Zweimal pro Woche fährt der Zwölftklässler am Kissinger Gymnasium nach Würzburg, wo er Vorlesungen besucht, Übungen macht und Klausuren schreibt. Montagnachmittags geht Martin Krebs nach der Schule – wo er die Leistungskurse Mathematik und Physik belegt hat – an die Uni und studiert Lineare Algebra. Freitagvormittags geht er nicht zur Schule. Der Stundenplan sähe zwei Stunden Mathe, eine Stunde Physik und zwei Stunden Deutsch vor. Stattdessen ist er beim Frühstudium in Sachen Analysis in Würzburg. Die Deutsch-Schulaufgabe über Schillers Maria Stuart an einem Freitag hat er natürlich mitgeschrieben. Da musste die Uni mal ausfallen. Den Stoff für die Schulaufgabe musste er sich anderweitig aneignen. Er schaffte gute elf Punkte.
Die Familie unterstützt Martin Krebs beim Frühstudium. Die Eltern waren bei den Vorgesprächen an der Begabungsberatungsstelle der Uni mit eingebunden. Sein Vater, der in Würzburg bei König & Bauer als Sicherheitsingenieur arbeit, fährt ihn nach Würzburg und zurück. Nur montagnachmittags muss er selber mit der Zug hinfahren. Martin Krebs' Schwestern – 14 und 19 Jahre alt – haben ebenfalls eine Affinität zur Mathematik. Allerdings keine eine so ausgeprägte wie ihr Bruder.
„Was zu beweisen war“
Die Neigung zur Mathematik entwickelte sich bei ihm ab der zehnten Klasse. Da gewann er den Landeswettbewerb Mathematik. Der Preis: die Teilnahme an Mathe-Seminaren in Würzburg. Kontakte zu anderen mathematikbegeisterten Schülern entstanden. Er ist Mitglied bei Quod Erat Demonstrandum, einem Verein, bei dem es um knifflige Fragen, aber auch um die Verbindung von Spaß und Mathe geht. Quod Erat Demonstrandum ist Lateinisch und heißt: Was zu beweisen war. Der Satz steht am Ende einer klassischen mathematischen Beweisführung.
Weitere Kontakte zu Gleichgesinnten hält Martin Krebs im Internet über den Chat I.C.Q. Sein Können misst er außerdem bei der Mathematik-Olympiade, einem Schülerwettbewerb, der auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene ausgetragen wird.
Zum Frühstudium kam er durch ein Plakat, das im Gymnasium hing und auf die Möglichkeit des Frühstudiums hinwies. Er sprach Mathelehrer Walter Rohkrämer an. Schnell war der Kontakt zu Dr. Richard Greiner vom Institut für Mathematik hergestellt, der an der Uni die fachliche Koordination in Sachen Frühstudium übernimmt.
Mathe im Bus
An Aufgaben für die Uni-Übungen kann er gedanklich überall arbeiten. Etwa im Bus. Oder sonstwo. Das Ergebnis muss dann halt doch noch abgefasst werden. Fünf bis sechs DIN-A4-Seiten muss Martin Krebs für sein Frühstudium in der Woche schreiben. Das braucht Zeit.
Alle Scheine, die Martin Krebs, der als Frühstudent einen Gasthörer-Ausweis hat, an der Uni erwirbt, werden bei einem späteren Mathematik-Studium anerkannt. Denn dass er Mathe studiert – voraussichtlich ab dem Wintersemester 2009/2010 –, steht für ihn fest. Seine angestrebten Abschlüsse sind Bachelor und Master. Lehrer will er übrigens nicht werden. Er glaubt nicht, dass er das pädagogische Talent hätte, was er selber begriffen hat, auch anderen begreiflich zu machen.
Er gelte bei seinen Mitschülern sicher als „Freak“. Er wisse, dass manche ihn schlicht den „Mathe-Martin“ nennen. Wobei er in Sachen Frühstudium am Jack-Steinberger-Gymnasium nicht der einzige ist. Zwei weitere Mitschüler sind ebenfalls Frühstudenten: der eine studiert auch Mathe, der andere Informatik.
Aber auch große Begabungen machen mitunter Fehler. Jüngst ist ihm beim Bundeswettbewerb Mathematik ein winziger Zuordnungsfehler unterlaufen. Er schaffte den zweiten Preis. Und ein Mathe-Crack muss nicht alles können. Bei der Fahrprüfung fiel er das erste Mal durch. Beim zweiten Mal hat's geklappt.
Im Blickpunkt
Frühstudium Die Uni Würzburg ist eine von 33 deutschen Universitäten, an denen Schüler der Klassen 11 bis 13 ein Frühstudium machen können. Aktuell sind es in Würzburg 70 Frühstudenten. Das ist Rekord seit dem Start im Wintersemester 2004/2005. Die meisten – 19 – studieren Mathematik. Infos unter www.begabungsberatungsstelle.uni-wuerzburg.de und www.mathematik.uni-wuerzburg.de/fruehstudium