Noch zwei Wochen bis Olympia. Am Samstag soll der Flieger Richtung Südkorea abheben. Und dann das. In Lillehammer lief es für Dominik Fischnaller, das Aushängeschild der italienischen Rennrodel-Nationalmannschaft, noch hervorragend. Platz eins im Weltcup-Rennen. Und eine Woche später die Verletzung. Bei der Europameisterschaft im lettischen Sigulda musste der Modellathlet abbrechen und abreisen, um kurz vor Olympia nicht alles zu riskieren.
„Mit so einem Druck auf den Kopf und solchen Schmerzen kannst Du einfach nicht fahren“, erklärt der Leistungssportler im Gespräch mit dieser Zeitung. Hilfe musste her. „Gut, dass unser Nationaltrainer Armin Zöggeler den Franz-Josef Zeiß kennt“, sagt Fischnaller. Zu dem Physiotherapeuten in Westheim haben die italienischen Sportler vollstes Vertrauen. Dumm gelaufen für den italienischen Teamarzt. Nachdem der andere Vorstellungen von einer Wiederherstellung des Athleten hatte, wurde er verabschiedet.
Grund genug für die italienischen Medien, am Montagabend ein Live-Interview mit Dominik Fischnaller und seinem Coach zu führen. Thema: Warum wird der Star der Italiener im unterfränkischen Westheim behandelt? „Weil das meine letzte Rettung ist“, so Fischnaller, dem es inzwischen schon deutlich besser geht. Auch Franz-Josef Zeiß gibt sich optimistisch: „Dominik ist schon zu 80 Prozent wiederhergestellt. Wir kriegen ihn bis Olympia auf jeden Fall topfit.“
Für den Westheimer mit den „magischen Händen“ ist Fischnaller einer der ganz großen Favoriten auf die Spiele in Pyeongchang. Immerhin lief's ja zuletzt bis zu seiner Verletzung hervorragend. Der Sportler will allerdings die Latte nicht so hoch hängen: „Die Favoritenrolle habe nicht ich. Da gibt es immerhin noch einen Felix Loch aus Deutschland. Und auch die Russen, die Norweger, die Österreicher sowie die Kanadier und Amerikaner sollte man nicht vergessen. Das sind alles starke Fahrer“, die allesamt dem Höhepunkt der vergangenen vier Jahre entgegenfiebern. Olympia ist eben etwas Besonderes.
Im Mai haben die Vorbereitungen angefangen. Ausdauertraining, Kraftraum, jeden Tag vormittags und nachmittags. Bis es dann im Oktober in den Eiskanal geht. Der erste, der öffnet, ist in Norwegen in Lillehammer.
Dort ist es am vorletzten Wochenende für Fischnaller hervorragend gelaufen. „Es waren heuer schon ein paar gute Rennen dabei“, schmunzelt der Südtiroler. „Ich denke, beim letzten Rennen in Norwegen haben wir das richtige Material gefunden, mit dem ich mich wohlfühle. Da könnte schon was klappen.“ Man gewinnt kein Rennen mit schlechtem Material, erklärt der Rodler, aber es muss das Gesamtpaket stimmen. „Der Sportler muss natürlich auch gut sein“, lächelt Fischnaller.
Und es schadet nicht, wenn ihm die Bahn sympathisch ist, auf der er mit einem Affenzahn hinunterrauscht; bei Olympia viermal, ehe der Goldmedaillengewinner feststeht. „Ich war schon dreimal dort. Ich habe die Olympiabahn homologisiert, das heißt, ich habe die ersten Fahrten auf dieser Bahn gemacht. Die Bahn gefällt mir sehr gut.“ Als Schlüsselstelle hat der Südtiroler „Kurve 9“ ausgemacht. „Wer die viermal gut fährt, hat Chancen dabeizusein.“ Wer einen Fehler macht, hat mit dem Titel nichts mehr zu tun. Es muss alles zusammenpassen: Der Athlet muss fit sein im Kopf, körperlich und das Material muss passen.
„Darum bin ich zuversichtlich, dass ich pünktlich zu Olympia fit werde.“ Denn die größten Probleme sind bereits behoben, die letzten standen noch auf dem Stundenplan. „Ich bin sehr optimistisch, dass ich in zwei Wochen an den Start gehen kann. Ich bin hier in guten Händen. Franz-Josef Zeiß hat schon meinen Trainer Armin Zöggeler damals für Olympia fitgekriegt.“
Allerdings geht das nicht so einfach, wie es klingt. Ein Spitzenathlet, der an Olympia teilnehmen will, muss ununterbrochen für die Dopingkommission erreichbar sein. „Westheim?“, lautete die Frage des zuständigen „Dopingüberwachers“, als Fischnaller sich pflichtgemäß in den Haßbergkreis abmeldete. Da geht nichts mit einem spontanen Discoabstecher und einem anschließenden „Wir-gehen-zu-Dir“-Besuch bei einer hübschen Fränkin. Wenn der Dopingmann kommt und der Athlet ist nicht da, dann war's das mit Olympia. Aber nach einem fränkischen Tete-a-tete steht ihm ohnehin nicht der Sinn. Zum einen wartet jetzt erst der Heilungsprozess und anschließend Olympia – außerdem ist der sympathische junge Carabiniere in festen Händen.
Apropos: wie funktioniert eigentlich das Familienleben eines jungen Sportlers, der rund um die Uhr unterwegs ist? Nicht ganz unkompliziert. Jedoch sitzt Dominiks bessere Hälfte nicht zu Hause und wartet, bis er endlich wiederkehrt, sondern sie begleitet ihn in gewisser Weise zum Rennen. Sie fährt nämlich selber auf dem Schlitten als Rennrodlerin, allerdings für das US-amerikanische Team. Was für den Winter gut ist, entpuppt sich dann aber im Sommer als Crux. Die junge Dame muss nämlich bei ihrem Verband schon rechtzeitig ein Vierteljahr zuvor ihren Aufenthalt bei Dominik Fischnaller in Europa beantragen. Zu groß ist wohl die Gefahr, dass er die Geheimnisse ihrer Schlittenkufen erforschen könnte...
Die italienische Nationalmannschaft fliegt am 3. Februar – Fischnaller: „Ich freue mich schon riesig auf den Flug“ – nach Korea, um sich zu akklimatisieren und auf die Zeitumstellung von acht Stunden einzustellen. Das erste Training findet am 6. Februar statt. Die Rodelwettbewerbe sind gleich in der ersten Woche der Spiele dran, die von 9. bis 25. Februar stattfinden.
Dominik Fischnaller Dominik Fischnaller wurde am 20. Februar 1993 in Brixen in Italien geboren. Sein Wohnort ist Meransen. Der Hochleistungssportler ist 1,79 Meter groß und wiegt 82 Kilogramm. Er ist der jüngere Bruder des Rodlers Hans Peter Fischnaller und Cousin des Rodlers Kevin Fischnaller. Seine ersten Erfolge feierte Dominik Fischnaller in den verschiedenen italienischen Jugendmannschaften. In der Saison 2011/12 debütierte er im Weltcup. Am 6. Januar 2012 gewann er in Königssee mit der italienischen Staffel im Team-Wettbewerb. Genau ein Jahr später gelang ihm seine erste Podiumsplatzierung am selben Ort als Dritter. In Lake Placid erreichte er den zweiten Platz. In der Gesamtwertung der Saison 2012/13 belegte er den siebten Platz. Fischnaller nahm an zwei Weltmeisterschaften teil. Bei den Juniorenweltmeisterschaften 2013 gewann er die Goldmedaille. Am 17. November 2013 siegte Fischnaller beim Saisonauftakt erstmals in einem Weltcup-Rennen im norwegischen Lillehammer. Dort landete er auch vor eineinhalb Wochen auf dem ersten Platz.