in einem zweiten Schritt dafür sorgen, dass wir uns auch gerne hier aufhalten“, erklärt Hochschulpfarrerin Susanne Hötzel, die das Projekt mitbetreut.

    Der erste Salat gedeiht

    Dabei gibt der Garten schon jetzt ein beeindruckendes Bild ab. Rund 3000 Quadratmeter Wiese erstrecken sich zwischen Bismarckturm und Steinburg. Den größten Teil haben die Studenten noch nicht erschlossen, hier stehen unzählige Obstbäume. Weiter oben, in der Nähe des Schuppens, haben die Gärtner hingegen schon ihre Spuren hinterlassen: Sie haben die Bäume beschnitten, den Rasen gemäht, Holzstapel weggetragen und ein Gemüsebeet angelegt, das sie nun in Kleingruppen bewirtschaften. „Der Salat sieht doch schon super aus“, findet Hötzel. Gleich daneben entdeckt sie die erste Paprika. Tomaten, Kürbisse und Bohnen lassen indes noch auf sich warten. „Es war uns wichtig, schon in diesem Jahr erstmalig zu ernten“, sagt die Pfarrerin. „Um in der Größe des Projektes nicht den Atem zu verlieren.“ Paul Schock stimmt zu: „Wenn es da unten schon wächst, dann motiviert das natürlich.“

    Die Motivation sieht bei den einzelnen Studenten ganz unterschiedlich aus. „Vielen macht das Gärtnern einfach Spaß“, sagt Isabel Huppmann, die vor knapp einem Jahr die Idee für den Gemeinschaftsgarten hatte. „Ich sehe das vermehrt, dass junge Leute wieder Gemüse anpflanzen, zum Beispiel auf ihrem Balkon. Viele sind offen dafür.“ Die Zeit in der Natur, die sinnvolle Beschäftigung, der Spaß – das ist die eine Seite. Doch es gibt noch eine politische, eine gesellschaftliche Seite.

    „Ich habe gemerkt, wie anstrengend es ist, Lebensmittel herzustellen“, sagt Huppmann. „Jetzt kann ich sie viel mehr wertschätzen.“ Paul Schock ergänzt, dass er nicht so abhängig sein wolle von dem, was ihm Politik und Wirtschaft vorsetzen. „Der Garten ist nur eine Ausprägung von achtsamem Konsum – und irgendwie auch eine logische Folge.“ Es gehe auch darum, etwas gegen die weltweite Ungerechtigkeit und die Umweltzerstörung zu tun: „Jeder muss selbst überlegen, wie er sich positioniert, wenn er die Vorteile unserer westlichen Welt genießt und gleichzeitig die Probleme sieht, die daraus entstehen.“ Der christliche Aspekt, also die Verantwortung gegenüber der Schöpfung und die Verbindung von Glaube und Handeln, spielt für die Studenten ebenfalls eine wichtige Rolle – genauso wie die Gemeinschaft.

    „Wir verfolgen ein gemeinsames Interesse und wollen voneinander lernen“, sagt Schock. Keiner der Studenten ist ein wirklicher Gartenexperte. Doch gerade das sei reizvoll an dem Projekt, findet Pfarrerin Hötzel: „Das Wissen speist sich aus vielen. So schafft man etwas miteinander, man trifft sich und tauscht sich aus.“ Ideen und Wünsche sind jederzeit willkommen – an Platz mangelt es dafür schließlich nicht.

    Das würde Christoph Peschke von seinem Projekt auch gerne behaupten. Der Lebensmittelchemiker, der im letzten Jahr sein Studium an der Uni Würzburg abgeschlossen hat, plant ebenfalls einen gemeinschaftlichen Garten, allerdings soll dieser mitten in der Stadt liegen. Im April gründete er die Würzburger „Urban Gardening“-Gruppe.

    Vor allem zwei Aspekte spielen dabei für ihn eine Rolle: „Ich sehe einerseits den steigenden weltweiten Landverbrauch und andererseits das anonymisierte Stadtleben.“ Städtische Gärten könnten für beide Probleme eine Lösung sein, glaubt Peschke. Mit einer Kerntruppe von etwa acht Personen und 30 weiteren Interessierten ist er nun auf der Suche nach geeigneten Flächen im Stadtgebiet. „Die meisten von uns haben einfach Spaß am Gärtnern“, sagt er. „Die politische Dimension spielt bei uns noch keine tragende Rolle.“ Peschke selbst betont aber die Vorteile der Selbstversorgung: „Sie ist ökologisch und noch näher als die Direktvermarktung – vom Supermarkt ganz abgesehen.“ Jedes Gemüse, das man selbst anbaue, sei ein Gewinn.

    Bisher gestaltete sich die Suche nach einer geeigneten Fläche recht schwierig. Dabei könnte sich die Gruppe auch unkonventionelle Orte wie beispielsweise Garagendächer vorstellen. Bis sie fündig werden, bewirtschaften einige von ihnen bereits einen Teil des Beetes im Garten Eden. Beide Gruppen wollen miteinander Kontakt halten und sich austauschen.

    „Ein Garten direkt in der Stadt hat natürlich Vor- und Nachteile“, findet Isabel Huppmann. „Er ist schneller erreichbar und damit leichter zu pflegen.“ Andererseits müsse man sich dort mit kleineren Flächen arrangieren. „Und im Garten Eden haben wir den Kontrast zur Stadt und so etwas wie einen Ruhepol“, sagt Paul Schock.

    Christoph Peschke hingegen möchte in der Stadt einen zentralen Ort des Austausches und der Vielfalt selbst schaffen: „Eine Stadt schaut oft aus wie eine tote Umweltzone. Studien zeigen aber, dass sehr wohl eine ausgeprägte Artenvielfalt vorzufinden ist – und damit meine ich keine Schädlinge oder Plagegeister.“

    Die Gruppe „Urban Gardening“ sucht in Würzburg noch geeignete Flächen. Angebote und Fragen nimmt Christoph Peschke unter Tel. (0176) 96 72 31 87 oder urban-gardening-wuerzburg@gmx.de entgegen.

    Urban Gardening

    Gartenprojekte in Städten werden unter dem Begriff „Urban Gardening“ zusammengefasst. Ihren Ursprung haben sie u.a. in den „community gardens“ im New York der 70er Jahre. Erst in jüngster Zeit verbreiten sie sich auch in Deutschland. Sehr bekannt ist der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg, wo in Kunststoff-Hochbeeten inzwischen über 200 Sorten Gemüse angebaut werden. Weiter verbreitet sind die rund 120 Interkulturellen Gärten, in denen Menschen aus vielen Ländern gemeinsam gärtnern, sowie die besonders für Anfänger geeigneten Selbsterntegärten (in München: Krautgärten), wo man im Mai gegen eine Gebühr eine vorbepflanzte Parzelle übernimmt und bis zum Herbst beackern und ernten darf. Eine Mischung aus Medienphänomen, Kunstaktion, Stadtverschönerung und Hobby ist das „Guerilla Gardening“, bei dem Menschen auf eigene Faust öffentliche Flächen wie Baumscheiben oder Verkehrsinseln bepflanzen.

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