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OBERLAURINGEN: Ein bleibendes Denk- und Mahnmal

OBERLAURINGEN

Ein bleibendes Denk- und Mahnmal

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    Ausstellung zur jüdischen Geschichte in Oberlauringen und Stadtlauringen: Aus Israel angereist sind die Nachfahren der von den Nazis ermordeten Simon und Regina Hirschberger aus Stadtlauringen: (von links) Daniel, Matti, Noam, Ayelet, Sharon und Amichai Gottlieb. Rechts Winfried Krappweis aus Stadtlauringen, der die Familiengeschichte erforschte.
    Ausstellung zur jüdischen Geschichte in Oberlauringen und Stadtlauringen: Aus Israel angereist sind die Nachfahren der von den Nazis ermordeten Simon und Regina Hirschberger aus Stadtlauringen: (von links) Daniel, Matti, Noam, Ayelet, Sharon und Amichai Gottlieb. Rechts Winfried Krappweis aus Stadtlauringen, der die Familiengeschichte erforschte. Foto: Fotos: Hannes Helferich

    Cordula Kappner kennt das Schicksal der jüdischen Ärztin Lilly Jahn, deren Mutter Paula Schloß im Haus Nummer 17 in Oberlauringen geboren wurde, sehr gut. Als Kappner am Sonntag zur Eröffnung der Ausstellung „Aus der jüdischen Geschichte von Oberlauringen“ im Rathaus Stadtlauringen aber aus einem Brief zitierte, den Lilly Jahn auf dem Transport nach Auschwitz an ihre fünf Kinder geschrieben hatte, da stockte ihr dennoch mehrmals die Stimme. Es sollte nicht der einzige berührende Moment sein.

    Lillys Mann Ernst Jahn, auch er Arzt, war nichtjüdisch, hatte sich 1942 aber scheiden lassen. „Sie war deshalb schutzlos den Rassegesetzen der Nazis ausgeliefert“, sagte Kappner. Lilly Jahn landete im Zwangsarbeiterlager Breitenau bei Kassel und schrieb von dort an Verwandte, Freunde und ihre Kinder.

    Herzenswunsch im letzten Brief

    Im zitierten Brief an „Gerhard Junge, Ilse-Maus, Hannelekind, Evalein und mein Dorleschatz“ sitzt die Mutter in einem Deportationszug. Sie scheint tatsächlich nicht zu ahnen, dass ein Wiedersehen, das sie im letzten Brief vom 21. März 1944 als Herzenswunsch nennt, nicht mehr geben wird. Sie fordert die Kinder noch auf, der Vater solle ein Gesuch einreichen, dass sie freikomme. Lilly Jahn wurde am 17. oder 19. Juli 1944 in Auschwitz umgebracht. Ihr Enkel Martin Doerry hat ihr Schicksal in seinem Buch „Mein verwundetes Herz“ nachgezeichnet.

    Die Ausstellung, die im Rathaus von Stadtlauringen bis 24. November zu sehen ist, schildert auf 44 Tafeln 22 Schicksale von Familien großteils aus Ober-, aber auch aus Stadtlauringen. Reich bebildert, jede Menge Dokumente, die Schicksale sind übersichtlich zusammengefasst.

    Konzipiert hat sie Cordula Kappner (Haßfurt), die sich seit Jahrzehnten vornehmlich mit dem Schicksal der Juden im Landkreis Haßberge beschäftigt. Um die Erinnerung an sie wach zu halten, hat sie bisher bereits 39 Ausstellungen erstellt.

    Zur jetzigen Ausstellung ließ sie sich von Friedel Korten aus Oberlauringen und Ferdinand Freudinger (Stadtlauringen) „breit schlagen“. Beide beschäftigen sich ihrerseits seit langem mit der jüdischen Geschichte im Markt und trugen maßgeblich zum Gelingen der Ausstellung bei, die zur Eröffnung auf enorme Resonanz stieß.

    Kappner berichtete, dass sie in Ober- und Stadtlauringen auf viele neue Facetten der jüdischen Vergangenheit gestoßen sei. Als Beispiel nannte sie Anastasia und Dr. Severin Gerschütz, die unter Einsatz ihres Lebens der untergetauchten Jüdin Irene Schmalenbach und ihrer Tochter Eva Unterkunft gewährten, wofür sie 1987 in Yad Vashem als „Gerechte unter Völkern“ geehrt wurden. Sie sei bei ihren Recherchen aber auch auf den „Antisemiten Friedrich Rückert“ und seinem „hässlichen Geddicht über die jüdischen Einwohner in Oberlauringen“ gestoßen.

    Die weiteste Anreise hatte Familie Gottlieb aus Israel, die Nachfahren von Simon und Regina Hirschberger, die beide 1942 nach Ibicza deportiert wurden und vermutlich im Vernichtungslager Sobibor umkamen.

    Ihre drei Töchter überlebten, weil die Eltern sie rechtzeitig außer Landes brachten. Ilse, geboren 1915, besuchte in Schweinfurt das Mädchenlyzeum, ging danach in Wolfratshausen an eine jüdische Mädchenschule, ehe sie 1936 zu einem Onkel nach New York geschickt wurde. Fränzi, geboren 1921, kam 1938 zu einer jüdischen Familie nach Palästina. Lore, 1930 geboren, wurde Anfang 1939 zu einer Familie nach Schweden gebracht, die mit ihr 1940 nach Amerika auswanderte.

    Kappner präsentierte eine Postkarte von Lore an die Eltern vom 10. August 1939. Die mittlerweile verstorbene Lore war mit Fred Gottlieb verheiratet. Er war zuletzt im Juni 2011 aus Israel nach Stadtlauringen gekommen, als in Erinnerung an Simon und Regina Hirschberger ein Stolperstein vor deren ehemaligen Anwesen Kirchtorstraße 3 verlegt wurde. Initiiert hatte das Freudinger.

    Gesundheitsbedingt musste der 83-Jährige nun kurzfristig absagen. Fred Gottlieb schickte aber mit Daniel einen seiner Söhne. Der wiederum brachte Frau Sharon und vier seiner fünf Kinder mit. Daniel Gottlieb übermittelte die „tiefe Enttäuschung“ seines Vaters, nicht kommen zu können, dankte gleichwohl, dass mit der Ausstellung der Ermordeten gedacht werde. Dieses Erinnern nannte er wichtig, es sei eine Ehre.

    Einen Brief von Fred Gottlieb verlas Winfried Krappweis aus Stadtlauringen. Seine Großeltern hatten das Anwesen der Hirschbergers in den 1950ern erworben. Krappweis forschte mit Unterstützung von Elisabeth Böhrer, exzellente Kennerin der Geschichte jüdischer Bürger aus Region, die Biografie der Familie Hirschberger. Am 22. April wurde das Ehepaar mit weiteren Juden aus dem damaligen Landkreis Hofheim, darunter 13 aus Oberlauringen, nach Würzburg gebracht. Am 25. April ging der Transport nach Krasnystaw in Polen und mit großer Wahrscheinlichkeit am 6. Juni 1942 weiter ins Vernichtungslager Sobibor.

    Dokumentation geplant

    Statt Schuld zu suchen oder Vorwürfe zu machen, wie das noch immer geschehe, nannte Bürgermeister Friedel Heckenlauer diese „Auseinandersetzung mit der Geschichte“ wichtig, weil sie angesichts negativer Strömungen auch ein Mahnen sei. Israel Schwierz von der Israelitischen Gemeinde Würzburg bewertete die Ausstellung als ein „bleibendes Denkmal für die Vernichtung der Juden aus Ober- und Stadtlauringen“. Die Gemeinde will eine Dokumentation herausbringen. Krappweis führte die Gäste aus Israel am Sonntag noch zu den früheren Wohnhäusern und auf den jüdischen Friedhof in Oberlauingen.

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