Sorgen wiegen schwer und richten sich nicht nach Tages- und Öffnungszeiten. Da ist es gut und hilfreich, wenn auch mitten in der Nacht jemand ein offenes Ohr hat. Ohne besserwisserisch ungebetene Ratschläge parat zu haben, sondern Problemen im Leben einfühlsam begegnet. Anonym und kostenlos, rund um die Uhr, unabhängig von Alter und Religionszugehörigkeit.
"Die Telefonseelsorge schafft die nötige persönliche Nähe, um sich mit seinem Anliegen jemandem zu öffnen und gleichzeitig die manchmal erforderliche Distanz, um sich jemandem anzuvertrauen", weiß Susanne Röhner aus 19-jähriger Erfahrung als hauptamtliche Leiterin der Ökumenischen Telefonseelsorge Bamberg. "Sorgen kann man teilen, im Austausch entwickeln sich neue Perspektiven", fügt die 64-jährige Pastoralreferentin hinzu, die jetzt in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Susanne Röhner hinterlässt ihrem Nachfolger, Alfons Motschenbach, ein wohl bestelltes Haus. Im Gespräch mit dieser Redaktion blickt sie zurück auf die lange Phase intensiver seelsorglicher Arbeit: "Telefonseelsorge ist letztendlich ein pastorales Arbeitsfeld in Zeiten, in der sich die herkömmlichen Strukturen von Pfarrgemeinden auflösen", resümiert Röhner. Ein Arbeitsfeld, das überwiegend von ehrenamtlichen Männern und Frauen beackert wird. Diese derzeit 76 Personen zwischen 30 und überwiegend 60 Jahren zu qualifizieren, zu sichern und zu begleiten, sei eine ihrer Hauptaufgaben gewesen, blickt sie zurück. Dazu gehörte der technikbasierte Aufbau des Gesprächsangebots per Telefon, Mail und Chat. Susanne Röhner spricht von "raschen Veränderungsprozessen, die Zeit und Power in Anspruch nehmen", um das hohe Niveau der Telefonseelsorge zu gewährleisten.
Ich habe viel über Menschen und ihre Lebenswelten gelernt, es war eine gute und interessante Zeit.
Susanne Röhner, ehemalige Leiterin der Telefonseelsorge
Natürlich habe sie auch selber aktiven Telefondienst inklusive Nachtschichten geleistet: "Ich habe viel über Menschen und ihre Lebenswelten gelernt, es war eine gute und interessante Zeit", bilanziert die bisherige Leiterin. Sie bleibt verschwiegen, gibt keine Einzelgespräche wieder, wenn sie sagt: "Probleme und Krisen können jeden treffen." Erdrückendes wie Schwierigkeiten in der Partnerschaft oder Familie, Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, Sucht, Krankheit, Sinnkrisen: "Viele fühlen sich mit all dem alleingelassen und niemand ist zur Stelle, dem sie ihre Probleme anvertrauen können", so Röhner.
Gerade zu rasant nehmen Anrufe zu, in denen die Sprache auf die Plagen Einsamkeit und Isolation kommt. Das habe sich schon vor der Corona-Pandemie abgezeichnet und liege wohl an der zunehmenden Individualisierung, vermutet Susanne Röhner. Nicht selten äußern Betroffene Suizidgedanken, die die Telefonseelsorger alarmieren. Sie sind geschult, auch auf ausweglos erscheinende Hilfeschreie professionell zu reagieren.
Susanne Röhners Nachfolger Alfons Motschenbach ist gewappnet und von ihr seit Januar 2023 bestens eingearbeitet in seine neue Aufgabe. Bisher war der 58-jährige promovierte Pastoralreferent und verheiratete Familienvater von zwei Kindern Hochschulseelsorger an der Universität Bamberg. "Nach fast 45 Semestern an der Uni ist es ein stimmiges Weiter, etwas Neues anzufangen", lacht er, als er von den 22 Jahren als Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) erzählt. Er habe seine Arbeit an der Uni mit der Einzelseelsorge und individuellen Lebensbegleitung von Studierenden geliebt, bekennt Motschenbach. Doch jetzt freue er sich, an die "hochprofessionelle Arbeit" seiner Vorgängerin gut anknüpfen zu können: "Ich will erst wahrnehmen, was ist, und sehe keine Notwendigkeit, etwas zu ändern." Auch ihm sei es wichtig, Anrufer auf Augenhöhe ernst zu nehmen und kein "Therapeut-Klient-Verhältnis" aufzubauen, so Motschenbach. "Gespräch von Mensch zu Mensch" nennt er das, was sich in der Telefonseelsorge letztlich ergibt.
Ich will erst wahrnehmen, was ist, und sehe keine Notwendigkeit, etwas zu ändern.
Alfons Motschenbach, neuer Leiter der Telefonseelsorge
Zu seinen künftigen Aufgaben gehört, weitere ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Im Herbst 2023 beginnt ein neuer Ausbildungskurs. Und schon jetzt wirbt Alfons Motschenbach dafür. Niemand brauche Fachkenntnisse, Gesprächstechnik werde beigebracht. Einfühlungsvermögen, Interesse am Menschen und allen Facetten des Lebens, Geduld, psychische Stabilität nennt er als Voraussetzungen für eine Mitwirkung bei der Telefonseelsorge.
Seit 1956 gibt es von beiden großen Kirchen in Deutschland das Angebot der telefonischen Seelsorge und Beratung – zunächst nur in Berlin und mit dem Schwerpunkt Suizidverhütung. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Telefonseelsorge zu einer bundesweiten Organisation entwickelt, deren Gesprächsangebot alle Lebensbereiche umfasst. In Bamberg gibt es dieses seit 43 Jahren, getragen vom katholischen Dekanat Bamberg (zu 80 Prozent) und vom evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk Bamberg (20 Prozent). "Es ist eine ausgesprochen angenehme ökumenische Zusammenarbeit", betont Susanne Röhner.
Wer Interesse an einer ehrenamtlichen Mitarbeit an der Telefonseelsorge Bamberg hat, kann sich melden unter Tel.: (0951) 28210 oder E-Mail: telefonseelsorge@erzbistum-bamberg.de
Die Telefonseelsorge bietet Hilfe in schwierigen Lebenssituationen – im persönlichen Gespräch am Telefon und im Austausch im Chat oder per Mail. Kontakt: Tel. (kostenfrei): (0800) 1110111 oder (0800) 1110222. Chat und Mail: www.telefonseelsorge.de