Bischof Friedhelm Hofmann ist zehn Jahre im Amt. 2004 kam er aus Köln nach Würzburg, vom Rhein an den Main, zu den Franken. In einem Gespräch mit dieser Zeitung hat er vor einiger Zeit den Wunsch geäußert, einmal im Spessart zu wandern. Das habe er in den zehn Jahren noch nicht geschafft. So wurde spontan die Idee zu einem Sommerinterview beim Waldspaziergang geboren. An einem Samstagnachmittag Anfang August traf sich eine kleine Wandergruppe beim Gasthaus Bayrische Schanz nahe Ruppertshütten (Landkreis Main-Spessart). Unterwegs wurden die Ausgrabungen des Klosters Einsiedel aus dem Mittelalter besichtigt. Reste von Kirchenmauern, der einstige Standort des Altars, ein Friedhof – der Bischof zeigte großes Interesse. Zwischendurch gab es reichlich Gelegenheit zum Gespräch.
Frage: Herr Bischof, was empfinden Sie hier draußen in der Natur?
Bischof Friedhelm Hofmann: Ich erfahre den Wald als eine Erholungsstätte. Hier in den Ausgrabungen sehe ich eine Welt wiederbelebt, die im Mittelalter untergegangen ist, die uns aber doch einige Aufschlüsse gibt über die Kontinuität von Kirche. Es ist spannend, ein solches Projekt zu sehen, das uns eine Historie erschließt, die wir so gar nicht wahrgenommen hätten.
Fühlen Sie sich im Wald Gott näher?
Bischof Hofmann: Man ist in der Natur Gott nahe, aber man ist in einer Kirche, in der die kulturelle Erhöhung dazukommt, Gott vielleicht noch ein Stückchen näher. Es sind verschiedene Weisen des Nahekommens. Hier in Einsiedel bekommt auf einmal der ganze Wald durch den Grabungsort eine ganz intensive Bedeutung.
Was bedeutet Ihnen ganz persönlich ein Aufenthalt in der Natur?
Bischof Hofmann: Eine ganz wichtige Weise der Erkenntnis meiner Geschöpflichkeit, als Teil der Natur, als ein Geschöpf, das in dieser Natur von Gott gewollt ist. Ich erkenne in der Natur auch die Schönheiten Gottes. Sie lädt zur Ruhe ein, es baut mich auf, es stärkt mich, es belebt mich. Von daher nehme ich von hier wieder Kraft mit, um im Alltag weiterzugehen.
Wenn Ihnen jemand sagt: Der Wald ist mein Dom, hier bin ich Gott viel näher als in der Kirche. Können Sie das nachempfinden?
Bischof Hofmann: Den Spruch habe ich schon oft gehört. Ich würde dem auch nicht widersprechen, dass wir in der Natur Gott finden. Aber ich muss sagen, die Kultur – und damit verbinde ich auch Kirchenbau, Dombau und Liturgie – die Kultur ist natürlich eine gezieltere Form der Begegnung. Ich kann das Eine nicht gegen das Andere ausspielen.
Sie betonen immer wieder: Die Kirche ist Christus und Glaube ist ohne Kirche nicht komplett.
Bischof Hofmann: Er ist ohne Kirche nicht mehr so zielgerichtet. Indem die Kirche die Heilige Schrift über die Jahrhunderte bewahrt und weitergibt, gibt es eine Garantie, dass das nicht durch menschliches Tun verändert wird, dass man etwas herausnimmt oder dazutut. Die Kirche bewahrt das, was uns von den Aposteln überliefert worden ist. Deswegen sprechen wir von der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche als Fundament, auf das wir aufbauen. Das darf aber nicht erstarren, sondern wir müssen uns den Entwicklungen stellen.
Ich kenne viele Menschen, die sagen: Ich glaube an Gott, aber ich brauche dazu nicht die Kirche.
Bischof Hofmann: Das mag auch wirklich deren Einstellung sein. Aber wenn man das weiter durchdenkt, wohin würde das führen, wenn es die Kirche nicht mehr gäbe? Da baue ich wirklich auf die Aussage Christi ,Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt'. Es mag kommen, was will, die Kirche als der sichtbare, gegenwärtig handelnde Christus muss da sein.
Sie kommen gerade aus der Partnerdiözese Mbinga in Tansania zurück. Was hat Sie in Afrika am meisten beeindruckt?
Bischof Hofmann: Die Menschen dort sind nicht so gestresst wie hier in Deutschland. Das habe ich auch in unserem Partnerbistum Óbidos in Brasilien so erlebt. Bei uns sind ja oft schon die Kinder nervös. Da sind wir auch als Seelsorger gefordert: Wir müssen den Menschen den Stress nehmen, wir müssen Gelassenheit vermitteln und Vertrauen.
Das macht ja für viele Menschen die Attraktivität des Buddhismus aus: Das Leben im Hier und Jetzt, die Entschleunigung – Stressabbau pur.
Bischof Hofmann: Deswegen sind ja unsere Rituale so wichtig, die Gottesdienste als Orte des Innehaltens, des Herausgehobenseins aus der Zeit, aus dem Alltag.
Aber in unserer Zeit des eventgesteuerten Handelns empfinden viele die Stunde Gottesdienst am Sonntag als verlorene Zeit . . .
Bischof Hofmann: Denen müsste man mit der Entschleunigung kommen, mit der inneren Ruhe, die die Stunde am Sonntag dem Einzelnen beschert. Das ist keine verlorene Zeit, sondern genau die Erholungspause, die der Einzelne braucht. Auch wenn wir die Rituale kennen und wenn wir alles, was in der Eucharistiefeier passiert, Hunderte Male gehört haben, ist es keine banalisierte Wiederholung, sondern stehen bleibende Zeit. Das Beten ist ja auch kein gedankenloses Plappern, sondern mit den Ritualen etwas, das uns trägt.
Wie beten Sie selbst?
Bischof Hofmann: Ich bete das Brevier (Amn. d. Red.: Ein Buch, das Gebete für den Tageslauf enthält, die zu festen Zeiten gebetet werden), und sehr gerne den Rosenkranz, und zwar alle Geheimnisse. Das ist für mich eine Form der Meditation.
Vielleicht bedarf es jenseits der Gottesdienste noch anderer Formen des gemeinschaftlichen Erlebens – wenn Sie Taizé-Nächte veranstalten, ist das Haus voll.
Bischof Hofmann: Genau das muss auch passieren, aber es kann nicht ständig alles mit Events begleitet werden. Ein Fehler ist meines Erachtens, wenn wir versuchen, unsere Gottesdienste wie Fernsehshows zu inszenieren, das geht nicht!
Aber dazwischen muss es doch noch etwas geben.
Bischof Hofmann: Das machen wir doch: Es gibt die Nacht der offenen Kirchen, die Taizé-Nacht, die Aktion Night Fever. Da gehen junge Leute auf die Straße und sprechen andere junge Leute an, ob sie einen Blick in die Kirche werfen wollen, in die sie sonst nicht gehen.
Wie wäre es beispielsweise, wenn man am Sonntag neben den Gottesdiensten eine Kontemplation anbieten würde, wo man anders angesprochen wird, wo man überhaupt erstmal wieder hingeht?
Bischof Hofmann: Ich arbeite an diesem Thema mit den präliturgischen Feiern. Wir müssen – genau wie Sie beschreiben – eine Form des Feierns finden, wo die Menschen abgeholt werden, wo sie sind, ausruhen können, ohne dass das direkt die Hochform der Liturgie wäre.
Bei der Wanderung zeigt sich Bischof Hofmann gut zu Fuß. Kräftig schreitet er aus, der mitunter unebene Weg mit tiefen Fahrspuren von Traktoren bereitet ihm keine Schwierigkeiten. Auch die schwüle Hitze dieses Nachmittags setzt ihm nicht zu, obwohl er einen Anzug und ein Hemd mit dem hochgeschlossenen Stehkragen trägt, das ihn als Kleriker kenntlich macht. Wanderkleidung wollte er nicht anziehen, sagt er. Schließlich sollten ihn die Menschen gleich als Priester erkennen. Wanderer und Radfahrer, die ihm begegnen, scheinen ihn zu erkennen. Vielleicht wundern sie sich über die ungewöhnliche Gruppe im Wald. Man grüßt sich, aber niemand sagt etwas. Das Gespräch wendet sich einem anderen Thema zu.
Haben Sie Kontakt zu Papst Benedikt XVI.?
Bischof Hofmann: Ich habe ihn im vergangenen November besucht. Der persönliche Kontakt besteht. Er wollte ja mit mir ein Buch schreiben, eine Theologie der Kunst. Da sollte ich die Kapitel über die Kunst abdecken und er wollte den theologischen Teil schreiben. Ein Jahr später wurde er Papst und dann ging das nicht mehr. Er hatte ja eigentlich in den Ruhestand gehen und nach Regensburg ziehen wollen. Eine Theologie der Kunst wäre ein wichtiges Projekt gewesen, die brauchen wir unbedingt.
Sie wissen ja – nichts aufschieben, im Hier und Jetzt leben – und handeln.
Bischof Hofmann: Dafür habe ich zu viele andere Verpflichtungen.
Dann sollten Sie vielleicht mal überprüfen, ob Sie die richtigen Prioritäten setzen . . .
Bischof Hofmann: Doch doch, ich bin für das Bistum zuständig und setze mich dafür ein. Aber das Buch wäre ein Knüller geworden. Wir haben für alles entsprechende Vorlagen, aber für die Kunst nicht.
Das Buch wäre wohl schon alleine aufgrund der Konstellation mit dem Papst ein Bestseller geworden.
Bischof Hofmann: Wissen Sie, was ein Bestseller ist? Das neue Gotteslob! Wir haben schon fünf Millionen Exemplare verkauft. Das ist doch super, in noch nicht einem Jahr. Das freut mich sehr, dass die Leute das so annehmen. Da habe ich zwölf Jahre meines Lebens reingesteckt. Ich bin auch dankbar für die vielen positiven Zuschriften. Das hat mich schon viel Überzeugungsarbeit in der Bischofskonferenz gekostet, dass wir da die moderne Kunst so intensiv unterbringen konnten. Wir haben 2000 Kirchenlieder geprüft und historisch untersucht und dann 500 ausgesucht und dann nochmal 200 weggelassen. Die rund 300 Lieder auszusuchen, die jetzt im Stammteil des Gotteslobs sind, das war schon eine schwere Aufgabe.
Es wird deutlich – der Bischof genießt den Wald, aber richtig geht ihm das Herz auf, wenn er über Kultur sprechen kann. Die entspannte Atmosphäre der Wanderung verhindert aber nicht, dass die Meinungen aufeinanderstoßen. Glaubenszweifel werden das Thema.
Wenn Eltern ein Kind verlieren, das an Krebs stirbt, kann man ja sehr gut verstehen, dass da große Zweifel entstehen: Oh Herr, wo ist deine Gerechtigkeit? Können Sie solche Zweifel nachempfinden?
Bischof Hofmann: Das kann ich sehr gut nachvollziehen, oh ja.
Was kann man den Betroffenen aus theologischer Sicht sagen?
Bischof Hofmann: Ich stelle mich an Eure Seite und leide mit Euch. Das, was Euch jetzt bedrängt, belastet mich mit. Ich denke, dass geteiltes Leid halbes Leid ist. Zum Anderen sage ich mir selber immer: Wenn ich die Grenze vom Leben in den Tod überschritten habe, werde ich erfahren, warum das so ist.
Man muss also lernen, mit dem Zweifel zu leben – eine gewaltige Herausforderung.
Bischof Hofmann: So ist es. Die Grundhaltung heutzutage ist eben die der Skepsis, des Fragens, des Bohrens. Aber man muss auch einmal einige Dinge ungeklärt stehen lassen dürfen und sagen: Gut, wir kommen da jetzt nicht weiter. Wir kreisen immer um dieselben Probleme. Den großen Schatz, den wir im Glauben haben, und die Freude am Glauben, die schöpfen wir aber nicht aus.
Müsste man nicht die Seelsorge breiter aufstellen? Von sozialen und karitativen Hilfen über mehr psychologische Beratung bis hin zu den klassischen Formen von Gottesdienst und Sakramenten?
Bischof Hofmann: Das habe ich in Köln immer gemacht. Ich habe 20 Jahre jede Woche so 30 Stunden im Beichtstuhl gesessen. Da kamen natürlich Probleme der ganzen Welt in den Beichtstuhl. Da habe ich auch mit Psychologen zusammengearbeitet. Wenn ich merkte, das ist keine Glaubensfrage, sondern eine menschliche, eine lebensgeschichtliche, dann habe ich die Leute zu einem Psychologen geschickt. Umgekehrt haben mir Psychologen Menschen geschickt, bei denen sie merkten, das ist ein Glaubensproblem, die gehören zu einem Seelsorger.
Sie werden im September zehn Jahre als Bischof von Würzburg im Amt sein. Was waren denn für Sie ganz persönlich die Höhepunkte dieser Zeit?
Bischof Hofmann: Ganz herausragend war natürlich die Seligsprechung von Pfarrer Georg Häfner. Aber auch die Kiliani-Wallfahrtswoche ist für mich ein Höhepunkt und ein Erlebnis, das ich so bis dahin nicht gehabt hatte. Die Priesterweihen sind für mich wichtig, die Aussendungsfeiern der pastoralen Mitarbeiter. Die großen Feste, die wir im Dom begehen. Was mich hier besonders berührt, das ist die Nähe zu den Gläubigen, die große Bereitschaft, mitzuziehen, mitzumachen, sich zu engagieren. Das sind eigentlich für mich die entscheidenden Höhepunkte.
Und das in Franken. Sie sind ja Köln und die Rheinländer gewohnt, wo das Miteinander und das Mitmachen noch eine ganz andere Bedeutung hat.
Bischof Hofmann: Ich stelle nur fest, dass die Rheinländer, die Kölner, die Düsseldorfer, das Herz auf der Zunge tragen, also sehr schnell sind mit dem, was sie an Freude einbringen, aber langsamer mit dem Einlösen der gegebenen Versprechen. Hier in Franken entdecke ich, dass es etwas langsamer geht, verhaltener, abwartender, aber dann doch ganz. Das heißt, es ist nachhaltig, und das ist auch begeisternd.
Sicher etwas Neues, das Sie hier erfahren haben.
Bischof Hofmann: Ja, und das freut mich auch.
In einem Zehnjahreszeitraum erlebt man nicht nur Positives. Bestimmt gab es Momente, wo Sie gedacht haben: Wenn das jetzt nicht passiert wäre, wäre es auch schön gewesen.
Bischof Hofmann: Das ist wohl wahr. Das ist sehr gelinde ausgedrückt. Es gibt sicherlich zwei Problemkreise, die mich auch entsprechend bedrängen. Das eine, das sind die Missbrauchsfälle, die aufgedeckt worden sind in dieser Zeit. Das zweite, das sind die Priester, die ihr Amt verlassen haben und gegangen sind. Das ist jedes Mal ein Stückchen Sterben. Das kann man sagen. Das ist auch nachhaltig für mich, das wird nicht einfach abgehakt und zur Seite gelegt, sondern das trage ich in mir mit. Das sehe ich auch als ständige Aufgabe, mich dem zuzuwenden und das weiterhin auch innerlich zu begleiten. Ich denke aber auch an die vielen Menschen, die in dieser Zeit die Kirche verlassen haben.
Es gibt ja nicht nur in Poesiealben die Weisheit, dass man für das Leben lernt durch Misserfolge und negative Erfahrungen. Was ist Ihre Lehre aus diesen Missbrauchsfällen und der Amtsaufgabe von Priestern?
Bischof Hofmann: Bei den Missbrauchsfällen frage ich mich: Wie können wir arbeiten, um so etwas für die Zukunft auszuschließen? Ich weiß nicht, ob das je ganz ausgeschlossen werden kann. Wir müssen alle Präventivarbeit ermöglichen, die dazu führt, dass diese Fälle so minimiert werden, wie wir das überhaupt nur können. Daran arbeiten wir, fragen uns, was müssen wir in dem Bereich tun. Das zweite ist bei den Priestern: Wie müssen wir miteinander im Gespräch sein, dass wir merken, wenn einer unsicher wird, wenn einer überfordert wird, wenn einer den Mut verliert? Dass wir darauf zugehen und das nicht erst, wenn die Katastrophe eingetreten ist, sondern viel früher. Und da mache ich mir sehr viele Gedanken, wie wir da mehr und näher miteinander sein können.
Ihre Amtszeit wird noch drei Jahre dauern, was haben Sie sich vorgenommen, was wollen Sie unbedingt noch auf den Weg bringen?
Bischof Hofmann: Wir haben einen Zukunftsplan angedacht, das Jahr 2030 in den Blick genommen und gefragt: Wie wird sich die Kirche hier in Würzburg bis zum Jahr 2030 entwickeln, wie wird das demografisch, wie wird das soziologisch sein, wie wird das wirtschaftlich sein, wie wird das medial sein und wie wird das religiös sein? Da ist mein Anliegen, in den nächsten Jahren einen Zukunftsplan aufzubauen, der meinem Nachfolger eine größtmögliche Freiheit belässt, einzusteigen, ihm aber auch materielle Sicherheit gibt, dass er nicht in eine finanzielle Krise hineinschlittert, dass er Verpflichtungen, die wir jetzt zugesagt haben, auch einlösen kann in den nächsten Jahren.
Das ist das Eine. Das Zweite ist: Ich versuche, neben der territorialen Seelsorge – das heißt der Gründung der Pfarreiengemeinschaften – noch Oasen im Bistum zu setzen, spezielle pastorale Schwerpunkte, wo Leute andocken können, wo sie sich angesprochen fühlen. Ich glaube, dass es eine große Mobilität in der Zukunft geben wird, dass sich diejenigen, die sich persönlich in ihren Problemen angesprochen wissen wollen, auch auf den Weg machen, dahin zu gehen. Das müssen wir verstärkt in den Blick nehmen: unsere Bildungshäuser, unsere Klöster, alle Orte, wo es solche Oasen gibt. Wir müssen uns fragen: Wo können wir solche Oasen gründen, wo müssen wir gründen, wie müssen wir unser pastorales Hilfsangebot vertiefen, wo müssen wir mehr tun, welche Probleme kommen auf uns zu und wo müssen wir gewappnet sein? Zum Beispiel, dass Ehen und Familien auseinanderbrechen. Hier sind wir gefragt: Wie können wir im Vorfeld schon einsteigen und den Leuten Hilfen geben, ihre Ehen auch wirklich leben zu können.
Zehn Jahre Bischof von Würzburg – haben Sie ein Gefühl von Heimat bekommen, zu Franken, zu Würzburg, ist das ein Gefühl, wo man sagen kann, das können auch 20 oder mehr Jahre werden?
Bischof Hofmann: Ich fühle mich noch nicht so alt wie ich bin, aber ich weiß auch, in drei Jahren wird einem anderen diese Aufgabe übertragen, und das ist auch richtig so. Kölner Freunde sagen mir natürlich: Nu komm doch zurück und in Köln hast Du alle deine Freunde und Bekannten und Verwandten. Als ich 65 wurde, kamen Winzer aus dem Umfeld von Würzburg und haben mir neun Rebstöcke in den Garten eingepflanzt. Dann habe ich gefragt, warum machen Sie das? Dann kam die Antwort, damit Sie sich hier einwurzeln. Und wenn ich die Rebstöcke sehe, die blühen und gedeihen, dann denke ich, ich habe mich eingewurzelt und es ist sicher so: Ich fühle mich als Würzburger und werde auch hier bleiben, ich werde nicht zurückgehen. Ich freue mich, dass ich hier aufgenommen bin und dass ich hier bleiben darf.
Die Hitze entlädt sich in krachenden Donner, der Bischof lacht: „Der Himmel grollt, ich weiß nicht, ob er mit uns schimpft oder ob er zustimmt.“ Die Rückfahrt erfolgt in einem Pferdewagen. Bischof Hofmann erzählt, dass er sich nicht nur für Kunst interessiert, sondern auch selbst malt. Allerdings bleiben seine Bilder unter Verschluss – er möchte sein Amt einerseits und seine Bilder andererseits auseinanderhalten.
Bischof Lehmann hat sinngemäß gesagt, die katholische Kirche müsse sich mehr öffnen, sie dürfe die Kirchenaustritte nicht hinnehmen, sie müsse versuchen, andere Wege zu finden, wie man Menschen wieder stärker an die Kirche binden könne. Teilen Sie seine Ansicht?
Bischof Hofmann: Die Offenheit, die Ehrlichkeit, die Transparenz – wir müssen auch über die schlimmen Dinge in der Kirche ganz offen reden. Das zweite ist, wir müssen Vertrauen aufbauen. Für mich ist der Vertrauensverlust der Menschen in die Kirche die Katastrophe – das führt eben auch zum Kirchenaustritt. Da müssen wir nicht die Leute verurteilen, sondern mit ihnen eine Basis schaffen, dass sie uns auch vertrauen können. Wir müssen nah an den Menschen sein. Ich glaube, das ist die Aufgabe der nächsten Jahre.
Was sind für Sie die Lehren aus dem Fall Tebartz van Elst?
Bischof Hofmann: Der Fall ist sehr bedauerlich und ich bedaure auch die Person Bischof Tebartz van Elst. Dessen Lebensschicksal möchte ich nicht teilen müssen. Er hat sicherlich einen Weg beschritten, von dem wir sagen, das geht nicht. Das ist absolut nicht vertretbar. Er hat damit aber auch eine Lawine losgetreten, die dazu geführt hat, dass Kirche und Geld in einer Transparenz jetzt offenbart werden, wie wir das früher nicht gemacht haben. Der Bischöfliche Stuhl in Würzburg wurde zum ersten Mal offengelegt. Das wäre ohne dies vielleicht nicht so schnell gekommen. Es wäre in diesem Zusammenhang auch einmal zu überlegen, wie weit darf man in der Verurteilung gehen und wo muss man wirklich vor der Würde des Menschen Halt machen. Er tut mir sehr sehr leid. Ich hoffe, dass das einigermaßen noch aufgefangen werden kann.