Viele Handwerksberufe gelten heute als ausgestorben, manche haben sich verändert oder erweitert – So auch die Aufgaben des Sattlers. Moderne Sattler finden sich im Pferdesport aber auch im Bekleidungs-, Textil- oder im Automobilgewerbe wieder. Auch in diesem Jahr beendeten Lehrlinge ihre Ausbildung – eine junge Frau aus Zeil war dabei sehr erfolgreich: Der diesjährige Kammersieg im Sattlerhandwerk geht an Sophie Reisp, die ihre Ausbildung bei Deuber & Partner absolviert hat.
Vor drei Jahren startete die 26-jährige ihre Ausbildung zur Reitsportsattlerin in der Zeiler Sattlerei – versteckt in einer Nebenstraße zwischen Edeka und dem Logo-Getränkemarkt. Mit ihren guten Noten in der Zwischenprüfung und im Berufsschulzeugnis nahm Sophie Reisp bereits an einer vorgezogenen Prüfung teil – der reguläre Termin wäre erst im Juli gewesen. Seit Januar ist sie nun keine Auszubildende mehr, ihre Prüfung hat sie mit Auszeichnung bestanden.
Unter Zeitdruck
„Ich kann mit meinen Händen arbeiten und sehe was ich am Tag geschafft habe“, freut sich die Siegerin. Auch in der Prüfung musste Sophie Reisp ihr handwerkliches Geschick unter Beweis stellen und das unter Zeitdruck: Innerhalb von 15 Stunden fertigte sie einen englischen Zaum und ein englisches Reithalfter an. Mit dieser speziellen Lederkombination, die über den Kopf des Pferdes gezogen wird, führt und lenkt der Reiter sein Tier. Die Nähte hierfür wurden alle – außer eine – mit einer speziellen Nadel handgefertigt. Zum Praxisteil gehörte zudem ein Fachgespräch, in dem die Teilnehmer sich beweisen mussten.
Im Leistungswettbewerb testeten die Prüfer nicht nur das praktische Können der Lehrlinge. Im Theorieblock beantworteten die angehenden Sattler Fragen rund um ihr Handwerk – aber auch für Außenstehende zunächst fachfremd wirkende Aufgaben, wie beispielsweise aus der Sozialkunde, waren ein Teil der theoretischen Prüfung. Dabei ging es vor allem um Fragen zum Arbeitsrecht, wie aus dem Bereich des Arbeitnehmerschutzes oder des Jugendschutzgesetzes – Die jungen Berufseinsteiger sollen ihre Rechte und Pflichten genau kennen.
Eine Herausforderung stellte die technische Zeichnung dar, welche die Prüflinge mit Hilfe einer Zeichenplatte anfertigen mussten. Das fertige Dokument zeigt die Funktionen und Eigenschaften eines Einzelstücks. Anhand der Abbildung werden daraufhin die jeweiligen Produkte angefertigt. Nach der Auswertung der Ergebnisse stand fest: Sophie Reisp ist Kammersiegerin und damit die beste Auszubildende im Reitsportsattlerhandwerk in Unterfranken. Um diesen Titel zu erhalten, musste sie im praktischen Teil mindestens die Note 2 erlangen – was ihr auch glückte.
Vielleicht spielte ihr auch die jahrelange Erfahrung mit Pferden und dem Reitsport in die Karten. Die gebürtige Münchnerin reitet bereits seit ihrer Kindheit und beschäftigt sich in ihrer Freizeit ausgiebig mit ihrem eigenen Pferd. Wegen der Liebe zu den Tieren fing sie zunächst eine Ausbildung als Hufschmied an – doch die Arbeit erfüllte sie nicht. Die 26-jährige holte daraufhin ihr Abitur nach und startete ein Germanistik-Studium. Sie vermisste jedoch die Arbeit mit Pferden und merkte, dass sie sich in den letzten Jahren immer weiter davon entfernt hatte.
Traumberuf Sattler
Nach ihren beruflichen Umwegen fand die junge Frau aus einem Zufall heraus wieder zurück zu ihren geliebten Pferden und entdeckte ihren Traumberuf im Sattlerhandwerk: Der Sattler ihres eigenen Tiers brachte sie auf die Idee ebenfalls eine Lehre in genau diesem Handwerksberuf zu starten – und er war es auch, der die Münchnerin bei der Zeiler Sattlerei als Auszubildende empfahl. „Hier kann ich Probleme handwerklich lösen und sitze nicht den ganzen Tag am Schreibtisch“, erzählt sie.
Die Zahl der diesjährigen Prüflinge zeigt jedoch, dass das Sattlerhandwerk in Deutschland lediglich ein Nischenberuf ist: Insgesamt waren es in diesem Jahr etwa 20 Reitsportsattler, schätzt Sophie Reisp. In Deutschland gibt es zudem nur noch drei Berufsschulen, die diese Ausbildung noch anbieten. Die Sattlerin musste über 200 Kilometer zum Bundesfachzentrum Mainburg in Niederbayern fahren, um am Unterricht teilzunehmen.
„Es ist schade, dass das Handwerk immer mehr verloren geht“, sagt Sophie Reisp. Dabei sei es sehr vielfältig und abwechslungsreich. Die auszubildenden Sattler spezialisieren sich während ihrer Lehrzeit auf ihre favorisierten Bereiche: Fahrzeugausstattung, Reitsportausrüstung oder Lederwaren sind mögliche Einsatzfelder. Doch laut Sophie Reisp produzieren nicht mehr viele Firmen hier in Deutschland und demnach gibt es nur noch wenige freie Ausbildungsplätze.
Frauenpower
In Zeil fand sie eine seit 25 Jahren bestehende Sattlerei, die sie als Auszubildende nahm und nach ihrem Abschluss übernahm. Deuber & Partner ist eine Stangensattlerei, die jährlich etwa 5000 Sättel weltweit an ihre Kunden liefert - und das im Herzen Zeils. Neben der Neuentwicklung, den Nacharbeiten und Reparaturen geht das Unternehmen im Einzelfall auch auf Kundenwünsche ein. Genau diese verschiedenen Facetten an Aufgabenbereichen finden auch Sophie Reisp und ihre überwiegend weiblichen Kollegen spannend und lehrreich: Bereits im vergangenen Jahr schloss auch Janka Gerlach, ehemalige Auszubildende im Betrieb, ihre Prüfung mit dem Kammersieg ab.