Kreativität und Fantasie sind flüchtige Eigenschaften, die im Laufe eines Lebens vielen Erwachsenen verloren gehen. Spielerisch und mit einer gewissen Nonchalance muss man sich ihnen nähern, und das mag auch das Geheimnis sein, warum Kreativität und Fantasie vor allem über den Köpfen der Kinder schweben. Daher ist es wohl auch kein Zufall, dass sich die zwei besten Schüler an das Kind in ihnen erinnert und als Diplomarbeiten Spiele entworfen haben, wenn auch besonders kreative und schön gestaltete.
Ein kleiner König mit goldener Krone und blauem Gewande thront auf dem eleganten Kasten aus Holz. Diese Fingerpuppe ist nur eine von unzähligen Spielfiguren aus Kunststoff, Holz und Metall, welche Erika Popp für ihr "Viel-Spiel" fertigte. Denn neben Schach und Memory, birgt es noch das Bauernhof- und das Felderspiel "Schecki", das die Schreinerin selbst erfunden hat.
"Die meisten Kinderspiele sind baukastenartig aufgebaut", meint Erika Popp. Und da das Thema für die Diplomarbeiten "Produkte aus dem Baukasten" hieß, war sie schnell auf die Idee gekommen, ein Spiel zu konzipieren. Über acht Wochen und viele lange Nächte hinweg hatte Erika Popp an ihrem "Viel-Spiel" getüftelt. Zwischenzeitlich war sie sogar davon wieder abgekommen.
Doch das Ergebnis überzeugte nicht nur ihre Nichten und Neffen, die das Spiel am liebsten gleich behalten hätten. Mit dem "Viel-Spiel" belegte Erika Popp auch den ersten Platz bei den Meisterpreisen der Bayerischen Staatsregierung, die insgesamt mit 3120 Euro datiert sind. Auf den Plätzen folgten beim siebten Vollzeitlehrgang an der Akademie der Industriemechaniker Tobias Bittermann mit dem Spiel "Cross Box" und die Malermeisterin Elisabeth Dietrich mit dem Glasensemble "Bilbao".
"Kreativität ist interdisziplinär zu verstehen", sagte der stellvertretende Leiter der Akademie, Dieter Bätz. Den Diplomanden sei es gelungen, über den Tellerrand des eigenen Gewerkes zu schauen, was man in der Ausstellung deutlich sehen. "Eine Keramikerin fertigt ein Kindermöbel oder eine Malerin Holzschalen. Heute ist es wichtiger denn je, als Handwerker Flexibilität zu beweisen".
Akademieleiter Hans-Peter Lalleike fügte an, dass es für die Absolventen nun gelte, das Gelernte in der Praxis anzuwenden und zu verfestigen. "Die richtige Selbsteinschätzung zeigt manchmal mehr Mut zur Kreativität, als das Schweben in den Wolken."
In ähnlicher Form hatte zuvor bereits der stellvertretende Landrat, Günter Lipp, gesagt, dass es zwar wichtig sei, offen durch die Welt zu gehen. "Dabei sollten sie sich jedoch ihre Bodenständigkeit bewahren."
Ebern sei "Frankens schönstes Kegelspiel", sagte Lipp und bezog diesen Werbespruch nicht nur auf die Türme der Stadt, sondern auch auf ihre neun Schulen, die jede ihren eigenen Beitrag zur Entwicklung leiste. Die Akademie sei ebenfalls einer dieser Türme, auch wenn die Bevölkerung nicht immer genau wisse, was sich hinter ihren Mauern verberge.
Der Bürgermeister von Ebern, Robert Herrmann, erklärte, er sei "verblüfft und überrascht" mit wie viel Kreativität die Absolventen gestalterische Ideen "aus dem Nichts" geschöpft hätten. "So wichtig die Traditionen für das Handwerk sind, so wichtig ist auch das Beschreiten neuer Wege."
Bei der Übergabe der Zeugnisse betonte sowohl Josef Berthold als auch der Geschäftsführer der Handwerkskammer, Karl-Heinz Feser, die Richtigkeit der Entscheidung, sich für ein Studium an der Akademie entschieden zu haben. "Damit haben sie erkannt, wie wichtig es ist, sich auf dem Markt eine Spitzenposition zu sichern, indem man eine besondere Qualifikation besitzt, die einem die Chance gibt, sich von der Masse abzuheben und durch spezielle, in ihren Fall sehr kreative Dienstleistungen, neue Kunden zu gewinnen".
Die Ausstellung "Produkte aus dem Baukasten" ist noch bis zum 26. Oktober montags bis donners- tags von 9 bis 16 Uhr und sonn- tags von 11 bis 17 Uhr zu sehen.