
Rund 3000 Teilnehmer haben in einem Gedenkzug den Weg der Juden nachvollzogen, die im April 1942 aus Würzburg deportiert wurden.
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Der Macht des Moments konnte sich am Ende kaum einer entziehen. Hier an den überwucherten Gleisen, wo vor 69 Jahren 852 Menschen in Waggons verladen und von Würzburg aus zur Vernichtung transportiert wurden. Ihre Namen, gesprochen von Schauspieldirektor Bernhard Stengele (Mainfranken Theater), hallen im Stakkato aus zwei Lautsprechern. Hintereinander, durcheinander. Immer schneller, bis zur Unkenntlichkeit. So wie die jüdischen Mitbürger aus ganz Unterfranken im April 1942 ihre Namen verloren haben. Weil ihnen alles abgenommen wurde, man sie zu Nummern degradierte.
Und dann, als Rabbiner Jakov Ebert gerade das Kaddisch, das jüdische Heiligungsgebet, zu Ende gebracht hat, rattert im Hintergrund ein Güterzug vorbei. Wie eine inszenierte Geräuschkulisse. Ergriffenheit, Gänsehaut allenthalben. Nur einige Schüler haben sich zu diesem Zeitpunkt aus der Gedenkveranstaltung ausgeklinkt. Ansonsten sind die meisten der geschätzt fast 3000 Teilnehmer am „Weg der Erinnerung“ noch da, verfolgen auf einer schwarzen Fünf-Quadratmeter-Bühne die drei Tanzsolos des „tanzSpeichers“.
Es sind Momente des Nachdenkens. Was ist in den Opfern damals vorgegangen? Welche Ängste hatten sie? Todesahnung? Greifbar sind solche Gedanken, während die Namen der Ermordeten wie ein Klanggewitter über dem Bahngelände niedergehen. In der Gleisböschung liegen schwarze Namensschilder: 852 wurden am Dienstagnachmittag auf der 1,8 Kilometer langen Strecke vom Platz'schen Garten – früher ein Tanzlokal – bis zum Aumühl-Ladehof mitgetragen. Jedes einzelne Schild erinnerte an eines der Opfer.
Aus über 70 Gemeinden waren sie Ende April 1942 nach Würzburg kommandiert worden. Zwei Tage lang mussten sich die Menschen im Platz'schen Garten sammeln. Am 25. April dann der von sogenannter Schutzpolizei überwachte Marsch zu den Gleisen. Genau über diesen Weg zogen am Dienstag Bürger aus ganz Unterfranken – alte und junge, bekannte Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft genauso wie Teilnehmer ohne Funktion, die vor allem ein Signal geben wollten: Dass Unrecht wie in der Zeit des Nationalsozialismus nie wieder geschehen dürfe. Leise, meist schweigend bewegte sich der Zug über die Straßen, so wie von der Projektgruppe „Wir wollen erinnern“ gewünscht. Nicht das Leid der Vertriebenen nachzuempfinden, war ihr Anliegen. Wohl aber, den Opfern ihre Namen zurückzugeben.
„Damit hat man ihnen ein Stück Würde zurückgegeben“, sagte Josef Schuster, Vize-Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Außerdem wurden in den Herkunftsgemeinden teils erstmalig die Biografien der Ermordeten dokumentiert. Schuster zeigte sich beeindruckt ob der Größe des Gedenkzuges. Jahrzehntelang sei über die Deportationen in Würzburg nicht gesprochen worden. Am helllichten Tag waren die 852 Juden durch die Stadt getrieben worden. „Das lange Schweigen zeigt, dass der Verdrängungsprozess gut funktioniert hat“, so Schuster. Ähnlich Würzburgs Oberbürgermeister Georg Rosenthal: „Es kann nicht sein, dass das in der Stadt keiner gemerkt hat.“ Am Abend fand im Würzburger Ratssaal noch eine Gedenkstunde statt. Dort sprach auch Klaus Herzog, OB von Aschaffenburg, woher die größte Gruppe der dritten von insgesamt sechs Deportationen zwischen 1941 und 1943 stammte.



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